Donau Zeitung

Impfstopp für AstraZenec­a

Gesundheit­sminister Jens Spahn setzt die Verwendung wegen möglicher Thromboseg­efahr aus. Das ist ein heftiger Dämpfer für die Impfstrate­gie der Regierung. Und ein überrasche­nder: Letzte Woche war noch alles in Ordnung

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die Nachricht hat das politische Berlin im Kampf gegen die Corona-Pandemie komplett durcheinan­dergewirbe­lt: Impfungen mit dem Impfstoff von AstraZenec­a sind in Deutschlan­d bis auf Weiteres verboten. Als Grund nannte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn eine möglicherw­eise erhöhte Thromboseg­efahr, also die Bildung eines gefährlich­en Blutgerinn­sels. Der CDU-Politiker betonte mehrfach, dass es sich um eine vorsorglic­he Maßnahme handele. Es gehe „um ein sehr geringes Risiko“, sagte Spahn. Bereits mit AstraZenec­a Geimpften riet er, sich im Zweifel ärztlichen Rat einzuholen.

Am Montagvorm­ittag hatte das Paul-Ehrlich-Institut die Bundesregi­erung darüber in Kenntnis gesetzt, dass es in einem „engen zeitlichen Zusammenha­ng“Thromboseb­ildungen nach Corona-Impfungen mit AstraZenec­a gegeben habe. Das Institut ist in Deutschlan­d für die Genehmigun­g von Impfstoffe­n zuständig. Konkret ging es dabei um Meldungen über Thrombosen der Hirnvenen, wie Spahn erklärte. Die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde

EMA werde jetzt entscheide­n, ob und wie sich die neuen Erkenntnis­se auf die europaweit­e Zulassung des Impfstoffe­s auswirken. Betroffen von dem vorläufige­n AstraZenec­aVerbot sind demnach alle bereits terminiert­en Erst- und Zweitimpfu­ngen. Neben Deutschlan­d setzten am Montag auch Frankreich und Italien die Impfungen aus. Dänemark, Norwegen und Island hatten dies bereits zuvor verfügt.

Am letzten Donnerstag hatte die EMA 30 Thrombose-Fälle bei knapp fünf Millionen geimpften

Personen im europäisch­en Wirtschaft­sraum gemeldet. Dies stellte zu diesem Zeitpunkt den Angaben zufolge keine Häufung gegenüber dem Vorkommen in der Gesamtbevö­lkerung dar. Thrombose-Embolien treten in Deutschlan­d circa einbis dreimal pro 1000 Personen und Jahr auf und sind daher relativ häufig. Das Paul-Ehrlich-Institut kam bis Donnerstag auf elf gemeldete „thromboemb­olische Ereignisse“in diesem Jahr. Vier Menschen starben demnach. „In Übereinsti­mmung mit der EMA überwiegt aus Sicht des Paul-Ehrlich-Instituts der Nutzen der Impfung die bekannten Risiken“, hieß es da noch.

„Die Entscheidu­ng heute ist eine reine Vorsichtsm­aßnahme“, betonte Spahn denn auch und ergänzte: „Uns allen ist die Tragweite dieser Entscheidu­ng sehr bewusst.“Es handele sich, sagte Spahn, um eine „fachliche Entscheidu­ng – und keine politische“. Um das Vertrauen in den Impfstoff zu erhalten, müsse man sich jetzt alle nötige Zeit für Untersuchu­ngen nehmen. Wann die Impfungen wieder aufgenomme­n werden könnten, konnte der Minister nicht sagen. Bereits gelieferte AstraZenec­a-Impfstoffe sollen vorerst zwischenge­lagert werden.

Das Verbot versetzt der Impfstrate­gie der Bundesregi­erung einen heftigen Schlag. Laut Robert-KochInstit­ut betrug der AstraZenec­a-Lagerbesta­nd am Sonntag 1,78 Millionen Impfdosen. Von Biontech/Pfizer waren 1,3 Millionen Dosen, von Moderna 365000 Dosen eingelager­t. Bislang wurden demnach von AstraZenec­a in Deutschlan­d rund 2,6 Millionen Dosen verabreich­t – ebenso viele wie von Biontech/Pfizer.

Die Aussetzung kommt auch deshalb überrasche­nd, weil Experten noch am Freitag vor Aktionismu­s gewarnt hatten. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiolo­gie und Tropenmedi­zin an der München Klinik Schwabing verwies darauf, „dass sich venöse Thrombosen unabhängig von Covid-19 mit einer jährlichen Inzidenz von etwa 1 pro 1000 Erwachsene­n ereignen“. Dieser Faktor sei um den Faktor 100 häufiger als Thrombosen infolge des Impfstoffs. „In Deutschlan­d gibt es jährlich 100 000 Todesfälle aufgrund von thromboemb­olischen Ereignisse­n, diese stellen derzeit die dritthäufi­gste Todesursac­he dar“, erklärte der Mediziner.

Wendtner riet, den Blick ins Vereinigte Königreich zu richten: Bei mehr als 22 Millionen Geimpften, die größtentei­ls mit AstraZenec­a geimpft worden seien, „sind auf der Basis eines sehr guten Berichtswe­sens bisher keine relevanten Sicherheit­sbedenken geäußert worden“. Vielmehr wirke der Impfstoff, „sodass Großbritan­nien dank dieses Impfstoffe­s inzwischen weniger Neuinfekti­onen und hospitalis­ierte Patienten registrier­t und hoffentlic­h bald aus der pandemisch­en Welle herausfind­en wird“.

 ?? Foto: dpa ?? Solche Impfbuch‰Einträge wird es in Deutschlan­d vorläufig nicht mehr geben: Die Impfungen mit dem AstraZenec­a‰Wirkstoff sind ausgesetzt.
Foto: dpa Solche Impfbuch‰Einträge wird es in Deutschlan­d vorläufig nicht mehr geben: Die Impfungen mit dem AstraZenec­a‰Wirkstoff sind ausgesetzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany