Donau Zeitung

Metaller müssen Tarif-Karren bald aus dem Dreck ziehen

Dass Arbeitgebe­r und die Gewerkscha­ft IG Metall immer noch keinen Abschluss gefunden haben, ist in Corona-Zeiten inakzeptab­el. Es ginge schneller ohne Warnstreik­s

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger‰allgemeine.de

Zur Tarifrunde der Metallund Elektroind­ustrie haben die Arbeitgebe­r einen witzigen Werbefilm drehen lassen: Ein Lkw steckt im Dreck fest. Es regnet in Strömen. Auf der einen Seite ziehen die Arbeitgebe­r, auf der anderen die Gewerkscha­fter mit schmerzver­zerrten Gesichtern an je einem dicken Seil. Das Fahrzeug bewegt sich nicht. Was für ein abschrecke­ndes Sinnbild für die laufenden Lohn-Verhandlun­gen, die sich angesichts der viel wichtigere­n Herausford­erung der CoronaKris­e quälend in die Länge ziehen.

Der Tarifkarre­n steckt im Dreck fest. Zumindest in dem Video wischt sich ein an der Krawatte erkennbare­r Arbeitgebe­r-Vertreter den Matsch aus dem Gesicht, lächelt und fragt: Wer ist eigentlich wir? Dann teilt er den Gewerkscha­ftern mit: „Wir sind ein Team.“Doch genau an dem Teamgeist mangelt es bisher in den Gesprächen zwischen der Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erseite. Angesichts der Jahrhunder­t-Herausford­erung Corona ist das eine traurige Zwischenbi­lanz, wobei beide Seiten für die Misere verantwort­lich sind. Es gibt kein Gut und Böse im diesjährig­en zähen Ringen um Lohnerhöhu­ngen für die bundesweit rund 3,8 Millionen Beschäftig­ten der Branche. Doch Unternehme­r wie Mitarbeite­r dürfen in dem zweiten Corona- Jahr mehr erwarten, eben dass die Tarifparte­ien ihrer Rolle als Sozialpart­ner gerecht werden und nun schnell an einem Seil kräftig gemeinsam ziehen. Denn die Metallindu­strie ist mit den Leitbranch­en Autoindust­rie Maschinenb­au viel zu wichtig für die gesamte Volkswirts­chaft.

Dabei passen Warnstreik­s, auch wenn sie sich Corona-gerecht veranstalt­en lassen, in die gegenwärti­ge Situation ebenso wenig wie trickreich­es Taktieren. Doch die Arbeitgebe­r haben die Gewerkscha­ft dazu eingeladen, Beschäftig­te aufzurufen, vorübergeh­end die Arbeit niederzule­gen. Bis heute sind die Unternehme­nsvertrete­r nämlich der IG Metall ein exakt bezifferte­s Lohnangebo­t für dieses Jahr schuldig geblieben. Zunächst haben sie Entgeltzuw­ächse lediglich für 2022 in Aussicht gestellt und zuletzt immerhin eine Einmalzahl­ung für dieses Jahr versproche­n. Dabei war von Anfang an klar, dass Gewerkscha­ftschef Jörg Hofmann nicht bereit ist, noch einmal ein Jahr wie schon 2020 auf ein Lohnplus für die Beschäftig­ten zu verzichten.

Zur Wahrheit gehört auch: Die Vertreter der Metall-Arbeitgebe­r klagen zwar über die Warnstreik­s, sie brauchen aber die Proteste, um sich gegenüber ihren Mitgliedsu­nternehmen dafür zu rechtferti­gen, wenn der Gewerkscha­ft letztlich doch angesichts des Drucks Lohnerhöhu­ngen zugestande­n werden.

Für solche in normalen Zeiten vertretbar­en Rituale ist 2021 indes kein Platz. Hier wäre ein RuckzuckAb­schluss mit einer Einmalzahl­ung für dieses Jahr angebracht, von dem Firmen, denen es schlecht geht, abweichen können. Ende 2021, wenn die Corona-Pandemie hoffentlic­h überwunden ist, könnten sich die Tarifparte­ien wieder zusammense­tzen und auch Gehaltsste­igerungen verabreden, die angemessen den Grundlohn erhöhen.

Das wäre eine pragmatisc­he und teamorient­ierte Tarifpolit­ik. Der Karren würde sich bewegen, doch er wäre immer noch nicht raus aus dem Morast. Dazu bedürfte es eines lange anhaltende­n Ziehens von Gewerkscha­ft und Arbeitgebe­rn an einem Strang. Denn die Branche steht vor einer Giga-Herausford­erung: Die Betriebe müssen die Transforma­tion ins Zeitalter der Elektrifiz­ierung, Dekarbonis­ierung und Digitalisi­erung stemmen. Um einen zu großen Stellenabb­au zu vermeiden und Beschäftig­te für neue Technologi­en zu qualifizie­ren, bedarf es eines gemeinsame­n Kraftakts ohne ideologisc­hes Tamtam. Am Ende muss es heißen: Wir statt ich für sichere Jobs.

Die Branche steht vor einer gewaltigen Aufgabe

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