Donau Zeitung

Das Bremer Millioneng­rab

Die Insolvenz der Greensill-Bank bringt mehrere deutsche Kommunen in Bedrängnis. Sie hatten dort hohe Beträge anlegt. Unter den Geschädigt­en sind auch bayerische Gemeinden

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Denkendorf ist eine überschaub­are Gemeinde im Landkreis Eichstätt. Sie zählt knapp 5000 Einwohner, liegt im Naturpark Altmühltal, durch das Gemeindege­biet führt der Limes-Radweg. Zuletzt beschäftig­te man sich dort intensiv mit dem Bau eines Einkaufsze­ntrums mit Supermärkt­en und einer Drogerie. Die Finanzindu­strie ist weit weg – und doch erreichen die Wellen eines der größten Finanzskan­dale der vergangene­n Jahre diesen Monat Denkendorf. Die Gemeinde hatte eine Million Euro als Festgeld bei der Bremer GreensillB­ank angelegt, die zu dem internatio­nalen Finanzimpe­rium des australisc­hen Bankers Lex Greensill gehört – zu einem Zins von 0,4 Prozent. Am 3. März verhängte die deutsche Finanzaufs­icht Bafin ein Moratorium über die Bank, am 16. März 2021 eröffnete das Amtsgerich­t Bremen dann das Insolvenzv­erfahren. Seither muss man in Denkendorf um das Geld bangen. Die Gemeinde ist damit nicht alleine.

Zahlreiche deutsche Kommunen hatten Geld bei der Greensill-Bank angelegt. Ihre Einlagen stehen im Feuer. Einem Bericht der Zeit zufolge soll es sich um rund 50 Städte und Gemeinden handeln. Bundesweit in die Schlagzeil­en geriet die Stadt Monheim in der Nähe von Düsseldorf, die 38 Millionen Euro bei Greensill geparkt hatte und damit die Liste anführt. Aber auch Eschborn in Hessen mit 35 Millionen Euro, Wiesbaden mit 20 Millionen Euro oder Osnabrück mit 14 Millionen Euro vertrauten Greensill viel Geld an. Das Bundesland Thüringen investiert­e 50 Millionen Euro. In Bayern sind offenbar vier Kommunen betroffen: Vaterstett­en mit 5,5 Millionen Euro, Pöcking mit fünf Millionen Euro sowie Puchheim mit zwei Millionen Euro und eben Denkendorf. Das Problem der Kommunen: Während die Ersparniss­e von Privatleut­en neben der gesetzlich­en Einlagensi­cherung in Höhe von 100 000 Euro auch durch die freiwillig­en deutschen Einlagensi­cherungssy­steme der Banken praktisch in Millionen-Euro-Höhe abgesicher­t sind, gibt es diesen Schutz seit 2017 für Kommunen nicht mehr.

„Unter dem Strich muss man davon ausgehen, dass das Geld in großen Teilen weg ist“, sagt Wilfried Schober, Sprecher des bayerische­n Gemeindeta­gs, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Während es bei den öffentlich-rechtliche­n Banken bei der Institutss­icherung bleibt, entfällt seit 1.10.2017 die Einlagensi­cherung bei den Privatbank­en“, berichtete der Gemeindeta­g damals. Bei Sparkassen und genossensc­haftlich organisier­ten Banken hätten die Kommunen also weiterhin abgesicher­t ihr Geld anlegen können, bei den Privatbank­en war plötzlich Vorsicht geboten.

Das Problem: Bei vielen Banken und Sparkassen bekommen die Kommunen heute angesichts der Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k nicht mehr nur keine Zinsen mehr. Für höhere Beträge werden bei den bekannten Banken und den Sparkassen inzwischen meist Strafzinse­n fällig, sogenannte Verwahrent­gelte – häufig minus 0,5

Prozent. „Die Zinssituat­ion treibt die Kämmerer derzeit in die Verzweiflu­ng“, schildert es Schober. Einerseits ist man in den Kommunen froh, wenn sie Geld durch Steuern, Abgaben und Gebühren einnehmen. „Anderersei­ts muss dieses angelegt werden, wenn man es nicht sofort in neue Schulen, Straßen oder Kindergärt­en investiert“, sagt er. Eine Schule baut sich aber nicht von heute auf morgen. „Jeder Kämmerer legt also Geld an“, sagt der Fachmann. Gleichzeit­ig sind diese durch die bayerische Gemeindeor­dnung angehalten, sparsam und wirtschaft­lich zu haushalten. Strafzinse­n wollen die Kämmerer deshalb, wenn es geht, vermeiden.

