Die geheimnisvolle Spende des Alfred Sauter
Als die Masken-Affäre um Georg Nüßlein längst hochkocht, gehen auf dem Konto einer Stiftung in Günzburg aus heiterem Himmel 470 000 Euro ein. Das Geld hat einen äußerst verschlungenen Weg hinter sich
Augsburg Heinrich Lindenmayr klingt wie ein Mann, der sich nicht so leicht aus der Fassung bringen lässt. Als er in der Zeitung von den Ermittlungen gegen mehrere Günzburger CSU-Leute in der MaskenAffäre liest, wird er aber doch ein bisschen unruhig. Er erinnert sich an ein Telefonat vor einigen Tagen, das ihm im Nachhinein ziemlich komisch vorkommt. Es ist der 7. März, als sein Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung meldet sich Manfred Krautkrämer. Das ist an sich nichts Besonderes, denn Krautkrämer kontrolliert als Stiftungsratsratsvorsitzender die „Bürgerstiftung Landkreis Günzburg“, deren Vorstandsvorsitzender Lindenmayr ist. Ungewöhnlich allerdings ist der Grund des Anrufs.
„Herr Krautkrämer hat mir erzählt, dass demnächst eine größere sechsstellige Summe auf unserem Konto eingehen wird. Das Geld komme von mehreren Spendern, die nicht namentlich in Erscheinung treten wollen“, erinnert sich Lindenmayr. Wenige Tage später gerät Krautkrämer im Zuge der Ermittlungen gegen Georg Nüßlein und Alfred Sauter in die Schlagzeilen – und Lindenmayr erinnert sich an das Telefongespräch. Er geht zur Bank und stellt fest: Auf dem Konto der Stiftung sind schon einen Tag später 470 000 Euro eingegangen.
Diese vermeintlich edle Spende steht nun im Zentrum des Skandals um den langjährigen CSU-Landtagsabgeordneten Alfred Sauter. Denn das geheimnisvolle Geld stammt aus einem fragwürdigen Geschäft, das den früheren bayerischen Justizminister, der die Bürgerstiftung übrigens selbst mitgegründet hat, ins Zwielicht rückt. Er steht unter dem Verdacht der Bestechlichkeit, am Mittwoch durchsuchten Ermittler unter anderem sein Büro im Landtag. Die CSU ist seither in heller Aufregung.
Die Generalstaatsanwaltschaft München geht davon aus, dass der 70-Jährige eine raffinierte Firmenkonstruktion genutzt hat, um 1,2 Millionen Euro Provision für Masken-Geschäfte zu kassieren. Geholfen hat ihm dabei jener Manfred Krautkrämer, der sich nicht nur in der Stiftung engagiert, sondern auch als Schatzmeister des Günzburger CSU-Kreisverbandes – an dessen Spitze seit einem Vierteljahrhundert Alfred Sauter steht. Vorerst will er dieses Amt nun ruhen lassen.
Das Geld kam nach aktuellem Stand der Ermittlungen von einer Firma aus dem weitverzweigten Geflecht des Unternehmers Thomas Limberger, der in der Masken-Affäre ebenfalls zu den Beschuldigten gehört. Von ihm soll auch der Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein seine Provision bekommen haben. Nach Informationen unserer Redaktion hätte Nüßlein ursprünglich sogar eine beinahe doppelt so hohe Vergütung erhalten sollen wie die bislang bekannten 660000 Euro. Die Zahlung war offenbar fest vereinbart. Sie floss nach Recherchen unserer Redaktion nur deshalb nicht komplett, weil eine Bank in Liechtenstein Verdacht schöpfte. Sie stoppte daher weitere Überweisungen und informierte stattdessen die Finanzaufsicht (FIU) des Landes. Liechtenstein will sein Image als Schauplatz nebulöser Geldgeschäfte loswerden. Die Banken und die Finanzaufsicht schauen deshalb viel genauer hin als früher. Besonders streng prüfen sie Fälle, in denen hohe Summen und sogenannte „PEP“– politisch exponierte Personen – zusammenkommen. So war das im Fall Nüßlein. Die Bank kappte aus diesem Grund offenbar zeitweise die Kontoverbindung.
