Die AfD ist noch nicht erledigt
Im Sommer stellt sich die Machtfrage
Berlin Eigentlich ist die Alternative für Deutschland erledigt. Im Innern verfeindet, skandalgeplagt und vielleicht schon bald unter dem wachsamen Auge des Verfassungsschutzes. Ein Drittel der Wähler hat sie in Baden-Württemberg und RheinlandPfalz verloren. Doch die AfD mit normalen Kategorien begreifen zu wollen, führte in die Irre. Egal wie katastrophal das Bild, die Partei hat stets alle Chancen, im Westen Deutschlands in die Landtage einzuziehen und im Osten der Konkurrenz Angst und Bange zu machen. „Die AfD-Wähler stört das nicht. Sie sind zutiefst überzeugt, dass das System schlecht ist“, sagt der Wahlund Meinungsforscher Manfred Güllner unserer Redaktion. Der Chef des Meinungsforschungsinstitut Forsa beziffert den Anteil der Wähler mit geschlossen rechtsradikalem Weltbild auf zehn Prozent.
Im Osten ist das Wählerpotenzial der AfD höher. Zu den Wählern mit rechter Gesinnung kommen die Nachwende-Frustrierten, die die Partei aus dem Lager der Nichtwähler aktivieren kann. In Sachsen-Anhalt wird im Juni ein neuer Landtag gewählt und die Umfragen sehen die AfD bei stabil über 20 Prozent. „Wir sind vom Verschwinden aus den Parlamenten meilenweit entfernt“, sagte Parteichef Jörg Meuthen am Montag bei der Wahlnachlese und gibt sich gelassen.
In Sachsen-Anhalt könnte die AfD an alte Erfolge anknüpfen. Es könnte gelingen, was zuletzt in der Corona-Pandemie nicht mehr gelungen ist: dass alle anderen Parteien nur noch über sie sprechen. Die Chancen stehen gut, der CDU eine toxische Richtungsdebatte aufzudrängen.
Die CDU muss eine Richtungsdebatte fürchten
Der CDU-Chef und mögliche Kanzlerkandidat Armin Laschet muss sich auf einen hässlichen Kampf einstellen. Er kostete seiner Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer den Vorsitz und beerdigte ihre Ambitionen auf das Kanzleramt. Das Drama spielte in Erfurt. Dort hatte die CDU mit FDP und AfD einen FDP-Mann zum Ministerpräsidenten gewählt. Schande war das Wort der Stunde.
Das Debakel wird sich so nicht wiederholen, aber die Regierungsbildung in Sachsen-Anhalt wird ein Stresstest. Die amtierende KeniaKoalition unter Ministerpräsident Reiner Haseloff aus CDU, SPD und Grünen ist zerstritten. Ein Teil der CDU-Fraktion liebäugelt mit einer Minderheitsregierung unter Tolerierung der AfD. Die Umfragen geben derzeit nur eine Neuauflage von Kenia her, die eventuell sogar noch durch die FDP aufgestockt werden muss, weil die Ränder mit AfD und Linken stark besetzt sind. Die Christdemokraten haben eine doppelte Brandmauer hochgezogen und Bündnisse sowohl mit der AfD als auch mit der Linkspartei ausgeschlossen. Der Preis des Walls nach beiden Seiten ist ein verengter Manöverspielraum.
Wahlforscher Güllner rät der CDU, die Mauer Richtung Linke einzureißen. „Wir haben das erst vor kurzem untersucht. Die Wähler von Linken und CDU liegen im Osten viel näher beieinander, als die Wähler von CDU und AfD.“In Thüringen toleriert die CDU die rot-rot-grüne Minderheitsregierung von Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow. Die CDU-Bundesspitze hat sich überraschend schnell damit arrangiert, obwohl das zunächst für laute Empörung gesorgt hatte. Sich nicht deutlich von der AfD abzugrenzen, hält Güllner für die größere Gefahr. „Wenn man sich nicht abgrenzt, macht man sie stark und sich selber schwach.“