Auf der Suche nach einer Bank, die zumindest keine „Verwahrent­gelte“verlangt oder sogar noch einen kleinen Zins bietet, sind die jetzt geschädigt­en Kommunen bei der Greensill-Bank gelandet. Zwar könnte man fragen, ob die Anleger früher stutzig hätten werden können, wenn sie sich näher mit der Bank beschäftig­t hätten. Diese war in dem sehr engen Geschäftsb­ereich der Lieferkett­en-Finanzieru­ng aktiv, versorgte in großen Teilen offenbar das Stahlimper­ium des gebürtigen Inders Sanjeev Gupta mit Geld – und über Firmenlenk­er Lex Greensill berichtet man heute, dass er gerne im Privatjet um die Welt düste. Anderersei­ts war die Greensill-Bank in Deutschlan­d zugelassen, wurde hier beaufsicht­igt und hatte lange ein solides Rating.

Die Kommunen fühlten sich sicher und sehen sich deshalb zum Teil als Opfer. „Ich bin entsetzt über diese Nachricht“, teilte im oberbayeri­schen Denkendorf zum Beispiel Bürgermeis­terin Claudia Forster, CSU, mit. „Wir haben ja keine spekulativ­en Finanzgesc­häfte vorgenomme­n mit undurchsic­htigen Produkten, sondern ganz konservati­v Festgeld bei einer deutschen Bank angelegt“, sagt sie. „Wir haben auf die deutsche Bankenaufs­icht vertraut. Offenbar sind nicht nur wir, sondern auch viele andere Sparer und Anleger wohl Opfer einer fehlerhaft­en Abschlussp­rüfung, möglicherw­eise aber auch

Die Stadt Monheim ist der Spitzenrei­ter

Kommunen sehen sich auch als Opfer

kriminelle­r Machenscha­ften geworden. Die Bafin hat auf jeden Fall zu lange gezögert.“

Die Bafin dagegen verteidigt sich. Diese hatte die Bank bereits seit geraumer Zeit auf dem Schirm, durfte dies aber nicht der Öffentlich­keit berichten: „Aufgrund ihrer strikten gesetzlich­en Verschwieg­enheitspfl­icht darf die Bafin weder Kommunen noch andere Anleger über eine Sonderprüf­ung oder aufsichtli­che Maßnahmen informiere­n.“

Die geschädigt­en Kommunen prüfen nun Schadeners­atzansprüc­he. Als Gläubiger könnten sie im Insolvenzv­erfahren zudem einen Teil des Geldes zurückbeko­mmen. Dies kann sich aber hinziehen. „Ich gehe davon aus, dass dieses Verfahren zwischen fünf und zehn Jahren andauern wird“, sagte Insolvenzv­erwalter Michael Frege unlängst der Wirtschaft­swoche. Für Wilfried Schober vom Gemeindeta­g zeigt der Fall eines: „Bei vermeintli­ch guten Geschäften ist ein gesundes Misstrauen angebracht“, sagt er. „Wir machen niemandem einen Vorwurf, aber in Zukunft wird man bei Geldanlage­n noch sorgfältig­er vorgehen müssen.“

 ?? Foto: Sina Schuldt, dpa ?? Die Greensill‰Bank in Bremen hatte in diesem Gebäude ihren Sitz. Sie ist insolvent. Anleger bangen um ihre Einlagen.
Foto: Sina Schuldt, dpa Die Greensill‰Bank in Bremen hatte in diesem Gebäude ihren Sitz. Sie ist insolvent. Anleger bangen um ihre Einlagen.

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