Donau Zeitung

Kommt der Wolf?

Die Rückkehr des Fabeltiers spaltet die Gesellscha­ft: Weidebesit­zer reagieren auch im Landkreis Dillingen mit Entsetzen, Naturschüt­zer heißen Meister Isegrim dagegen willkommen. Und was sagen eigentlich die Jäger?

- VON GÜNTER STAUCH

Die mögliche Rückkehr des Tieres in den Landkreis Dillingen ruft verschiede­ne Reaktionen hervor. Diese reichen von Entsetzen bis hin zur Freude.

Landkreis Beim dreiseitig­en Meldeformu­lar des Bayerische­n Landesamte­s für Umwelt (LfU) will man es ganz genau wissen. Wer das elektronis­che Papier der Augsburger Behörde ausfüllt und absendet, muss zunächst die gesichtete Tierart ankreuzen, den Bär, den Luchs oder den – gleich an erster Stelle stehenden – Wolf. Neben zahlreiche­n Angaben wie Datum, Ort, Uhrzeit sowie vielen Details zum Tier oder dem gerissenen Körper eines Beutetiers wird auch die Angabe von Name, Anschrift und Telefon erwartet. Dort könnten bald auch Daten aus dem Landkreis Dillingen stehen, wenn die Entwicklun­g bei dem Raubtier mit einem höchst durchwachs­enen Ruf in der Gesellscha­ft so weitergeht.

Seit seinem Wiedereinz­ug im Freistaat vor mehr als 15 Jahren werden in Bayern fast wöchentlic­h

„Der Wolf bei uns, das wäre eine Katastroph­e.“Eugen Bayer, Kreisgesch­äftsführer des Bayerische­n Bauernverb­ands

neue Berichte über seine Wiederentd­eckung abgegeben. Zuletzt immer mehr aus Gebieten knapp an der Landkreisg­renze entlang. Ob in den Regionen Augsburg, DonauRies oder Günzburg, „Meister Isegrim“, dessen junge Exemplare pro Tag bis zu 70 Kilometer zurücklege­n können, nähert sich der Gegend zwischen Syrgenstei­n und Buttenwies­en immer mehr oder hat uns schon längst unerkannt durchquert.

„Der Wolf bei uns, das wäre eine Katastroph­e“, zeigt sich der Kreisgesch­äftsführer beim Bayerische­n Bauernverb­and (BBV), Eugen Bayer, schon bei dem Gedanken daran entsetzt. Schon jetzt durchziehe die Furcht vor dem unwillkomm­enen Besucher die Landnutzer in freier Natur, die Aufregung sei groß. „Unsere Weidehalte­r haben Angst“, sagt Bayer. Innerhalb des Berufsstan­des werde das leidige Thema schon seit Jahren immer wieder diskutiert. Auch das BBV-Generalsek­retariat in München schlägt Alarm: „Der Wolf stellt eine riesige Gefahr für Weidetiere dar.“

Für das Gebiet an Donau und Zusam signalisie­rt Kreisobman­n Klaus Beyrer: „Wir stehen wegen des Wolfs Gewehr bei Fuß.“Damit wollte der diskurserp­robte Streiter für die Landwirte eher sinnbildli­ch auf die hohe Bereitscha­ft der Agrarbranc­he hinweisen. Sein Satz könnte aber auch wortwörtli­ch genommen werden, zumal schon BBV-Präsident Walter Heidl nach schweren Wolfsüberg­riffen im Allgäu die Bejagung forderte. Dem folgt Landwirt Beyrer, der den vierbeinig­en Räuber schleunigs­t im Jagdrecht verankert sehen möchte.

Als Hauptgrund dafür nennt Heidl den Irrtum, wonach der Wolf äußerst scheu daherkomme und eher als harmlos einzustufe­n sei. Davon hält Richard Kraus als Zweiter Vorsitzend­er der Kreisjäger­vereinigun­g Dillingen wenig und weist die verbreitet­e Ansicht zurück, wonach seine Kollegen das Tier ablehnten: „Das stimmt einfach nicht, wir stehen vielmehr relativ neutral zu der Sache.“Noch herrscht Kraus zufolge bei den Mitstreite­rn im Grünrock Ruhe vor. Sollten die Nachrichte­n vom zurückgeke­hrten Tier in unseren Landkreis überschwap­pen, dann könne das die Situation gründlich ändern. „Anzunehmen, dass wir hier verschont bleiben und quasi auf einer Insel der

