Adoptiert mich!
Die roten Telefonzellen sind frei für ein neues Leben
Es gibt Menschen, die, kaum sind sie aus der Arbeitspflicht entlassen, die verrücktesten Dinge tun, wandern zum Beispiel barfuß auf den Kilimandscharo, um mal ein zufälliges Beispiel zu nennen. Gleiches aber gilt auch für Dinge. Wozu sie gut sind, was mit ihnen alles möglich ist, wird oft erst entdeckt, wenn sie endlich nichts mehr müssen, sondern alles dürfen, also: Kein Sachzwang mehr besteht. Womit wir beim Thema wären: Telefonzellen. Gebaut eigentlich einst nur für einen Zweck: Telefonieren. Dafür aber werden sie nun kaum mehr gebraucht, weil die meisten Menschen ihr Telefon ununterbrochen mit sich herumtragen. Weltweit nimmt die Zahl der Telefonzellen daher ab.
In Großbritannien aber erlebt die legendäre rote Telefonzelle gerade so etwas wie einen zweiten Frühling. Endlich frei, um alles zu sein: Bücherschrank, Espressobar, Eisdiele, Minimuseum, Infozentrum oder auch Rettungsstation mit eingebautem Defibrillator.
Für gerade mal ein Pfund können Gemeinden und Vereine eines der Kulthäuschen „adoptieren“. Dann muss man sich natürlich auch ordentlich darum kümmern. Laut British Telecom sind bislang 6600 Zellen umgewidmet worden. Am Montag kündigte sie an, weitere 4000 in eine neues verrücktes Leben zu entlassen. Entworfen wurde das rote Telefonhäuschen übrigens einst von Sir Giles Gilbert Scott. Das klassische Kuppeldach hatte er dem Mausoleum des Architekten-Kollegen Sir John Soane nachempfunden. Nun herrscht unter mancher Kuppel fast wildes Treiben, sogar ein Pub wurde schon eingerichtet. Bittere Ironie: Auch als Ladestation fürs Smartphone dienen einige der Häuschen. Weil man fast nicht mehr damit rechnet, ist die schönste Überraschung aber vielleicht die: Immer wieder trifft man auch auf Telefonzellen, in denen man telefonieren kann.