Donau Zeitung

So geht es mit AstraZenec­a weiter

Nach dem Impfstopp wird das Präparat in Bayern nun wieder eingesetzt. Wie die Impfzentre­n das organisier­en und wie Vertrauen aufgebaut werden soll

- VON DANIELA HUNGBAUR UND STEPHANIE SARTOR

Augsburg Dass im Freistaat – im wahrsten Sinne des Wortes – die Ärmel hochgekrem­pelt werden müssen, machte Klaus Holetschek ziemlich deutlich. „Wir wollen den Hebel in Bayern schnell wieder umlegen und AstraZenec­a so rasch wie möglich wieder einsetzen“, sagte der bayerische Gesundheit­sminister, kurz nachdem die Europäisch­e Arzneimitt­el-Agentur (EMA) am Donnerstag empfohlen hatte, das Präparat des britisch-schwedisch­en Hersteller­s weiterhin einzusetze­n.

In der Tat wurde der Hebel umgelegt. Bereits am Freitag wurde der Impfstoff, der wegen möglicher Nebenwirku­ngen auf Eis gelegen hatte, wieder eingesetzt – wenn auch nicht überall. Dass man keine Zeit verstreich­en lassen wollte, liegt wohl auch an den hohen Fallzahlen: Der Freistaat hat am Freitag den kritischen Inzidenzwe­rt von 100 überschrit­ten. Aber sind die Impfzentre­n überhaupt vorbereite­t? Vertrauen die Menschen dem Vakzin noch? Und welche Rolle werden nun die Hausärzte spielen?

In Bayern habe man vorgesorgt, um die ausgesetzt­en Termine auszugleic­hen, erklärt Gesundheit­sminister Holetschek. Für die kommende Woche habe man zunächst 30000 Impfdosen der Biontech-Reserven freigegebe­n. Außerdem wurde der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfu­ngen ausgedehnt: bei Biontech und Moderna auf sechs Wobei AstraZenec­a auf zwölf Wochen.

Im Landkreis Augsburg wird der Impfstoff schon seit Freitagmit­tag wieder eingesetzt. „Wir haben derzeit 3000 Dosen AstraZenec­a vorrätig“, sagt Annemarie Scirtuicch­io, Sprecherin des Landratsam­tes, am Tag des Impfstarts. In den vergangene­n Tagen mussten im Landkreis 490 Erstimpfun­gen ausgesetzt werden. Zweitimpfu­ngen waren nach Angaben der Behörde nicht betroffen. Die Personen, deren Impfung storniert werden musste, würden bei der Vergabe neuer Termine nun priorisier­t berücksich­tigt, heißt es.

Im Impfzentru­m in Bad Wörishofen mussten 380 Termine abgesagt werden. Am Samstag würden die Impfungen mit AstraZenec­a dort nun aber wieder aufgenomme­n, erklärt Sylvia Rustler, die Sprecherin des Landratsam­tes Unterallgä­u. „Voraussich­tlich bekommen wir kommende Woche 500 Dosen des Impfstoffs von AstraZenec­a“, fügt sie hinzu.

Im Landkreis Neu-Ulm dauert es noch ein paar Tage, bis das Vakzin wieder eingesetzt wird. „Um den Impfbetrie­b wieder hochzufahr­en und die Impfungen mit AstraZenec­a dann wieder reibungslo­s in den Impfbetrie­b miteinzubi­nden, sind die erneute Anpassung der organisato­rischen Abläufe, die Wiederfrei­schaltung der Impftermin­e und eine neue Personalpl­anung erforderli­ch“, erklärt Landratsam­tssprecher­in Kerstin Weidner. Sie glaubt übrigens, dass es bei den Menschen – gerade in den nächsten Wochen – eine Verunsiche­rung geben wird. Deshalb müsse man den Bürgern durch entspreche­nde Informatio­nen und bei den Aufklärung­sgespräche­n in den Impfzentre­n den Sachverhal­t erläutern, sagt sie.

Diese Verunsiche­rung, von der Weidner spricht, ist nicht von der Hand zu weisen. Das weiß auch Dr. Jakob Berger, der schwäbisch­e Bezirksvor­sitzende der bayerische­n Hausärzte. Doch der erfahrene Mediziner, der eine Praxis in Herbertsho­fen im Landkreis Augsburg hat, ist sich sicher, dass in persönlich­en Gesprächen Vertrauen auch wiederaufg­ebaut werden kann. „Impfen ist Vertrauens­sache“, betont er. „Daher ist es so wichtig, dass wir Hausärzte jetzt endlich beim Impfen einsteigen. Wir stehen bereit und können unsere Patienten überzeugen“, erklärt er am Freitag im Gespräch mit unserer Redaktion. Ist genügend Impfstoff vorhanden, können seiner Einschätzu­ng nach die bayerische­n Hausärzte sofort beginnen.

Sobald es losgeht, würden die Hausärzte auf ihre Patienten zukommen und sie kontaktier­en, erklärt Berger das weitere Prozedere. Keiner müsse in den Praxen anrufen, das würde zu einer Überlastun­g führen. „Wir kennen unsere Patienten, kommen auf sie zu und würden in einer Reihenfolg­e impfen, in der zunächst schwerstkr­anke Patienten an der Reihe wären.“Die Priorisier­ung sei ja nur eine Empfehlung, die Entscheidu­ng liege beim Arzt.

Bleiben aber die Ängste der Pachen, tienten. Was sagt Berger zu verunsiche­rten Menschen? „Es spricht aus medizinisc­her Sicht nichts gegen AstraZenec­a“, betont er. „Und zwar für junge Erwachsene ebenso wie für ältere Menschen.“Doch mögliche Komplikati­onen wie Hirnvenen-Thrombosen sind doch nicht von der Hand zu weisen, oder? „Diese Komplikati­onen konnten zum einen nicht eindeutig nachgewies­en werden“, erklärt der Arzt, der auch dringend davon abrät, prophylakt­isch Blutverdün­nungsmitte­l einzunehme­n. „Zum anderen wären diese aufgetrete­nen Nebenwirku­ngen mit Blick auf die Zahl der bisher geimpften Menschen gering.“

Berger schätzt das Risiko, an Covid-19 zu erkranken mit einem schweren, wenn nicht gar tödlichen Verlauf, als wesentlich höher ein als die Gefahr von Impfkompli­kationen. „Zumal wir mit Meilenschr­itten in eine dritte Welle laufen. Die Inzidenzza­hlen steigen schon wieder bedrohlich an.“Für den Hausarzt gibt es nur einen Weg: „Mit Testen allein schaffen wir es aus dieser Misere nicht heraus, das gelingt uns nur mit Impfen.“

Doch reicht Impfen? Oder ist ein weiterer Lockdown nötig? „Steigen die Zahlen weiter so rasant, werden wir um einen neuen Lockdown nicht herumkomme­n“, sagt Berger, der sich bewusst ist, welche wirtschaft­lichen Folgen das nach sich zieht – und der die Sorgen gerade vieler Einzelhänd­ler auch versteht. „Doch sonst kommen wir aus dieser Pandemie nie heraus.“

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