Wie die Bundesliga im Jugendbereich spart
Die Profi-Klubs rühmen sich mit ihrer Nachwuchsarbeit. Doch wie das WDR-Magazin Sport inside berichtet, erhalten viele Trainer nicht mal den Mindestlohn: Beim FC Bayern gibt es 450 Euro monatlich, beim FCA nur 250 Euro
Augsburg Trainer bei einem Bundesliga-Klub zu sein – das ist nicht nur im Seniorenbereich, sondern auch in den Jugendmannschaften ein begehrter Job. Etwas von der Glitzerwelt des Milliardengeschäfts ist auch in den Nachwuchsleistungszentren zu spüren. Allein der Campus des FC Bayern München hat 70 Millionen Euro gekostet und ist ein Prestigeprojekt des Rekordmeisters. Bei den Trainern leistet sich der FCB das Beste, beschäftigt mit Martin Demichelis oder Halil Altintop ehemalige Profis. Doch offenbar gibt es bei den Klubs ein Zwei-Klassen-System: Wie das WDR-Magazin Sport inside berichtet, erhalten viele Jugendtrainer in den unteren Jahrgängen nicht einmal den Mindestlohn. Als Beispiele werden in dem Beitrag, der in der Mediathek zu sehen ist, der FC Bayern und der FC Augsburg genannt.
So berichten zwei ehemalige Jugendtrainer der jeweiligen Vereine davon, mit welchen Beträgen sie in ihrer Zeit bei den Klubs abgespeist wurden: Der Coach des FC Bayern erhielt monatlich 450 Euro, der des FCA sogar nur 250 Euro. Die Anforderungen hatten es hingegen in sich: Zum Stellenprofil gehörte es, drei Trainingseinheiten pro Woche anzusetzen, sich mit Eltern und Scouts zu besprechen und am Wochenende bei Spielen im Einsatz zu sein. Beide Trainer äußern sich anonym – denn in der Branche scheint das Prinzip weitverbreitet zu sein. Und wer öffentlich darüber spricht, gilt als Nestbeschmutzer. Ernst Tanner, der beim TSV 1860 München und in Hoffenheim die Nachwuchsleistungszentren leitete, spricht von einer weitverbreiteten Praxis bis in die unteren Ligen und nennt das System „unsozial“.
Rechtsanwalt Andreas Waldschmidt vertritt den ehemaligen Jugendcoach des FC Bayern und kann diese Praxis angesichts der Millionensummen, die in der Branche gezahlt werden, nicht fassen. Der Jurist sagt: „Wenn der FC Bayern einem Spieler wie Lewandowski 20 Millionen Euro pro Jahr bezahlt, kann man erwarten, seine Trainer anständig zu bezahlen. Das ist dann schon ein bisschen schäbig.“Zumal die Vereine, wie Waldschmidt sagt, eine Rechnung aufmachen: „Es macht sich gut im Lebenslauf, wenn man sagen kann, dass man mal beim FC Bayern gearbeitet hat.“Eben das werde ausgenutzt – perfide sei dies aus noch einem anderen Grund: „Man zerstört das Privatleben der Trainer, wenn man sie mit solchen Summen abspeist. Und man nimmt ihnen die Möglichkeit, Vollzeit zu arbeiten.“
Beides kann Stefan bestätigen, der in dem Beitrag als ehemaliger Jugendtrainer des FC Augsburg zitiert wird – und natürlich nicht Stefan heißt. Die Stelle des Jugendtrainers beim FCA sei für ihn, der schon in der Regionalliga als Fan im Block stand, anfangs ein Traum gewesen, sagt er: „Es war für mich eine Ehre da als Trainer zu arbeiten. Und dann schaut man auch nicht so aufs Geld.“Stefan gibt zu, dass er sich geschmeichelt fühlte, wenn er mit seiner Mannschaft bei einem Turnier war und die Jugendmannschaft des FCA die Blicke auf sich zog: „Toll, da fühlt man sich schon besonders. Klar, da nehme ich mich auch nicht aus. Und es geht halt auch den Kindern so. Da wird dann schon mit Träumen gespielt.“
Ein Traum, der sich schnell als Belastung für sein Privatleben herausstellte: Die 250 Euro, die Stefan monatlich erhielt, hätten zehn Wochenstunden entsprochen – tatsächlich hätten alleine die Trainingseinheiten 16 Stunden in Anspruch genommen. Durch Gespräche mit Eltern und Scouts sowie den Spielen am Wochenende sei er locker auf über 30 Wochenstunden gekommen, sagt Stefan. Vor allem Turniere, die übers ganze Wochenende gingen, seien ein Problem gewesen- Meistens ging es um 14 Uhr am Freitag los, zurück war Stefan erst am Sonntagabend.
Wie das mit den Arbeitszeiten vereinbar ist? Eigentlich nicht. Laut dem Jugendtrainer des FC Bayern behalf man sich dabei wie folgt: Obwohl man das komplette Wochenende unterwegs war, wurde nur die Nettospielzeit der Partien auf dem Arbeitszeitennachweis erfasst. Auch dem FCA sei es bewusst gewesen, dass es diese Problematik gibt, sagt Stefan: „Dass sie sich da absichern müssen, sieht man einfach ganz deutlich daran, dass uns gesagt wurde: Wir müssen diese Stundenzettel so ausfüllen, dass es mit dem Mindestlohn übereinstimmt. Das bedeutet, wir haben nie das reingeschrieben, was wir wirklich an Aufwand hatten.“Rechtsanwalt Andreas Waldschmidt ist über diese Praxis entsetzt: „Bei kleineren Vereinen verstehe ich das, weil die Klubs nicht so viel Geld haben, noch eher. Aber wir reden hier von gestandenen Bundesligavereinen.“Alleine der nationale TV-Vertrag garantiert dem FC Augsburg in der laufenden Saison laut einem Bericht des Kicker 42,87 Millionen Euro, während der FC Bayern 70,64 Millionen Euro erhält. Praxis scheinen die Hungerlöhne aber nicht nur bei den beiden Vereinen, sondern im gesamten Profifußball zu haben, wie die WDR-Recherchen ergaben.
Der Bund Deutscher FußballLehrer (BDFL) übte am Montag scharfe Kritik daran. „Mit Erstaunen und großer Sorge“, sagte BDFLPräsident Lutz Hangartner, habe er den Bericht zur Kenntnis genommen. Er forderte, dass die DFL den Posten Bezahlung der Trainer bei ihrer Prüfung der Nachwuchsleistungszentren im Rahmen der Lizenzierung mit aufnehmen solle. Während sich die DFL bislang nicht äußerte, verwies der DFB gegenüber dem WDR darauf, dass die Einhaltung der Mindestlöhne den Klubs unterliege und für etwaige Verfehlungen der Zoll zuständig sei. Der FCA teilte auf Anfrage mit: „Wir bitten um Verständnis, dass wir nicht auf Vertragsverhältnisse und -inhalte eingehen können. Es gibt aber unterschiedliche Rechts- und Vertragsverhältnisse, bei denen wir uns rechtskonform verhalten, auch innerhalb des Mindestlohngesetzes.“
„Es war für mich eine Ehre da als Trainer zu arbeiten. Und dann schaut man auch nicht so aufs Geld.
Ehemaliger FCAJugendtrainer