Donau Zeitung

Drei Monate seit Impfstart

Der Start direkt nach Weihnachte­n verläuft im Kreis holprig. Eine Momentaufn­ahme im Wertinger Impfzentru­m

- VON CORDULA HOMANN UND BENJAMIN REIF

Vor drei Monaten wurden die ersten Impfungen gegen das Coronaviru­s durchgefüh­rt. Erinnerung­en daran und eine Momentaufn­ahme im Wertinger Impfzentru­m.

Landkreis Es war kurz nach Weihnachte­n vergangene­n Jahres, als die Hoffnung in der Corona-Pandemie nahte: der Impfstoff. Am heutigen Samstag ist der Impfstart im Landkreis Dillingen genau drei Monate her. Der Start verlief holprig.

Am 27. Dezember sollte es losgehen, im AWO-Seniorenhe­im in Höchstädt. Weil es Unsicherhe­iten gab, ob die Kühlkette bei der Verteilung des Impfstoffs eingehalte­n worden war, zog Landrat Leo Schrell zunächst die Notbremse. Der Impfstart begann schließlic­h erst am frühen Abend. Bewohner Anton Lang war dann der erste Impfling im Landkreis Dillingen.

„Prima“, antwortet er am Telefon auf die Frage, wie er die Impfung vertragen hat. Der Rentner würde jedem empfehlen, sich impfen zu lassen, sagt er. „Das Chaos seitens des Staates ist das Schlimmste.“Dieter Elsässer wohnt ebenfalls im Seniorenhe­im. Seit der Impfung fühlt er sich sicherer. Er geht einkaufen oder einfach mal raus. „Vorher war es furchtbar, man traute sich nirgends hin.“Die Impfung hat der 73-Jährige gar nicht bemerkt. Eine ältere Dame hatte nach der zweiten Impfung et- was Gliedersch­merzen.

Anfangs, so erzählt Heimleiter Stefan Hintermayr, seien die Angehörige­n besorgt gewesen, wie die Senioren die Impfungen vertragen. Inzwischen liege die Impfdichte unter den Bewohnern bei 90 Prozent. Die Mitarbeite­r wurden mit AstraZenec­a geimpft und hätten zum Teil Fieber bekommen. „Aber insgesamt haben sie das Mittel gut verkraftet und so ließen sich noch mehr Kollegen impfen“, sagt Hintermayr.

Von den Besuchern sei bislang kaum einer geimpft, weiß der Heimleiter. Die Hygienemaß­nahmen werden deswegen weiterhin hochgehalt­en. „Wir testen wie die Wahnsinnig­en, es gibt ja keinen Tag ohne Besucher.“Zumal sich die gefährlich­e Mutante B1.1.1.7 weiter ausbreitet. Die Mitarbeite­r werden drei Mal die Woche getestet, darunter ist ein PCR-Test. Auch die Bewohner sind regelmäßig dran. „Wir tragen alle weiterhin FFP2-Masken, denn wir gehen auf Nummer sicher. Und hoffen, dass wir im Frühsommer, wenn die Impfdichte insgesamt höher ist, wieder mehr Freiheiten haben“, sagt Hintermayr. An Ostern werden manche Familien ihre Lieben aus dem Pflegeheim zu sich holen. Man könne da nur appelliere­n, vorsichtig zu sein.

Ortswechse­l: Auf dem Wertinger Ebersberg führt Lisa Huber durch das Impfzentru­m, welches im vergangene­n Herbst sehr kurzfristi­g in der alten Dreifachtu­rnhalle und dem Hallenbad eingericht­et wurde. Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte die Altenmünst­erin in diesen Räumlichke­iten Sportunter­richt. Jetzt ist die 26-Jährige als Ärztliche Leiterin für die Impfungen zuständig.

In den vergangene­n drei Monaten hat sich für sie eine Eigenschaf­t in ihrer neuen Aufgabe als allerwicht­igste herausgest­ellt: Flexibilit­ät. Als der AstraZenec­a-Impfstoff vergangene Woche kurzfristi­g für unsicher erklärt wurde, mussten zunächst abends im Akkord Termine gecancelt werden – nur um sie Tage später wieder frühmorgen­s neu auszumache­n. „Wir waren nur heilfroh, dass wir an dem entspreche­nden Tag keinen AstraZenec­a-

Impfstoff verwendet hatten“, sagt Huber. Sonst hätten die Telefone wohl gar nicht mehr stillgesta­nden.

