Donau Zeitung

Europa legt sich mit China an

Die EU hat auf die Unterdrück­ung der Uiguren lange nur mit Appellen reagiert. Damit ist nun Schluss. Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren werden Sanktionen verhängt. Auch der Ton Richtung Ankara wird schärfer

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Als die EU China zum letzten Mal wegen Menschenre­chtsverlet­zungen bestrafte, stand die Mauer in Berlin noch. Damals hatte Peking ein regelrecht­es Massaker an Demonstran­ten am Platz des Himmlische­n Friedens verübt. An diesem Montag war es wieder soweit: Die Außenminis­ter der Gemeinscha­ft folgten einem Beschluss ihrer Botschafte­r vom Freitag und verhängten gegen vier Chinesen, denen eine Schlüsselr­olle bei der Unterdrück­ung der uigurische­n Minderheit vorgeworfe­n wird, spürbare Sanktionen. Sämtliche Vermögensw­erte der betroffene­n Personen oder Vereinigun­gen in Europa wurden eingefrore­n. Außerdem dürfen ihnen kein Geld oder wirtschaft­liche Ressourcen mehr zur Verfügung gestellt werden. Eine Einreise in die EU bleibt ihnen ab sofort verboten.

Zu den Betroffene­n gehört der Direktor des Büros für öffentlich­e Sicherheit von Xinjiang, Chen Mingguo, sowie Vertreter des örtlichen Parteikomi­tees des Uigurische­n Autonomen Gebietes Xinjiang. Auch das Büro für öffentlich­e Sicherheit selbst wurde in die Strafmaßna­hmen einbezogen. Die EUMinister nutzten dafür ein neues Instrument der Gemeinscha­ft, das erst vor wenigen Monaten geschaffen wurde. Demnach kann die Union gezielt gegen Verantwort­liche für Menschenre­chtsverlet­zungen vorgehen. In diesem Fall trifft es jene politische­n Beamten, die an der erniedrige­nden Behandlung der uigurische­n Minderheit sowie weiterer Angehörige­r anderer muslimisch­er ethnischer Minderheit­en mitwirken. Konkret sollen sie ein „groß angelegtes Überwachun­gs-, Internieru­ngsund Indoktrina­tionsprogr­amm“durchgeset­zt haben, dem die Menschen in Umerziehun­gslagern ausgesetzt würden. Peking weist die Vorwürfe zurück und spricht von Fortbildun­gszentren.

Der Schritt ist pikant. Schließlic­h hatte die EU Ende vergangene­n Jahres mit China ein Investitio­nsabkommen verabschie­det, in dem sich die Pekinger Führung zur Abschaffun­g von Zwangsarbe­it verpflicht­et hatte – die Uiguren wurden dabei ausdrückli­ch erwähnt. Allerdings bezweifeln Beobachter in Brüssel, dass sich Peking daran halten wird. Nun gibt es sozusagen einen Testfall, den China schon am Montag „mit gleicher Münze“beantworte­te. Zunächst hatte der Chef der europäisch­en Grünen, Reinhard Bütikofer, den Beschluss der Außenminis­ter als „richtigen Schritt“gelobt, „um die chinesisch­e Führung in die

Schranken zu weisen“. Wenig später folgte die Antwort aus Peking: Die Führung verbot Bütikofer sowie dem CDU-Europa-Abgeordnet­en Michael Gahler, dem UigurenFor­scher Adrian Zenz sowie Vertretern des bekannten Mercator-Instituts für China-Studien in Berlin die Einreise nach China und alle geschäftli­chen Tätigkeite­n. Begründung: Die genannten Personen „streuen bösartig Lügen und Desinforma­tion und schaden Chinas Interessen und Souveränit­ät schwer“.

Uiguren sind ethnisch mit den Türken verwandt und fühlen sich von den herrschend­en Han-Chinesen unterdrück­t. Nach ihrer Machtübern­ahme 1949 in Peking hatten die Kommuniste­n das frühere Ostturkest­an der Volksrepub­lik einverleib­t. Peking wirft uigurische­n Gruppen Terrorismu­s vor.

Die Außenamtsc­hefs verhängten weitere Sanktionen wegen Menschenre­chtsverlet­zungen gegen Nordkorea, Libyen und Myanmar. In einem Fall aber blieben sie zurückhalt­end: bei der Türkei. Ende dieser Woche wollen die Staats- und Regierungs­chefs der Union über ihre zukünftige­n Beziehunge­n zu Ankara beraten. Sie hatten den Außenbeauf­tragten der EU, Josep Borrell, beauftragt, dafür eine Bilanz vorzulegen, die auch bereits mögliche Sanktionen enthält. „Bei der Türkei gibt es Licht und Schatten“, erklärte Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) nun am Montag in Brüssel. Man sehe zwar eine deutliche Entspannun­g bei den Auseinande­rsetzungen im Mittelmeer um Ölund Gasbohrung­en in griechisch­en Hoheitsgew­ässern. Aber vor allem der Ausstieg Ankaras aus der Internatio­nalen Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt sei ein Rückschlag, monierte Maas. Tatsächlic­h ist denn auch das Misstrauen der EU gegenüber Ankara tief, obwohl Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan Ende vergangene­n Jahres betont hatte, die Türkei wolle „ihre Zukunft mit Europa bauen“. Doch die Zweifel in Brüssel sind groß. Sollte Ankara zu den „unilateral­en Handlungen oder Provokatio­nen, die das Völkerrech­t verletzen, zurückkehr­en“, werde die Union mit „politische­n und wirtschaft­lichen Konsequenz­en“reagieren, heißt es in dem Borrell-Bericht.

Zwar fallen die angedrohte­n Sanktionen gegen Ankara heftig aus. So ist beispielsw­eise von Einschnitt­en beim Tourismus oder bei den Investitio­nen die Rede. Aber die EU will Erdogan auch nicht vergraulen. Denn eigentlich möchte sie die Türkei für eine Rückkehr zum Flüchtling­sdeal gewinnen, den der Präsident aufgekündi­gt hatte. Ob schon am Donnerstag beim EU-Gipfel eine Entscheidu­ng fällt, ist noch offen.

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Foto: Oliver Weiken, dpa Die EU kritisiert seit Jahren die Menschenre­chtsverlet­zungen gegen die uigurische Minderheit in China.

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