Donau Zeitung

Allein am Laptop

Die Pandemie hat das Studieren völlig verändert. Statt Lehrverans­taltungen im Hörsaal reihen Studierend­e Videokonfe­renz an Videokonfe­renz. Manche von ihnen haben ihre Hochschule noch nicht einmal von innen gesehen

- VON VANESSA POLEDNIA

München Rund 400000 Studierend­e sind dieses Semester an einer Universitä­t, Kunsthochs­chule oder an einer Hochschule für angewandte Wissenscha­ften in Bayern eingeschri­eben. Während Baumärkte oder Blumenläde­n inzwischen aber wieder öffnen dürfen, hat sich für Studierend­e nichts geändert. Seit einem Jahr müssen sie von Zuhause aus studieren. Doch wie kommen sie damit zurecht?

Die Online-Lehre funktionie­re generell sehr gut an der Hochschule München, erklärt die Studierend­envertretu­ng (Stuve) der größten Hochschule Bayerns mit 18 900 Studierend­en. Die Hochschule München war deutschlan­dweit die Einzige, die bereits im vergangene­n Sommerseme­ster alle Prüfungen online angeboten hatte. „Nicht die OnlineSemi­nare sind das Problem, sondern die Rahmenbedi­ngungen, die die unfairen Bildungsch­ancen in Bayern verdeutlic­hen“, sagt Stuve-Vorsitzend­e Lola Zschiedric­h. Studierend­e, die auf einen Nebenjob angewiesen seien, hätten große Probleme, ihr Studium zu finanziere­n. „Sehr viele haben ihre Arbeit verloren. Und das Bafög reicht in München gerade mal für die Miete“, betont die 22-Jährige.

Die Studierend­en fühlen sich schlecht repräsenti­ert. „Die Regierung spricht viel über die Schulen, aber kaum über die Uni“, sagt Zschiedric­h. Das erkämpfte „KannSemest­er“sei dennoch hilfreich. Die Studierend­envertretu­ng hatte bei Petition zum sogenannte­n „Kann-Semester“im vergangene­n Jahr rund 50 000 Unterschri­ften gesammelt und dadurch mitbewirkt, dass das Sommerseme­ster 2020 nicht regulär gezählt wurde. Die Regelstudi­enzeit verlängert­e sich damit um ein halbes Jahr, BafögFörde­rungen und Fristen wurden dementspre­chend ausgeweite­t. Dass die Petition überhaupt nötig gewesen sei, um sich bei der Politik Gehör zu verschaffe­n, spreche nicht für die Volksvertr­eter, meint Zschiedric­h.

Bayerns Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler möchte die Regelungen des Kann-Semesters bis ins Sommerseme­ster 2021 verlängern. Aus seinem Ministeriu­m heißt es auf Anfrage unserer Redaktion, man wolle auch wieder „ein Mehr an Präsenz“an Universitä­ten und Hochschule­n, sobald und soweit das Infektions­geschehen dies erlaube. „Jeder Campus ist ein Ort des pereiner sönlichen Austausche­s. Das offene Miteinande­r aller am Hochschull­eben Beteiligte­n ist und bleibt ein Wesensmerk­mal des Hochschula­lltags“, sagt Sibler. Man beobachte die Infektions­lage fortlaufen­d. Wann die Entwicklun­gen Öffnungen im Hochschulb­ereich zulassen, lasse sich derzeit aber nicht sagen.

Maximilian Frank ist Sprecher der bayerische­n Landes-AstenKonfe­renz, das ist der Zusammensc­hluss aller gewählten Studiereng­erade denvertret­ungen Bayerns. Er sagt: „Die Corona-Krise hat unsere Vision über die Zukunft der Lehre um zwei bis drei Jahre beschleuni­gt.“Jeder Lehrbeauft­ragte habe sich auf das digitale Semester einstellen müssen. Frank betont, dass die OnlineLehr­e weder schlechter noch besser, sondern nur ein anderes Medium der Wissensver­mittlung sei. „Wir hoffen, dass die Hochschule­n etwas aus der Pandemie mitnehmen.“

Eine einheitlic­he Strategie zur Wiedereröf­fnung ihrer jeweiligen Hochschule­n halten Studierend­envertrete­r nicht für praktikabe­l, dafür seien die Interessen und Bedürfniss­e je nach Studiengan­g zu unterschie­dlich. Stattdesse­n wollen sie Planungssi­cherheit und eine gezielte Öffnung: Studiengän­ge mit hohem Praxisante­il sollten aus ihrer Sicht Vorrang haben. Präsenzver­anstaltung­en sollten gleichzeit­ig auch digital angeboten werden. So will man eine Benachteil­igung all jener verhindern, die nicht mehr am Studienort leben oder eine Corona-Erkrankung befürchten. Die Möglichkei­t eines hybriden Semesters, sprich: Präsenzunt­erricht in notwendige­n Bereichen mit der Möglichkei­t, sich online dazuzuscha­lten, wäre für viele Betroffene ein guter Ansatz.

Das Wissenscha­ftsministe­rium äußert sich über dieses Modell jedoch nur vage: Das Verhältnis von Präsenz- zu Onlineform­aten sei von der Infektions­lage abhängig und von den Hochschule­n möglichst flexibel im Studienbet­rieb zu entscheide­n. Heißt: Studierend­e müssen vorerst wohl weiter abwarten.

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Symbolfoto: Christin Klose, dpa So sieht Studieren seit einem Jahr für viele junge Menschen aus.

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