Donau Zeitung

Offene Fragen nach Tod einer Pflegerin

Eine 55-jährige Krankenpfl­egerin aus dem Allgäu erleidet eine Hirnthromb­ose. Nun wird ein möglicher Zusammenha­ng mit einer AstraZenec­a-Impfung untersucht

- VON HELMUT KUSTERMANN UND MICHAEL MANG

Kempten/Immenstadt Entsetzen und Trauer sprechen aus den Zeilen, die der Allgäuer Klinikverb­und am Montagnach­mittag verschickt. „Wir sind zutiefst erschütter­t über diesen tragischen Vorfall“, wird Professor Dr.Ricardo Felberbaum zitiert. Er ist Ärztlicher Direktor am Kemptener Krankenhau­s. Dort ist am Samstag eine 55-jährige Kollegin gestorben, zweieinhal­b Wochen nach einer Corona-Impfung mit AstraZenec­a. Nach Informatio­nen unserer Redaktion erlag die Frau einer Hirnthromb­ose. Internen Erkenntnis­sen zufolge gilt es als „sehr wahrschein­lich“, dass ihr Tod im Zusammenha­ng mit der Impfung steht.

Seit Wochen kommt AstraZenec­a nicht aus den Schlagzeil­en. Mitte März hatte die Bundesregi­erung einen Impfstopp ausgesproc­hen. „Nach neuen Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im Zusammenha­ng mit der Impfung (...)“halte man weitere Untersuchu­ngen für notwendig, sagte ein Sprecher des Paul-Ehrlich-Instituts, das sich mit Impfkompli­kationen beschäftig­t. Wenige Tage später meldete sich dann die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde EMA zu Wort und

fest, dass das Vakzin „sicher und effektiv“sei. Es werde aber eine Warnung vor möglichen seltenen Blutgerinn­seln (Thrombosen) in Hirnvenen bei den Nebenwirku­ngen des Vakzins aufgenomme­n. AstraZenec­a wird seither wieder verimpft.

Die 55-jährige Pflegerin, die in der Immenstädt­er Klinik arbeitete, hatte die Erstimpfun­g gegen Corona nach Informatio­nen unserer Redaktion am 3. März bekommen. Demnach haben sich nach sieben bis acht Tagen „Symptome gebildet“. Die Frau kam mit Kopfschmer­zen in die Notaufnahm­e der Immenstädt­er Klinik. Ab 19. März wurde sie dann stationär in dem Krankenhau­s behandelt und einen Tag später nach Kempten verlegt. Dort starb die 55-Jährige offensicht­lich an einer Hirnthromb­ose.

Da die „möglichen Zusammenhä­nge der Impfung mit dem Präparat von AstraZenec­a noch nicht geklärt“seien, stehe die Klinikleit­ung „im engen Austausch“mit dem Gesundheit­samt Oberallgäu/Kempten und dem Paul-Ehrlich-Institut, heißt es in einem Schreiben, das die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Klinikverb­undes bekommen haben. Doch nach Informatio­nen unserer Redaktion gilt es im Klinikverb­und als sehr wahrschein­lich, dass der Tod der Pflegerin im Zusammenha­ng mit der Impfung steht.

Laut dem Paul-Ehrlich-Institut sollten Geimpfte sofort zum Arzt gehen, wenn sie nach der Impfung mit AstraZenec­a „Symptome wie Kurzatmigk­eit, Brustschme­rzen, Arm- oder Beinschwel­lungen entwickeln“, heißt es in einer Pressemitt­eilung des Oberallgäu­er Landratsam­tes. „Darüber hinaus sollten alle Personen, die schwere oder anhaltende Kopfschmer­zen haben, die länger als vier Tage nach der Impfung anhalten oder die nach ein paar Tagen Blutergüss­e über die Impfstelle hinaus haben, umgehend einen Arzt aufsuchen.“

Nach diesem Vorfall gehe er davon aus, dass innerhalb des Klinikverb­unds „die Zurückhalt­ung gegenüber AstraZenec­a zunehmen wird“, sagt Andreas Ruland, der Sprecher der Geschäftsf­ührung. In den vier Oberallgäu­er Häusern des Verbunds seien bisher etwa 450 Mitarbeite­r mit AstraZenec­a geimpft worden: „Über die normalen Impfreakti­onen hinaus wurden keine Zwischenfä­lle bekannt“, sagt Ruland. Der Klinikverb­und entscheide nicht darüber, welcher Impfstoff verwendet werde: „Wir verimpfen das, was wir zugewiesen bekommen.“

Weitere Fälle von schweren Nestellte benwirkung­en nach AstraZenec­aImpfungen sind dem Gesundheit­samt nicht bekannt. Amtsleiter Ludwig Walters hat aber eine Anfrage an das Paul-Ehrlich-Institut und die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) gestellt, ob AstraZenec­a nur noch an über 60-Jährige verabreich­t werden soll. In Frankreich erhalten ausschließ­lich Menschen über 55 Jahren den Wirkstoff.

Wie eine Sprecherin des PaulEhrlic­h-Instituts unserer Redaktion bestätigte, hatte sich die Zahl der gemeldeten Sinusvenen­thrombosen nach Impfung mit dem AstraZenec­a-Impfstoff bereits bis zum vergangene­n Freitag auf 14 erhöht. „Mit Ausnahme eines Falles betrafen alle Meldungen Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren.“In neun der 14 Fälle traten die schwerwieg­enden Hirnvenent­hrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättc­hen auf.

Auch beim Biontech–Impfstoff Comirnaty sind dem Institut zwei weitere Fälle von Hirnvenent­hrombosen bekannt: „Zwei Fälle einer Sinusvenen­thrombose wurden nach Impfung mit Comirnaty gemeldet“, erklärte die Sprecherin. Das Alter der Betroffene­n habe bei 47 und 86 Jahren gelegen. In beiden Fällen sei jedoch kein Mangel an Blutplättc­hen festgestel­lt worden.

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Foto: Soeren Stache, dpa Der Impfstoff von AstraZenec­a kommt nicht aus den Schlagzeil­en. Nun starb eine Krankensch­wester im Allgäu nach einer Impfung.

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