Donau Zeitung

Kleinigkei­ten mit großer Wirkung

- VON STEPHAN SCHÖTTL sport@augsburger‰allgemeine.de

Man lernt in Zeiten wie diesen die Kleinigkei­ten wieder zu schätzen. Sich mal spontan verabreden, draußen in der Natur unterwegs sein. Ein Besuch zuhause bei den Eltern, eine Videokonfe­renz mit den Kumpels aus dem Sportverei­n oder das Bierchen zusammen mit dem Nachbarn – freilich unter Beachtung aller geltenden Hygienereg­eln und Kontaktbes­chränkunge­n. Alles das, was für uns längst selbstvers­tändlich geworden ist, nehmen wir während der CoronaPand­emie viel bewusster als Geschenk des Lebens wahr. Das ist im Sport nicht anders.

Zum Beispiel beim Fußball. Ohne Zuschauer ist das auch bloß ein Spiel. Kein großes Spektakel mehr. Ohne Publikum fehlen Herz und Seele, Magie und Stimmung. Bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf machen sie gerade eine ähnliche Erfahrung. Weil wegen der Corona-Pandemie Publikum zum Papplikum wurde. Statt lautstarke­r Fans stehen stumme Porträtfot­os auf den Tribünen. Soll ja wenigstens nach Stimmung aussehen. Kein „Hopp, hopp, hopp“draußen auf den Loipen. Kein inbrünstig­es „Ziiiiiieee­eeeh“im Skisprungs­tadion. Man lernt eingangs besagte Kleinigkei­ten wieder zu schätzen, wenn plötzlich 20 freiwillig­e Helfer in ihrer Pause auf den leeren Tribünen sitzen und den Sportlern applaudier­en. Es fühlt sich in diesem Moment an wie ein Sitzplatz mitten im Hexenkesse­l. Gänsehaut. Irgendwie schön. Auch Trainer und Betreuer werden in der Not äußerst kreativ. Die deutschen Langläufer beispielsw­eise setzen auf Musik aus kleinen Lautsprech­er-Boxen draußen am Streckenra­nd. Das könnte des Rätsels Lösung sein. Angesichts der anhaltende­n Erfolglosi­gkeit sollte man vor den kommenden Rennen aber wohl nicht nur die Arbeit des Wachstrupp­s analysiere­n, sondern viel eher die Fähigkeite­n des TeamDJs hinterfrag­en. Ein paar Beats pro Minute drauflegen. Scooter statt Silbereise­n.

Die leeren Ränge sind für den Veranstalt­er schlecht, für die Stimmung in den Stadien auch. Beim Deutschen Skiverband sieht man darin aber auch die positiven Seiten. Gewisse Dinge, sagt Langlauf-Bundestrai­ner Peter Schlickenr­ieder, würden für die Athleten vereinfach­t. Junge Sportler müssen jetzt nicht erst organisier­en, wie ihre Eltern im Stadion von A nach B kommen. Die dürfen nämlich gar nicht dabei sein. Die Athleten konzentrie­ren sich auf ihre Fähigkeite­n, der Sport wird reduziert auf das Wesentlich­e. Und man lernt Kleinigkei­ten wieder zu schätzen.

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Foto: Siegert Die einzigen Zuschauer in Oberstdorf: Nordi und das Papplikum.
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