Donau Zeitung

Die CSU hat es eilig mit mehr Transparen­z

Söders Zehn-Punkte-Plan für Vertrauen und Integrität soll die Partei möglichst schnell vom Ruch der Korruption reinwasche­n. Aber er ist mit heißer Nadel gestrickt und im Detail noch nicht zu Ende gedacht

- VON ULI BACHMEIER

München Markus Söder versucht den Befreiungs­schlag. Das „Maßnahmenp­aket für Vertrauen und Integrität“, das der CSU-Chef am Wochenende in aller Eile vorgelegt hat, soll seine Partei in der Masken-Affäre so schnell wie möglich vom Ruch der Korruption reinwasche­n und unsauberen Geschäften von Abgeordnet­en in Zukunft einen härteren Riegel vorschiebe­n. Die eigentlich­e Arbeit aber ist damit noch nicht getan. Die Frage, wie weit die Freiheit von Abgeordnet­en ganz konkret eingeschrä­nkt werden soll, führt nämlich direkt zu der Frage: Von wem wollen wir regiert werden?

Bereits jetzt repräsenti­eren die 205 Abgeordnet­en des Bayerische­n Landtags das Volk nicht wirklich. Wer versucht, sie nach ihrem berufliche­n Hintergrun­d zu sortieren, findet eine Hausfrau, eine Krankensch­wester, zwei Krankenpfl­eger, einen Berufsoffi­zier, einen Studenten, einen Berufsfeue­rwehrmann sowie jeweils eine Handvoll Handwerksm­eister, Ärzte, Journalist­en und Architekte­n. Busfahrer, Bauarbeite­r, einfache Angestellt­e oder Mitarbeite­r der Straßenrei­nigung findet er nicht. Relativ klein ist auch die Zahl der Abgeordnet­en, die aus technische­n und sozialen Berufen kommen. Wissenscha­ftler und Landwirte gibt es schon etwas mehr. Die überwältig­ende Mehrheit der Volksvertr­eter in Bayern aber sind Beamte, Juristen, Freiberufl­er und selbststän­dige Unternehme­r. Im Bundestag ist es nicht viel anders.

Hintergrun­d des Vorstoßes der CSU, geschäftli­che Nebentätig­keiten von Abgeordnet­en zu begrenzen, ist der Verdacht, dass der Günzburger Rechtsanwa­lt und langjährig­e CSU-Abgeordnet­e Alfred Sauter in der Corona-Krise von einem unsauberen Geschäft mit Schutzmask­en profitiert haben soll. Sie will damit Schluss machen, „dass

Abgeordnet­e ihre Stellung für geschäftli­che Zwecke missbrauch­en oder gar die Krise zum Geschäft machen.“Deshalb fordert sie unter anderem den „Ausschluss von gewerbsmäß­igen Nebentätig­keiten bei Führungsau­fgaben in den Parlamente­n.“

Besonders zielgenau ist dieser Punkt in Söders Zehn-Punkte-Plan nicht. Auch ohne seinen am Montag erklärten Austritt aus der CSUFraktio­n wäre Sauter von so einer Neuregelun­g nicht betroffen, weil er im Parlament keine Führungsau­fgabe hatte. Er war weder Mitglied im Fraktionsv­orstand noch Leiter eines Fachaussch­usses oder eines

CSU-Arbeitskre­ises. In dem konkreten Fall also hätte nur geholfen, es so zu regeln wie bei Ministern oder Bürgermeis­tern. Sie müssen ihre anwaltlich­e Tätigkeit beenden, sobald sie ihr Amt antreten.

Umgekehrt aber stellt sich die Frage, was das für andere Abgeordnet­e bedeutet. Darf ein Landwirt, der noch einen Hof sein Eigen nennt, künftig als Abgeordnet­er nicht mehr den Agraraussc­huss leiten? Muss ein Architekt als Mitglied des Landtags oder des Bundestags sein Architektu­rbüro aufgeben, ein Arzt seine Praxis, ein Unternehme­r seine Firma? Würden Vertreter dieser Berufsgrup­pen unter diesen Voraussetz­ungen überhaupt noch kandidiere­n? Und soll das Parlament tatsächlic­h auf all das Expertenwi­ssen verzichten, das insbesonde­re Freiberufl­er und selbststän­dige Unternehme­r mitbringen?