Die eigentlich vereinbarte Höhe der Provision aus dem lukrativen Masken-Geschäft eines hessischen Textilunternehmens, für das sich Nüßlein stark engagiert hat, lässt aufhorchen. Insgesamt sollten rund 1,2 Millionen Euro an den Bundestagsabgeordneten gehen – also praktisch die identische Summe, die auch Sauter erhalten haben soll, obwohl der nach eigener Aussage lediglich in seiner Funktion als Anwalt einen Vertrag zwischen dem bayerischen Gesundheitsministerium und der hessischen Textilfirma ausgearbeitet haben will. Zufall?
Bei Sauter ist die Konstruktion nach den Erkenntnissen der Generalstaatsanwaltschaft München noch ausgeklügelter als bei Nüßlein. Der Weg des Geldes über Limbergers Unternehmen in der Karibik auf ein Konto in Liechtenstein und dann an eine deutsche Firma ist zwar derselbe. Doch während Nüßleins Provision an sein eigenes Unternehmen überwiesen wurde, ging das Geld für Sauter an eine Firma, die dem Landtagsabgeordneten nicht selbst gehört. Alleiniger Gesellschafter der Pecom GmbH in Ziemetshausen (Kreis Günzburg) ist ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer: Manfred Krautkrämer.
Die Ermittler gehen davon aus, dass Krautkrämer das Geld anschließend an seinen Parteifreund und Vertrauten Sauter beziehungsweise dessen Familie weitergegeben hat. Er selbst bezeichnet eine solche Treuhandtätigkeit als „typische Berufsaufgabe eines Wirtschaftsprüfers“. Der Verdacht der Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung gegen ihn sei „nicht ansatzweise nachvollziehbar“, teilt Krautkrämer mit. Der eingegangene Betrag sei „im Januar für die Umsatzsteuer ordnungsgemäß vorangemeldet worden“.
Sauter wiederum behauptet, er habe den „zusätzlich zum Anwaltshonorar geleisteten Geldbetrag“nach Abzug aller Steuern von Anfang an spenden wollen. Doch die Generalstaatsanwaltschaft hat massive Zweifel an dieser Theorie. Kann es Zufall sein, dass die Großspende ausgerechnet eineinhalb Wochen nach dem Beginn der Ermittlungen gegen Sauters Günzburger Zögling Nüßlein bei der Bürgerstiftung eingegangen ist? Oder ahnte Sauter, dass er über kurz oder lang selbst ins Visier der Justiz geraten würde und entschloss sich deshalb, die Summe noch schnell zu spenden? Und warum sollte ein Mann, der in Günzburg bekannt ist wie kaum ein anderer, unbedingt anonym bleiben wollen, wenn bei der Spende alles mit rechten Dingen zugegangen ist?
Dass Sauter mit unangenehmen Fragen rechnen musste, dürfte ihm schon am 25. Februar klar geworden sein. Denn bereits auf dem ersten Durchsuchungsbeschluss im Fall Nüßlein stand sein Name, damals wurde auch bereits die Geschäftsstelle des CSU-Kreisverbandes durchsucht, in dem der Politskandal kulminiert, der nicht nur die Partei, sondern ganz Deutschland erschüttert.
Sauter hält sämtliche Vorwürfe gegen ihn für „abenteuerlich und
Die Stiftung hat Sauter einst selbst mitgegründet
Ahnte der Politiker, dass er ins Visier der Justiz gerät?
konstruiert“, doch die entscheidenden Antworten bleibt er bislang schuldig. Der interne Druck auf die graue Eminenz der schwäbischen CSU wächst. Am Freitagvormittag gibt Sauter bekannt, sein Amt als Kreisvorsitzender vorerst ruhen zu lassen. Damit kommt er möglicherweise einem Beschluss des CSU-Bezirksvorstandes zuvor, der den Umgang mit Sauter auf die Tagesordnung einer Sondersitzung am Sonntag gesetzt hatte.
Für Heinrich Lindenmayr ist die Sache noch nicht ausgestanden. Er fragt sich, was nun mit den 470000 Euro passiert, die über derart nebulöse Wege auf dem Konto seiner Stiftung gelandet sind und hat sich sicherheitshalber an die Stiftungsaufsicht der Regierung Schwaben gewandt. Er hatte Krautkrämer vertraut, der als Stiftungsratsratsvorsitzender ja eigentlich ihn kontrollieren und Sorge dafür tragen sollte, dass in der Stiftung alles mit rechten Dingen zugeht. „Ich bin zunächst nicht davon ausgegangen, dass diese Sache ein Gschmäckle hat“, sagt Lindenmayr und fügt hinzu: „Das war im Nachhinein vielleicht ein bisschen naiv.“