Donau Zeitung

Warum Fasten unserem Körper so gut tut

Es geht um mehr als nur nicht essen. Warum es gesund ist, wie es sich auf den Körper auswirkt und die neuesten wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se erklärt Deutschlan­ds bekanntest­er Fastenfors­cher Andreas Michalsen

- VON SIMONE ISE

Fasten ist längst mehr als eine religiöse Tradition oder ein AbnehmTren­d. Für Prof. Andreas Michalsen ist Nahrungsve­rzicht ein alternativ­er Weg zur Linderung oder gar Heilung von chronische­n und akuten Krankheite­n. Fasten stößt im Körper heilsame Prozesse an. „Natürlich kann man nicht alle Erkrankung­en durch Fasten heilen, aber es gibt zahlreiche Erkrankung­en, die durch Fastenther­apien deutlich verbessert oder aber auch geheilt werden können, beispielsw­eise Diabetes Typ 2, Bluthochdr­uck, Darmerkran­kungen oder auch entzündlic­he Erkrankung­en wie Rheuma oder Multiple Sklerose“, so die Erfahrung des Mediziners.

Andreas Michalsen, Sohn eines Kneipp-Arztes aus Bad Waldsee, ist seit 2009 Chefarzt der Abteilung Naturheilk­unde im Immanuel Krankenhau­s Berlin, wo er chronisch Kranke durch Heilfasten behandelt, und Professor für klinische Naturheilk­unde am Institut für Sozialmedi­zin, Epidemiolo­gie und Gesundheit­sökonomie der Charité Berlin.

Ob Intervallf­asten oder immer mal wieder periodisch: Nach derzeitige­m Stand der Wissenscha­ft führt das Fasten dazu, den Körper in der gesündeste­n Stoffwechs­elbalance zu halten. In dieser Zeit regenerier­en Stoffwechs­elsysteme, die Zellen reinigen sich, die Darmschlei­mhaut und alle Mikroorgan­ismen im Verdauungs­trakt erholen und verbessern sich. Fasten sei sozusagen der Schlüssel zur Förderung der Selbstheil­ung.

Doch was genau passiert während des Fastens im Körper, etwa nach einem Tag? „Die Speicherzu­ckervorrät­e, Glykogen, in Leber und Muskel sind aufgebrauc­ht, der Körper beginnt nun seinen Energiebed­arf komplett aus seinen Fettreserv­en zu decken. Hierzu schüttet er eine Reihe von Hormonen und Molekülen aus, die dies steuern. Wichtig ist auch, dass nun die Bildung von einem Ersatzbren­nstoff für das Gehirn beginnt. Zucker ist nicht mehr vorhanden. Jetzt werden Ketonkörpe­r in der Leber produziert, die dem Gehirn als Ersatzbren­nstoff dienen“, erklärt Michalsen. onstüchtig­e Proteine abgebaut werden und sich letztlich die Zellstrukt­ur ver‰ bessert und nachfolgen­d ein verbesser‰ ter Proteinpoo­l vorhanden ist.

● Fettzellen Insbesonde­re werden das viszerale Fett und das Fett der Leber beim Fasten abgebaut. Beides führt zu einer sehr günstigen Reduktion der von diesem Fettgewebe üblicherwe­ise produziert­en Entzündung­sstoffe. Die Ketonkörpe­r, die beim Fasten gebildet werden, können vermutlich gerade bei Hirnerkran­kungen wie Multiple Sklerose, Demenz oder auch Parkin‰ son besser von den Nervenzell­en ver‰ wertet werden. Dadurch erklärt sich der (auch in Tierversuc­hen immer wie‰ der gefundene) günstige Effekt auf neurogener­ative Erkrankung­en.

● Parodontos­e, Parodontit­is: Eine aktuelle Studie belegt, dass durch Fasten der Zustand des Zahnfleisc­hes verbessert werden kann.

Und was passiert nach fünf Tagen? Nach drei, vier, auf jeden Fall nach fünf Tagen sei man in einem stabilen Fastenzust­and. Nun tritt Hunger nur noch selten auf. Die körpereige­nen Regulation­ssysteme haben sich komplett auf das Fasten eingestell­t. Der Blutdruck, die Herzfreque­nz haben sich reduziert und meist sind auch die anfänglich­en Nebenwirku­ngen wie Kopfschmer­zen oder Schlapphei­t nun weg. Jetzt ist auch eine deutliche entzündung­shemmende Wirkung beispielsw­eise bei Rheumaentz­ündungen feststellb­ar.

Und wenn wir 14 Tage fasten? „Dann haben sich die Systeme weiter stabilisie­rt. Für den, der sehr dünn ist, einen Body-Mass-Index unter 20 hat, wird es nun spürbar, das Fasten zu beenden“, sagt der Experte. Meistens sei eine verstärkte Kälteempfi­ndlichkeit spürbar, da der Körper den Grundenerg­ieumsatz reduziert hat.

Michalsen empfiehlt zwei bis vier kürzere Fastenperi­oden pro Jahr. Im Gegensatz zu früheren Annahmen geht man heute davon aus, dass durchaus mehrmals jährlich gefastet werden kann – im Frühjahr beispielsw­eise fünf bis sieben Tage.

Hinzu kommt, dass sich das Fasten positiv auf das Immunsyste­m auswirkt. Es werden mehr neue funktionst­üchtige Immunzelle­n gebildet, das Immunsyste­m verjüngt sich. Beachten sollte man, dass während der Fastentage das Immunsyste­m jedoch nicht voll umfänglich funktionst­üchtig sei, sagt der Mediziner. Er rät daher, während einer viralen Infektion, beispielsw­eise einer Corona-Infektion, nicht zu fasten. Dagegen scheine bei bakteriell­en Infektione­n das Fasten den Krankheits­verlauf günstig zu beeinfluss­en. „Maßstab sollte sein, ob man während einer akuten Infektion appetitlos oder hungrig ist, dann sollte man dem Signal folgen.“

Kann das Fasten auch den Alterungsp­rozess aufhalten? Dazu gibt es laut Michalsen noch keine schlüssige­n Studien am Menschen. Alle Studien im Labor und Tierexperi­mente würden jedoch eindeutig zeigen, dass regelmäßig­es Fasten – sei es durch Intervallf­asten oder durch periodisch­es Fasten – zu einer Abbremsung von Alterungsp­rozessen und auch zu einem reduzierte­n Risiko für Alterserkr­ankungen führt. Die Forscher gehen heute davon aus, dass es zumindest ansatzweis­e beim Menschen auch so sein wird.

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Foto: sdecoret, stock.adobe.com Das Fasten ist der Schüssel zur Aktivierun­g von Selbstheil­ungskräfte­n. Experte Andreas Michalsen erklärt, wie der bewusste Ver‰ zicht die Körperfunk­tionen beeinfluss­t.
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Andreas Michalsen

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