Diese Fragen sind in der CSU noch längst nicht erschöpfen­d diskutiert. Im Fokus der aktuellen Affäre stehen vor allem Abgeordnet­e, die als Anwälte, Berater oder Vermittler Mandanten vertreten, die in Rechtsstre­itigkeiten oder bei Geschäften den Staat als Gegner oder als geschäftli­ches Gegenüber haben. Hier liegen die eigentlich­en Interessen­kollisione­n, die in der MaskenAffä­re offenkundi­g wurden und die es in Zukunft von vorneherei­n auszuschli­eßen gilt.

Offen ist auch die Frage, wie eine „tief greifende Reform des Parlaments­und Abgeordnet­enrechts auf allen Ebenen“aussehen soll, wie Söder sie in seinem Zehn-Punkte-Plan fordert. Wer zum Beispiel darüber klagt, dass man Juristen im Parlament brauche und Anwälte nicht mit einem „Quasi-Berufsverb­ot“belegen kann, wenn sie für den Landtag kandidiere­n, der kann auch nicht darüber hinwegsehe­n, dass Busfahrer, Angestellt­e oder Krankenpfl­eger ihren Job aufgeben müssen, wenn sie in den Landtag gewählt werden. Nur Beamte haben ein Rückkehrre­cht in ihren Beruf. Ein reines „Beamten-Parlament“aber will aus guten Gründen auch niemand haben.

Als vielverspr­echend gilt in der CSU die Idee, von Bewerbern um ein Mandat eine „Integrität­serklärung“zu fordern. Dahinter steckt eine Logik, die in der Vergangenh­eit in Ansätzen auch vom Bundesverf­assungsger­icht anerkannt wurde. Ist ein Abgeordnet­er einmal gewählt, ist er nur seinem Gewissen verpflicht­et. Vor der Wahl aber steht seine Nominierun­g durch die Partei. Nur durch die Partei schafft er es überhaupt in den Bundestag oder in den Landtag. Deshalb kann ihn die Partei, das ist der Grundgedan­ke, auf die Einhaltung bestimmter Verhaltens­regeln verpflicht­en – etwa die Offenlegun­g aller Nebeneinkü­nfte, die detaillier­te Anzeigepfl­icht für direkte und mittelbare Beteiligun­gen an Unternehme­n oder für jede Art von Gegenleist­ung für Nebentätig­keiten. Im Falle einer Zuwiderhan­dlung soll der Parteivors­tand ein Einspruchs­recht gegen die Nominierun­g eines Bewerbers in den Stimm- oder Wahlkreise­n bekommen. Zudem will die CSU ihren verschärft­en Verhaltens­kodex in die Parteisatz­ung aufnehmen und bei Verstößen unmittelba­re Sanktionen bis hin zum Parteiauss­chluss möglich machen.

Den Verantwort­lichen in der CSU ist klar, dass Söders ZehnPunkte-Plan unter dem Eindruck der öffentlich­en Empörung über die Masken-Geschäfte mit heißer Nadel gestrickt wurde. Was politisch gewollt und rechtlich tatsächlic­h möglich ist, soll im Parteivors­tand diese Woche noch einmal diskutiert werden. Einigkeit scheint darüber zu bestehen, dass für die CSU in Zukunft nur kandidiere­n darf, „wer sich zuvor zur politische­n Integrität bekennt und zu voller Transparen­z bereit ist.“Was darüber hinaus an schärferen Regeln in den Parlamente­n durchgeset­zt werden kann, muss sich erst noch zeigen.

Der Fall Sauter wäre so nicht zu verhindern gewesen

Ein „Beamten‰Parlament“will auch keiner haben

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Foto: Sven Hoppe, dpa Stehen die Glas‰Lamellen an der CSU‰Zentrale in München für mehr Klarheit und Wahrheit, die die Parteispit­ze anstrebt?

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