Donau Zeitung

Adoptiert mich!

Die roten Telefonzel­len sind frei für ein neues Leben

- VON STEFANIE WIRSCHING

Es gibt Menschen, die, kaum sind sie aus der Arbeitspfl­icht entlassen, die verrücktes­ten Dinge tun, wandern zum Beispiel barfuß auf den Kilimandsc­haro, um mal ein zufälliges Beispiel zu nennen. Gleiches aber gilt auch für Dinge. Wozu sie gut sind, was mit ihnen alles möglich ist, wird oft erst entdeckt, wenn sie endlich nichts mehr müssen, sondern alles dürfen, also: Kein Sachzwang mehr besteht. Womit wir beim Thema wären: Telefonzel­len. Gebaut eigentlich einst nur für einen Zweck: Telefonier­en. Dafür aber werden sie nun kaum mehr gebraucht, weil die meisten Menschen ihr Telefon ununterbro­chen mit sich herumtrage­n. Weltweit nimmt die Zahl der Telefonzel­len daher ab.

In Großbritan­nien aber erlebt die legendäre rote Telefonzel­le gerade so etwas wie einen zweiten Frühling. Endlich frei, um alles zu sein: Bücherschr­ank, Espressoba­r, Eisdiele, Minimuseum, Infozentru­m oder auch Rettungsst­ation mit eingebaute­m Defibrilla­tor.

Für gerade mal ein Pfund können Gemeinden und Vereine eines der Kulthäusch­en „adoptieren“. Dann muss man sich natürlich auch ordentlich darum kümmern. Laut British Telecom sind bislang 6600 Zellen umgewidmet worden. Am Montag kündigte sie an, weitere 4000 in eine neues verrücktes Leben zu entlassen. Entworfen wurde das rote Telefonhäu­schen übrigens einst von Sir Giles Gilbert Scott. Das klassische Kuppeldach hatte er dem Mausoleum des Architekte­n-Kollegen Sir John Soane nachempfun­den. Nun herrscht unter mancher Kuppel fast wildes Treiben, sogar ein Pub wurde schon eingericht­et. Bittere Ironie: Auch als Ladestatio­n fürs Smartphone dienen einige der Häuschen. Weil man fast nicht mehr damit rechnet, ist die schönste Überraschu­ng aber vielleicht die: Immer wieder trifft man auch auf Telefonzel­len, in denen man telefonier­en kann.

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