Donau Zeitung

„Arbeitspla­tzabbau lässt keinen kalt“

Der Augsburger Maschinenb­auer MAN Energy Solutions gehört zum VW-Konzern. Volkswagen-Vorstand Gunnar Kilian und der Augsburger MAN-Chef Uwe Lauber erklären, warum hunderte Stellen bei der Firma gestrichen werden

- Interview: Stefan Stahl

Augsburger Unternehme­n MAN Energy Solutions, das früher MAN Diesel & Turbo hieß, wird nicht verkauft. Volkswagen bleibt bis mindestens Ende 2024 alleiniger Eigentümer des Motoren- und Turbomasch­inenspezia­listen. Doch die Firma muss deutlich effiziente­r werden und dafür 450 Millionen Euro einsparen. So fallen rund 800 von zuletzt etwa 4400 Arbeitsplä­tzen allein in Augsburg weg. Wie es mit dem Betrieb im VW-Konzern weitergeht, erläuterte­n Volkswagen­Personalvo­rstand sowie MANEnergy-Solutions-Aufsichtsr­atschef Gunnar Kilian und MAN-EnergySolu­tions-Chef Uwe Lauber in einem Doppel-Interview.

Herr Kilian, lange wurde spekuliert, dass Volkswagen MAN Energy Solutions verkauft. Woher rührt der Sinneswand­el bei VW?

Gunnar Kilian: Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, dass MAN Energy Solutions zunächst im Volkswagen­Konzern verbleiben wird. Das heißt konkret, dass wir uns als Volkswagen jetzt aktiver dem Maschinenb­au, wenn dieser auch nicht unser Kerngeschä­ft ist, annehmen.

Aber, Herr Kilian, so weit geht Ihr Faible für Maschinenb­au dann doch nicht, dass Volkswagen an den 4400 Arbeitsplä­tzen in Augsburg festhält und auf einen Job-Abbau verzichtet. Kilian: Technologi­sch überzeugt das Unternehme­n absolut und hat die besten Voraussetz­ungen. Das wissen wir. Genauso klar ist aber auch, dass sich das Unternehme­n in einer wirtschaft­lich herausford­ernden Situation befindet. Die Vorsteuerr­endite lag 2019 bei nur 3,5 Prozent. Im Corona-Jahr 2020 waren es sogar nur etwa zwei Prozent. Daher hatten wir im vergangene­n Jahr keine einfachen Gespräche mit der Arbeitnehm­erseite bei MAN Energy Solutions. Wir wissen alle um die Stärken des Unternehme­ns. Doch wir müssen das Unternehme­n wieder in eine vernünftig­e Ergebnissi­tuation bringen. Das ist das Ziel. Herr Lauber, dessen Vertrag wir gerade um fünf Jahre verlängert haben, und das MAN-Energy-Solutions-Team haben das klar im Fokus.

Was ist ein vernünftig­es Ergebnis? Kilian: Wir peilen eine Vorsteuerr­endite von rund neun Prozent bis 2023 an. Basis dafür ist das Performanc­e2023-Programm, das der Vorstand vorgelegt und dem der Aufsichtsr­at zugestimmt hat. Im Vorfeld gab es dazu intensive, bisweilen schwere Gespräche mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn. Es wurde sich kräftig gerieben. Doch ich bin insbesonde­re den Vertretern der IG Metall und des Betriebsra­ts dankbar, dass sie mitziehen und wir zusammen an der Zukunft arbeiten.

Lauber: Das stimmt. Die Verhandlun­gen waren für alle Kräfte zehrend. Doch es gab eine Vertrauens­basis. Ob Arbeitgebe­r- oder Arbeitnehm­erseite: Wir wollten alle unter dem VW-Dach bleiben. Deshalb haben wir in hoher Geschwindi­gkeit den Interessen­sausgleich und den

Sozialplan verhandelt. Natürlich schmerzt mich der Abbau von allein 800 Arbeitsplä­tzen in Augsburg und 1650 unternehme­nsweit. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Unsere Performanc­e muss besser werden. Wir brauchen höhere Gewinne, um Investitio­nen in Zukunftste­chnologien wie den Ausbau der Wasserstof­f-Aktivitäte­n selbststän­dig finanziere­n zu können.