Glückselig­en leben, halte ich für eine sehr blauäugige Betrachtun­g“, warnt der Jäger. „Aber ich hoffe, dass wenn er kommt, er dann gleich wieder verschwind­et.“

Für das glatte Gegenteil spricht sich Thomas Hefele, Zweiter Vorsitzend­er der Kreisgrupp­e beim Bund Naturschut­z, aus. „Wir freuen uns über das Auftauchen eines Vertreters aus der Tierwelt, dem eine Schlüsselp­osition in unserem Ökosystem zukommt.“Wenn er denn da sei, sei das gut so, schließlic­h gehöre der Wolf zu uns. Etwas nüchterner heißt es aus dem Landratsam­t, als untere Naturschut­zbehörde seien ihm im Rahmen von staatliche­n Management­plänen und dem Aktionspla­n Wolf des LfU bestimmte Aufgaben zugewiesen. So sei etwa ein Ansprechpa­rtner bestellt worden, der momentan eine beobachten­de Funktion wahrnehme und Meldungen über das vermeintli­che Auftreten eines solchen Tiers entgegenne­hme (09071/51-201). Man stehe in engem Kontakt mit dem Landesamt. Diese Stelle würde auch eine Bewertung vornehmen, ob es sich um den Nachweis eines Wolfes handele. Dieser komplexe und teils langwierig­e Prozess führte immer wieder zu Kritik von Jägern oder ViehHalter­n. Denn nur wenn das LfU Gebiete auf einer Bayernkart­e als sogenannte Förderkuli­sse ausweist, können Mittel zur Entschädig­ung fließen. Etwa für Zaunbauten oder Herdenschu­tzhunde. Ob das den Grund dafür darstellt, dass viele Tier-Sichtungen oder Vorfälle erst gar nicht gemeldet werden? Georg Zettler vom Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten (AELF) in Wertingen, weist jedenfalls auf die wenigen festgelegt­en Bezirke in Schwaben hin. Der Berater für Schaf- und Ziegenzuch­t sowie landwirtsc­haftliche Wildhaltun­g sieht eine „hohe Bedrohung für Tierhalter“, und: „Ein früher eher abstraktes Thema wird nun konkreter.“

Dennoch könnten für die mehr als 90 Betriebe mit Schafhaltu­ng Entschädig­ungen infrage kommen. Manche wie Jäger Richard Kraus und Landwirt Klaus Beyrer machen jedoch den „viel zu hoch angesetzte­n Schutzstat­us von Wolf wie auch Biber“für den Millionena­ufwand an Vorsorge- und Reparaturk­osten verantwort­lich: „Das sind Steuergeld­er, wohlgemerk­t.“Doch Geld allein macht auch in diesem Bereich nicht glücklich. Werner Liebert, Hobbyschäf­er im Wertinger Stadtteil Geratshofe­n, treibt große Angst um seine 75 Tiere um. Sie stehen noch bis zum April im Stall. Entschädig­ung sei ja gut, aber ihm tue jedes einzelne Vieh leid, das künftig in Gefahr schweben könne.

Zumindest der Polizei in Dillingen zufolge sind im Landkreis bislang keine dokumentie­rten Fälle mit Wölfen bekannt geworden, worauf Sprecherin Katharina von Rönn verweist. Die Polizeihau­ptmeisteri­n stammt aus Niedersach­sen, einem Bundesland mit drei Dutzend fest etablierte­n Wolfsrudel­n. Eine Friseurmei­sterin beim Frisiersal­on Helmut Dunkl in Wertingen wurde – ebenfalls in dem großen Flächenlan­d großgeword­en – schon als Kindergart­enkind auf die nötige Distanz zu dem dort lebenden Raubtier hingewiese­n. Ihr Name: Christina Wolf.

 ?? Foto: Karl Aumiller (Symbol) ?? Wann lässt sich der Wolf wieder im Landkreis Dillingen blicken? In den angrenzend­en Regionen Augsburg, Donauwörth, Ries oder Günzburg wurde Meister Isegrim, wie der Wolf in der Fabel genannt wird, bereits gesichtet. Diese munteren Exemplare wurden in einem Wildpark fotografie­rt.
Foto: Karl Aumiller (Symbol) Wann lässt sich der Wolf wieder im Landkreis Dillingen blicken? In den angrenzend­en Regionen Augsburg, Donauwörth, Ries oder Günzburg wurde Meister Isegrim, wie der Wolf in der Fabel genannt wird, bereits gesichtet. Diese munteren Exemplare wurden in einem Wildpark fotografie­rt.

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