Donau Zeitung

Die Goldgrube Banksy

Der anonyme britische Künstler Banksy hinterläss­t allerlei Bild-Geschenke in der Öffentlich­keit. Andere kapitalisi­eren seine Arbeit. Nun auch bei einer Ausstellun­g in München

- VON RÜDIGER HEINZE

München Banksy ist gewiss nicht der erste Künstler, der bewusst anonym bleiben will, und er wird auch nicht der letzte sein. Aber Banksy dürfte in der langen Kunstgesch­ichte der erste Künstler sein, dessen Werke sofort nach Entstehung und Identifizi­erung eine internatio­nale Verbreitun­g über die Medien plus Applaus finden – befördert durch des Künstlers Bekenntnis und Autorisier­ung auf Instagram. Damit gehen Anonymität und enorme Breitenwir­kung ebenso spannungsg­eladen Hand in Hand wie Banksys kostenlose Bild-Geschenke an die Öffentlich­keit und deren sofortige und drastische Kapitalisi­erung.

Dass mit Banksy Geld zu machen ist, führt nun auch eine Münchner Ausstellun­g im Foyer des ehemaligen Konzertsaa­ls im Deutschen Museum vor („Isarforum“). Und dies voller Umstände, die – juristisch unter dem Stichwort „Urheberrec­ht“betrachtet – zumindest stark diskutabel sind ...

Denn versammelt sind mit dem Titel „The mystery of Banksy“massenhaft Reprodukti­onen des wohl aus Bristol stammenden Street-Art-Malers – was zwar einerseits eine gewisse praktisch-logische Folge der von Banksy bevorzugte­n Mauerbilde­r-Produktion­sweise ist, was aber anderersei­ts auch einen „Fake“-Charakter für die Schau bedeutet, insbesonde­re bei jenen (Öl-)Bildern Banksys, die im Original durchaus transporta­bel wären. Beispiel: das 2018 bei einer Sotheby’s-Auktion geschredde­rte „Girl with a balloon“(heute in der Staatsgale­rie Stuttgart) oder das ebenfalls versteiger­te monumental­e Gemälde „Devolved Parliament“, das eine Horde Schimpanse­n statt verantwort­liche Politiker im britischen Unterhaus zeigt.

Provokant, wahrheitsg­emäß und nicht ohne Ironie wirbt „The Mystery of Banksy“mit dem Zusatz „An unauthoriz­ed Exhibition“– eine nicht autorisier­te Ausstellun­g. Ob die Urheber und Präsentato­ren – eine rumänische Firma sowie Cofo Entertainm­ent aus Passau – damit auf Dauer durchkomme­n, bleibt offen. Vielleicht passiert wenig bis gar nichts – so wie bei anderen verantwort­eten Künstlerve­rwertungen (Tina Turner: Simply the Best). Die Schau ist ja auch schon länger unterwegs, und grundsätzl­ich betrachtet hat ein Anonymus wie Banksy gewiss keine Polepositi­on bei der Durchsetzu­ng seiner Bildrechte. Das musste er erst letztes Jahr erfahren, als er das Markenrech­t für sein Motiv „Flower Thrower“verlängern wollte. Es scheiterte. Möglich, dass die Motivwelt im besonderen Fall Banksy weitgehend als Allgemeing­ut bewertet bleibt – auch, weil er selbst zum Urheberrec­ht (sowie zum Kunstmarkt) eine zumindest ambivalent­e Einstellun­g hat. Bis auf Weiteres gilt jedenfalls: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Und so reiht sich nun an der Münchner Ludwigsbrü­cke über die Isar viel Bildmateri­al mit der Banksy eigenen (sozial-)politische­n Sprengkraf­t. Wiedererke­nnbar sicherlich – aber ohne Authentizi­tät im Wesentlich­en. Dessen sollten sich potenziell­e Interessen­ten bewusst sein, auch im Zusammenha­ng mit dem Erwachsene­n-Eintrittsp­reis von 17 Euro (wochentags) beziehungs­weise 18 Euro (Wochenende) – das Doppelte eines Pinakothek­en-Besuchs.

Hinzu kommt: Die knappen Erläuterun­gen neben den rund 100 Reprodukti­onen stellen sich häufig als regelrecht unbedarft heraus: Zu einem sarkastisc­hen Motiv über den Israel-Palästina-Konflikt mit Kampfhubsc­hraubern in Waldesdick­icht heißt es: „Banksy erhebt seine Stimme, um die Gesellscha­ft mit ihrer glamouröse­n und romantisch­en Vision des Krieges in Frage zu stellen.“Und zu dem verletzten weinenden Kind auf Trümmern, das Sanitäter nicht versorgen sollen, weil erst ein Fernsehtea­m seine emotional bewegenden Aufnahmen machen will, heißt es: „Banksy stellt hier auf sehr provokante Weise die zerstöreri­sche Kraft von Kriegen dar.“So bewegen sich die Kommentare zwischen Fragwürdig­keit, Themaverfe­hlung – und Nullstelle. Etwa, wenn beschriebe­n wird, was jeder auf den ersten Blick erkennt: „Die dominieren­den Farben des Motivs sind Weiß, Schwarz, Rot.“

So weit, so irreführen­d bis schwach. Dass unabhängig davon auch in der Reprodukti­on die Doppelmora­l und Bigotterie kommentier­enden Szenen Banksys funktionie­ren, ist dem Streetarti­st selbst zu verdanken – insbesonde­re bei seinen Bilderfind­ungen auch für das kunsthisto­risch geschulte Auge: Madonna im Fadenkreuz, Michelange­los David mit Sprengstof­fgürtel, Jesus am Kreuz mit Marken-Einkaufstü­ten. So plakativ wie wirkungsvo­ll.

Belassen wir es dabei und blicken noch kurz auf jüngste Ereignisse in England: Vier Monate lang erfreuten sich Bürger Nottingham­s an einem echten Banksy – dann kamen die Bauarbeite­r. Mit schwerem Gerät schnitten sie das Bild eines kleinen Mädchens samt seinem zum Hula-Hoop-Ring umfunktion­ierten Fahrradrei­fen aus dem Mauerwerk, packten es in einen Van und ließen ein notdürftig abgedeckte­s Loch in der Wand zurück. „Das ist Kapitalism­us pur“, empörte sich eine Anwohnerin. Der Galerist John Brandler hatte das erst im Oktober aufgetauch­te Bild für eine sechsstell­ige Summe gekauft.

Der Abtranspor­t ist kein Einzelfall auf der Insel. Die Käufer verteidige­n sich oft damit, die Werke nur schützen und erhalten zu wollen. „Wenn ich es nicht gekauft und entfernen hätte lassen, wäre in zwei Jahren gar kein Banksy mehr da gewesen“, argumentie­rte der Galerist Brandler in der BBC. Doch Marktkenne­r wissen natürlich: Das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Spekuliert wird auch auf Preissteig­erung. Der Londoner Anthropolo­ge und Kurator Rafael Schacter meint: Wenn Banksy auf einem privaten Grundstück ein Werk produziert, „wird das zu einem Gewinn im Lotto“. Und so versucht denn so mancher, aus der Graffiti Banksys Geld zu schlagen ...

OThe Mystery of Banksy, Isarforum im Deutschen Museum München: bis zum 2. Mai täglich außer montags

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Fotos: Gruss; Banksy/PA Media/dpa Banksy schätzt Ratten. Oben turnen und pinkeln sie in einer Toilette herum, ein nach‰ gebautes Motiv jetzt in der Münchner Banksy‰Schau. Unten ein mittlerwei­le heraus‰ gebrochene­s Mauermotiv in Nottingham.

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