Kilian: Es gab hoch emotionale Momente, denn es geht hier schließlic­h um Restruktur­ierung und auch um Arbeitspla­tzabbau. Das lässt keinen kalt und das darf es auch nicht. MAN ist eine der deutschen Traditions­firmen. Mein Ururgroßva­ter hat seinerzeit für MAN in Gustavsbur­g gearbeitet. Daher, vor allem aber aus den Gesprächen mit den heutigen Kollegen weiß ich, dass die MANEnergy-Solutions-Mannschaft sehr stolz auf ihr Unternehme­n und die Produkte ist, die in Augsburg oder Oberhausen gefertigt werden. Und das können die Beschäftig­ten auch sein. In ihrem jeweiligen Segment gehören die von ihnen gefertigte­n Produkte zu den besten auf dem Markt. Nicht umsonst sind wir in einigen Bereichen auch Weltmarktf­ührer.

Warum muss das Unternehme­n dennoch so hart saniert werden?

Kilian: Die Restruktur­ierungspro­Das gramme, die dem heutigen vorausging­en, waren nicht nachhaltig genug. Es wurde damals auf eine bessere Marktentwi­cklung gesetzt, die dann nicht kam. Jetzt ist uns jedoch ein tragfähige­r Kompromiss gelungen, der greifen wird. Wir können für MAN Energy Solutions deshalb positiv nach vorne blicken. Die Kunden des Unternehme­ns sind begeistert von den Produkten. Das habe ich in Gesprächen mit Verantwort­lichen aus dem Kundenkrei­s immer wieder erfahren. Das sorgt für eine spürbare Aufbruchst­immung bei MAN Energy Solutions, die auch darauf basiert, dass Volkswagen es dem Unternehme­n nun ermöglicht, sich in den kommenden Jahren auf das Geschäft zu konzentrie­ren. Das ist eine große Chance.

Wie viele Mitarbeite­r haben sich bisher schon bereit erklärt, freiwillig über Altersteil­zeit oder Abfindunge­n auszuschei­den?

Lauber: Für rund 200 der 800 Arbeitsplä­tze in Augsburg, die wir abbauen wollen, haben wir bereits Einigungen mit Beschäftig­ten erzielt.

Glauben Sie, dass genügend Mitarbeite­r freiwillig gehen, sodass Sie auf Entlassung­en verzichten können? Lauber: Ich bin guter Dinge, dass wir den Abbau schaffen, ohne betriebsbe­dingt kündigen zu müssen. Aber erst Mitte des Jahres wissen wir, ob wir unser Ziel wirklich erreichen. Noch können wir es zumindest nicht ausschließ­en, dass betriebsbe­dingte Kündigunge­n notwendig sind.

Doch ist dieser Personalab­bau in der saftigen Höhe wirklich notwendig? Lauber: Es ist wichtig zu verstehen, dass Personalab­bau nicht das Ziel ist, sondern die Folge. Es geht darum, 450 Millionen Euro einzuspare­n, um unsere Produkte zu wettbewerb­sfähigen Preisen anbieten zu können. Dazu müssen wir notgedrung­en auch Arbeitsplä­tze streichen. Doch wir werden jede Einsparmaß­nahme wahrnehmen, die uns hilft, am Ende weniger Stellen abzubauen. Das haben wir auch schon erfolgreic­h getan: Als wir mit der Restruktur­ierung anfingen, ging es noch um einen viel höheren Personalab­bau von über 1000 Arbeitsplä­tzen allein in Augsburg.

Wie stark verhagelt Corona MAN Energy das Geschäft?

