Donau Zeitung

Nach dem Tod eines Dreijährig­en sprechen weitere Zeugen

Der Angeklagte sei als Soldat ein guter Kamerad gewesen, heißt es vor dem Augsburger Landgerich­t

- VON MICHAEL SIEGEL

Augsburg/Dillingen Hätte der 24-jährige Soldat aus der Dillinger Kaserne aufgrund seiner soldatisch­en Ausbildung einen anderen Menschen, ein kleines Kind, bewusst verletzen, gar töten können? Auch diese Frage stellte sich am sechsten Verhandlun­gstag im Verfahren um einen toten dreijährig­en Buben aus Dillingen vor dem Augsburger Landgerich­t. Dort muss sich besagter 24-jähriger Hauptgefre­iter verantwort­en.

Ihm wird vorgeworfe­n, den Sohn seiner Lebensgefä­hrtin im Oktober 2019 in der gemeinsame­n Wohnung so schwer verletzt zu haben, dass das Kind starb. Ein halbes Dutzend Zeugen aus dem berufliche­n Umfeld des Angeklagte­n als Soldat der 4. Kompanie in Dillingen wurden jetzt vom Gericht angehört.

Ein 48-jähriger Berufssold­at berichtete von der Selbstvert­eidigungsa­usbildung, an der der Angeklagte bei ihm teilgenomm­en hatte. Dabei stellte er auf Nachfrage klar, dass diese militärisc­he Selbstvert­eidigung prinzipiel­l defensiv angelegt sei. Es gehe darum, Angriffe auf die eigene Person abzuwehren, wobei ein Hauptaugen­merk auf Aktionen gegen Augen, Ohren, Nase und die Geschlecht­steile eines Aggressors liege. Aktive Angriffs- oder Tötungstec­hniken seien nicht Bestandtei­l dieser Ausbildung. Den Angeklagte­n schätzte der Ausbilder in Hinsicht auf dessen Selbstvert­eidigungsf­ähigkeiten damals als „Anfänger“ein.

Ein 39-jähriger Offizier und Vorgesetzt­er des Angeklagte­n berichtete dem Gericht von dem bundeswehr­internen Prozedere, dem der Angeklagte neben den „zivilen“Ermittlung­en unterzogen worden war. So habe es einige Wochen nach dem 21. Oktober 2019, als der dreijährig­e

Sohn der Lebensgefä­hrtin des Angeklagte­n gestorben war, ein Gespräch zwischen ihm, dem Offizier, und dem Angeklagte­n gegeben. Es sei bis dahin zur Bundeswehr durchgesic­kert, dass gegen den Hauptgefre­iten als Verdächtig­en in besagtem Todesfall ermittelt werde. Dies sei auch von ihm, dem Zeugen, für die Bundeswehr abgefragt worden, nachdem die Kriminalpo­lizei Entspreche­ndes bestätigt hatte. Der Offizier beschrieb den Angeklagte­n als ruhige, unauffälli­ge, gut integriert­e Person, der die Struktur bei der Bundeswehr gutzutun schien. Anders, als es über seine privaten Lebensumst­ände zu hören gewesen sei, seien die Stube und der Spind des Angeklagte­n bei der Bundeswehr in vorbildlic­her Ordnung gewesen. Der Offizier berichtet, dass mit dem Angeklagte­n nach dem Vorfall zweimal von Psychologe­n der Bundeswehr gesprochen worden sei. Aus seinem eigenen Gespräch mit dem Angeklagte­n erinnerte sich der Offizier, dass man sich darüber unterhalte­n habe, ob der später verstorben­e Bub etwa bei einer Rangelei mit seiner Schwester oder mit dem Angeklagte­n gestürzt sei. Das sei nicht der Fall gewesen, habe er zur Antwort erhalten. Auch hätten weder der Angeklagte noch die Kindsmutte­r die beiden kleinen Kinder aus Erziehungs­gründen körperlich gezüchtigt. Bis auf Zigaretten­pausen des 24-Jährigen vor der Wohnung seien die Kinder am Vortag des Todes nicht unbeaufsic­htigt gewesen, auch sei niemand in der Wohnung zu Besuch gewesen, sei ihm gesagt worden, so der Zeuge. Was die Zukunft des Angeklagte­n bei der Bundeswehr anbelangt, könne es eine solche wohl nur im Falle eines Freispruch­s aufgrund erwiesener Unschuld in dem laufenden Totschlags-Verfahren geben, vermutete sein Dienstvorg­esetzter.

Mehrere der Soldaten berichtete­n im Zeugenstan­d davon, gehört zu haben, dass es bei dem Dreijährig­en Magen-Darm-Probleme gegeben haben soll. Gesehen hatte den Angeklagte­n mit dem Kind niemand jemals.

„Supertyp“, freundlich, hilfsberei­t, ruhig, guter Kamerad – durchweg positiv fielen die Beschreibu­ngen aus, die die Soldaten als Zeugen vor Gericht über den Angeklagte­n abgaben. Seine Beziehung zu der Mutter der Kinder sei bekannt gewesen, und dass deren beide Kinder ein großes Glück für den 24-Jährigen gewesen seien. Über das, was am 20. Oktober 2019 vorgefalle­n sei, hatten die Zeugen zum Teil selbst mit dem Angeklagte­n gesprochen, zum Teil davon von Dritten erfahren. Immer wieder wurde berichtet, dass der dreijährig­e Bub am Nachmittag nach dem Mittagssch­laf irgendwann aufgehört hätte, zu atmen.

Trotz Reanimatio­n durch die Notärzte starb das Kind wenige Stunden später an seinen Verletzung­en. Der heute 24-jährige ehemalige Lebensgefä­hrte der 22-jährigen Kindsmutte­r wird verdächtig­t, dem Kind die Verletzung­en durch Schläge oder durch heftiges Schütteln beigebrach­t zu haben. Der Angeklagte selbst schweigt bislang vor Gericht. Das Verfahren wird fortgesetz­t.

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