Donau Zeitung

Nicht ohne die Frage nach der Nachhaltig­keit

Europa will bis 2050 klimaneutr­al werden – das bedeutet nicht nur einen umfassende­n Umbau der Wirtschaft. Das hat auch Folgen für die Finanzwirt­schaft – und die Anleger. Und zwar schon ab sofort

- Sascha Straub ist Fach‰ mann für Finanzfrag­en und Versicheru­ngen bei der Verbrauche­rzentrale Bayern.

Wer sich künftig zur Geldanlage beraten lässt, wird gefragt werden müssen, ob dabei auch Nachhaltig­keitsaspek­te berücksich­tigt werden sollen. Mit dieser Maßnahme möchte die EU-Kommission die Entwicklun­g hin zu einer nachhaltig­en Finanzwirt­schaft fördern.

Ein legitimer Schritt, wenn man bedenkt, dass die Erreichung des Zieles, Europa bis 2050 klimaneutr­al zu machen, einen vollständi­gen Umbau unserer Wirtschaft voraussetz­t. Indem mehr Menschen nachhaltig investiere­n, wird auch mehr Geld in klimafreun­dliche Investment­s fließen, was wiederum die Realwirtsc­haft verändert.

Dieser plausible Plan hat einen Haken. Es gibt weder eine Legaldefin­ition noch einen gesellscha­ftlichen Konsens darüber, was nachhaltig­e Geldanlage­n sind. Dementspre­chend bunt ist auch das Angebot auf dem Markt der Sustainabl­e Finance. Es fängt damit an, dass jeder Anbieter von Finanzprod­ukten selbst festlegt, was für ihn ist. Nachhaltig­keitsziele können neben ökologisch auch sozial, ethisch, grün und klimaneutr­al sowie entspreche­nde Kombinatio­nen daraus sein.

Für das Erreichen der Ziele gibt es keinen Königsweg. Die einen machen es anhand von Negativkri­terien, wonach Anbieter ausgeschlo­ssen werden, die in bestimmten Branchen wie Atomkraft, Tabak oder Waffen ihre Geschäfte machen.

Weil aber in einer globalisie­rten Welt große Unternehme­n ihre Aktivitäte­n breit streuen, arbeiten Finanzprod­uktanbiete­r mit Bagatellgr­enzen für den nicht nachhaltig­en Geschäftsb­ereich.

Daraus kann sich ein weiteres Risiko ergeben: Wenn Produkte als nachhaltig ausgewiese­n sind, obwohl diese weiterhin klima- oder umweltschä­dliche Elemente enthalten, spricht man auch von „Greenwashi­ng“.

Aber auch die Bewertung nach einer Positivlis­te ist herausford­ernd und oft nicht eindeutig. Hier sollen gezielt Anbieter bevorzugt werden, die im Sinne der Nachhaltig­keit besser sind als andere. Entweder sucht man nur Unternehme­n aus bereits als nachhaltig klassifizi­erten Branchen aus, oder man schaut nach den Klassenbes­ten alnachhalt­ig ler Branchen. Ein Hersteller von Handfeuerw­affen kann dann allerdings noch als ethisch nachhaltig gelten, solange keine Kriegswaff­en herstellt werden.

Etwas mehr Durchblick im Informatio­nsdschunge­l könnte die ESG-Offenlegun­gsverordnu­ng der EU bringen. Danach müssen seit dem 10. März Finanzmark­tteilnehme­r konkrete Nachhaltig­keitsinfor­mationen zu ihren Finanzprod­ukten online veröffentl­ichen. Die Wirkung bleibt abzuwarten.

Nachhaltig investiere­n ist möglich – wenn man bereit ist, Kompromiss­e bei den Kriterien einzugehen und mit einem Rest an Ungewisshe­it leben kann, weil man selbst die Aussagen zur Nachhaltig­keit einer Geldanlage nicht vollständi­g wird überprüfen können.

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Foto: Tom Weller, dpa Nachhaltig­keit hat viele Aspekte – von ökologisch bis sozial. Entspreche­nd vielfältig sind auch mögliche nachhaltig­e Geldanlage­n.
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