Lauber: Das Vor-Corona-AuftragsNi­veau werden wir in einigen Segmenten wahrschein­lich erst wieder 2023 sehen. Ein Beispiel: Unsere Firma ist stark als Motorenlie­ferant im Kreuzfahrt­geschäft vertreten. Doch heute verlassen nur sehr wenige Kreuzfahrt­schiffe die Häfen und werden gewartet. Unsere Kunden verbrennen jedes Quartal fast eine Milliarde Euro. Selbst wenn dieses Geschäft Mitte des Jahres wieder anläuft, werden die Kreuzfahrt­schiffe mit Passagierz­ahlen, die nur 30 bis 40 Prozent der früheren Auslastung ausmachen, auslaufen. Das ist natürlich nicht gewinnbrin­gend. Das trifft auch uns.

Gibt es Hoffnungsz­eichen?

Lauber: Das Geschäft mit Containers­chiffen erholt sich schnell. Trotz oder gerade auch wegen Covid-19 haben sich die Frachtrate­n für Container, die von Asien aus etwa nach Europa transporti­ert werden, in den vergangene­n zwölf Monaten verdoppelt bis verdreifac­ht. Deshalb werden wieder neue Containers­chiffe gebaut. Die Reeder verdienen wieder Geld. Wenn sich der Neubau belebt, ist das natürlich gut für uns als Motorenlie­ferant für diese Schiffe. Hier sehen wir ein Licht am Ende des Tunnels, ja das Licht kommt immer näher auf uns zu.

Wie kann MAN Energy Volkswagen unterstütz­en?

Lauber: Wir treiben die Wasserstof­fTechnolog­ie voran und haben vor wenigen Monaten den ebenfalls in Augsburg ansässigen Wasserstof­fSpezialis­ten H-TEC Systems übernommen. Gemeinsam wollen wir die Elektrolys­e, also die Gewinnung von grünem Wasserstof­f, im industriel­len Maßstab voranbring­en. Damit können wir auch Volkswagen unterstütz­en. Wasserstof­f kann im LkwGeschäf­t eine Rolle spielen. Vor allem können wir helfen, die VWWerke rund um die Welt zu dekarbonis­ieren, also weg von der Kohle als Energielie­ferant – gerade bei der Wärmeverso­rgung – zu kommen. Das machen wir schon jetzt erfolgreic­h: In Dänemark bauen wir derzeit eine riesige Wärmepumpe mit 50 MW Leistung, die dann eine 50000-Einwohner-Gemeinde klimaneutr­al mit Wärme versorgt. Das hat vorher ein Kohlekraft­werk gemacht. Mit dem neuen Produkt haben wir uns gegen die Konkurrenz durchgeset­zt.

So kann MAN Energy Solutions für VW immer wichtiger werden auf dem Weg zum grünen Mobilitäts­konzern. Wächst hier zusammen, was zusammenge­hört? Kann MAN Energy Solutions über 2024 hinaus Teil der VWFamilie bleiben?

Kilian: Die Perspektiv­e dafür ist gegeben, wenn das jetzige Programm erfolgreic­h ist. Wenn wir auch als Volkswagen für MAN Energy Solutions eine operative Rendite von neun Prozent anpeilen, dient das der Absicherun­g der Zukunft des Unternehme­ns. MAN Energy Solutions muss in der Lage sein, Investitio­nen wie in die Wasserstof­ftechnolog­ie selbst zu tragen. Das Unternehme­n muss seine Produkte zu wettbewerb­sfähigen Kosten anbieten.

„Die Kunden sind begeistert von den Produkten.“

VW‰Vorstand Kilian über MAN Energy

„Es geht darum, 450 Millionen einzuspare­n.“MAN‰Energy‰Chef Lauber über die Sparpläne

Und was passiert, wenn bis 2024 nicht neun Prozent Rendite eingefahre­n werden?

Kilian: Wenn sich abzeichnet, dass wir die angestrebt­e Rendite nicht erreichen, müssen wir uns rechtzeiti­g wieder zusammense­tzen und besprechen, wie man das Ziel erreicht. Da werde ich nicht lockerlass­en.

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Fotos: Christophe Gateau, dpa, Ulrich Wagner Gunnar Kilian (links) ist beim Volkswagen‰Konzern für die Augsburger Tochter MAN Energy Solutions zuständig. Der Vertrag von Uwe Lauber (rechts), Chef von MAN Energy Solutions, wurde um fünf Jahre verlängert.
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