Tüll und Tränen
Corona hat 2020 die allermeisten Hochzeitsfeiern vereitelt. Gleiches droht 2021. Warum die Frustration groß ist und manche Paare gar nicht mehr durchhalten können
Augsburg Bis ins letzte Detail war der große Tag geplant: die Ringe, die Farben der Dekoration, die Tischdeko, die Musik. Die Einladungskarten waren an die Gäste verschickt, das Brautkleid geändert und zum Abholen bereit. „Ich kann es heute gar nicht mehr glauben, wie viel wir damals über Kleinigkeiten diskutiert haben“, erzählt Laura Lechner. „Das erscheint mir heute alles total unwirklich und unwichtig.“Im Herbst 2020 wollten sie und ihr Partner Marc sich eigentlich kirchlich trauen lassen. Wegen der Pandemie verschoben sie die Hochzeit um ein Jahr. Doch auch der Termin im kommenden September beginnt anlässlich der Corona-Entwicklungen mehr und mehr zu wackeln. „Wer hätte gedacht, dass wir heute wieder da stehen, wo wir vor einem Jahr waren? Wer hätte gedacht, dass die Pandemie so lange dauert und unsere Hochzeit ein zweites Mal in Gefahr bringt?“
Es sind Fragen über Fragen, wie sie sich in diesen Tagen viele verlobte Paare in Bayern stellen, die für 2021 eine Hochzeitsfeier geplant haben: Wird unsere Trauung heuer überhaupt möglich sein? Und in welcher Form? Sollen wir die Feier ganz absagen oder doch unter allen Umständen durchziehen?
Antworten darauf kann auch Julia Heimann nicht geben. Sie ist Hochzeitsplanerin aus München sowie Mitglied im Bund deutscher Hochzeitsplaner und weiß normalerweise in Sachen Heiraten für jedes Problem eine Lösung. Doch auch sie ist ratlos, wenn sie an die Sorgen und Ängste vieler Paare denkt. „Die Unsicherheit war ja im vergangenen Jahr schon groß“, erzählt sie. „Viele hegten die Hoffnung, dass alles im neuen Jahr besser werde. Doch die Pandemie lässt ja immer noch kaum Normalität zu, geschweige denn irgendwelche Planungen für die nächsten Monate. Die Stimmung ist schlecht, Frustration und Unsicherheit sind groß. Ich muss sehr viel trösten.“Ähnliches berichtet auch Svenja Schirk, Sprecherin des Bundes deutscher Hochzeitsplaner. „Die Brautpaare trauen sich selten, jetzt neu in die Planung einzusteigen. Optimistisch sind leider die wenigsten.“Es werde bereits jetzt für dieses Jahr viel storniert oder sogar zum zweiten oder dritten Mal verschoben. „Viele Paare wollen einfach nicht mehr weiter bangen.“
Auch Laura Lechner und ihr Partner haben kurz mit diesem Gedanken gespielt. „Wir haben uns große Sorgen gemacht, dass sich jemand bei unserer Feier anstecken könnte. Dass die Großeltern krank werden. Das wäre so ziemlich das Schlimmste, was passieren könnte.“Von solchen Überlegungen erzählt auch Hochzeitsplanerin Heimann. „Die Paare wollen Verantwortung für ihre Liebsten übernehmen, alle fürchten sich davor, dass ihre Feier zu einem Superspreader-Event werden könnte.“Was also tun?
Laura Lechner und ihr Partner hatten sich dazu entschlossen, sich im kleinsten Kreis standesamtlich trauen zu lassen – und im kommenden September auf jeden Fall kirchlich zu heiraten. Selbst wenn dies nur im allerkleinsten Kreis möglich sein wird. „Viele sind aber viel weniger optimistisch“, sagt Julia Heimann. „Ich kenne Fälle, da wurden die Hochzeiten ganz abgesagt, manche Paare haben sich gar getrennt, weil sie diese schwierige Situation mit Corona und allem nicht mehr aushalten konnten.“
So schwer die Lage für viele Paare zu ertragen ist, so sehr kämpft auch die gesamte Hochzeitsbranche, erzählen Verbandssprecherin Schirk und Planerin Heimann. „Viele können nicht mehr und schaffen es auch gar nicht mehr, bis zur nächsten Saison durchzuhalten.“Heimann selbst kenne Fotografen, Stylisten und Floristen, die sich mittlerweile einen ganz anderen Job gesucht haben, um überhaupt etwas Geld zu verdienen. „Man darf eines bei uns Hochzeitsdienstleistern nicht vergessen: Wir machen unseren Beruf mit Spaß, aber nicht aus Spaß. Wir müssen auch davon leben können.“Ein ähnlich vernichtendes Urteil fällt auch Svenja Schirk: Die Lage sei mehr als ernst, denn finanziell könnten sich die wenigsten weiter über Wasser halten. „Die aktuelle Situation kommt einem Berufsverbot gleich. Wir können absolut nicht planen und wissen nicht, wie es für unsere eigentliche Arbeit weitergeht.“
Julia Heimann hat eine genaue
Vorstellung, wie es für die Paare und die Branche wieder aufwärtsgehen könnte: „Wir brauchen einen Plan von der Regierung, wie eine Hochzeit aussehen muss, mit Hygienekonzept und Schnelltests und Kontaktnachverfolgung und allem.“Dafür plädiert auch Svenja Schirk: „Wir brauchen so bald wie möglich Perspektiven, Fahrpläne, Informationen. Was uns fehlt, ist die Kommunikation seitens der Regierung.“Viele Paare müssten sich nach derzeitigem Stand selbst ein Hygienekonzept zum Schutz ihrer Gäste ausdenken. „Aber wir sind alle keine Epidemiologen. Da brauchen wir Unterstützung vom Staat.“
Laura Lechner und ihr Mann versuchen derweil, ihrer schwierigen Situation auch etwas Positives abzugewinnen – trotz der vielen Hindernisse, die die Pandemie ihnen in den Weg stellt. „Wir hatten eine tolle standesamtliche Trauung im Herbst mit einer wunderbaren Feier, die wir ohne Pandemie nie so gehabt hätten. Das wissen wir sehr zu schätzen. Corona hat uns einen zusätzlichen wunderschönen Tag geschenkt. Dafür sind wir dankbar.“