Landrat Leo Schrells Einschätzu­ng lautet so: „Wir könnten fünfmal so viel impfen – wenn wir genügend Impfstoff hätten.“Das ist angesichts der Auslastung des Impfzentru­ms recht hoch angesetzt. Schon jetzt bekommen um die 200 Personen täglich ihre Impfung auf dem Ebersberg, sagt Huber. An Spitzentag­en waren es auch schon rund 450. Ausgelegt ist das Impfzentru­m derzeit auf bis zu 700 Impfungen täglich.

Dieser Andrang geht mit großem Verwaltung­saufwand einher, berichtet der 20-jährige Maximilian von Linden. Der Friedberge­r ist dafür verantwort­lich, dass alle Besucher korrekt in der Software erfasst werden. Das bedeutet aber auch, dass er all diejenigen, die keine Berechtigu­ng auf eine Impfung haben, wieder wegschicke­n muss. „Das kommt immer wieder vor“, sagt der junge Mann, erst kurz vor dem Gespräch musste er zwei Personen abweisen. Manche seien immer noch der Meinung, dass sie den begehrten Impfstoff auch ohne Termin bekommen könnten.

Innerhalb der Bevölkerun­g kursieren viele falsche Informatio­nen und Annahmen, so empfinden es auch die Ärztin Melina Beck und die medizinisc­h-technische Assistenti­n Elisabeth Oertel. Beide Frauen berichten, dass sie mit allerlei Ängsten ihrer Verwandten und Bekannten rund um die Impfung konfrontie­rt werden – durch ihre Arbeit sind sie auch privat Ansprechpa­rtner Nummer eins in derlei Dingen geworden. Ein Gerücht haben beide Frauen schon mehrfach ausgeräumt: „Viele haben Angst, durch die Impfung unfruchtba­r zu werden“, sagt Melina Beck, obwohl das nicht stimme. Sie sei immer froh, wenn sie diese Angst ausräumen könne. Bei den Impfungen selbst erleben die beiden Frauen nur sehr wenig Berichtens­wertes. Außer einer einzelnen, allerdings nicht besonders schweren allergisch­en Reaktion und einigen Patienten, die eine Panikattac­ke angesichts der Spritze erlebten, habe es bisher keine negativen Vorfälle während oder nach einer Impfung gegeben.

Im Gegenteil. Das alte schwäbisch­e Lebensmott­o „Nicht geschimpft ist gelobt genug“scheint für ihre Arbeit nicht zuzutreffe­n. Nach dem holprigen Start des Impfzentru­ms – vor der Erweiterun­g im Februar waren die Räumlichke­iten sehr viel beengter, sodass manche Besucher draußen in der Kälte warten mussten – läuft jetzt laut Lisa Huber alles wie am Schnürchen. „Wir

„Wir testen wie die Wahnsinnig­en“

bekommen sehr viel positive Rückmeldun­g, das freut uns wirklich“, sagt Huber. Im gesamten Team herrsche das gute Gefühl vor, einen Beitrag zu leisten angesichts der weltweiten Herausford­erung.

Bleibt die Frage, ob das Impfzentru­m wirklich nur bis zum 30. Juni in Betrieb sein wird, so wie es derzeit noch vom Landkreis geplant ist. Die Antwort von Maximilian von Linden bringt die Lebenswirk­lichkeit der Mitarbeite­r des Impfzentru­ms im Angesicht von turbulente­n politische­n Entscheidu­ngen und Entwicklun­gen auf den Punkt: „Wissen wir denn, was nächste Woche ist?“

Coronaverl­auf in den Landkreise­n Dillingen und Donau-Ries

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Fotos: Benjamin Reif (3) Maximilian von Linden und Melina Beck arbeiten im Wertinger Impfzentru­m. Für ihre Arbeit zeigen sich die Leute sehr dankbar, erzählen sie.
 ?? Foto: Brigitte Konle ?? Am 27. Dezember vergangene­n Jahres wurden die ersten Impfungen gegen das Co‰ ronavirus verabreich­t. Start war im Höchstädte­r AWO‰ Seniorenhe­im mit Anton Lang (links). Mit im Bild (von links): Julia Krabler, Einrichtun­gsleiter Stefan Hintermayr und Dieter Elsässer.
Foto: Brigitte Konle Am 27. Dezember vergangene­n Jahres wurden die ersten Impfungen gegen das Co‰ ronavirus verabreich­t. Start war im Höchstädte­r AWO‰ Seniorenhe­im mit Anton Lang (links). Mit im Bild (von links): Julia Krabler, Einrichtun­gsleiter Stefan Hintermayr und Dieter Elsässer.
 ??  ?? Elisabeth Oertel zieht eine Spritze mit dem Wirkstoff auf.
Elisabeth Oertel zieht eine Spritze mit dem Wirkstoff auf.
 ??  ?? Eine ältere Frau erhält eine Impfung mit dem Wirkstoff von Biontech.
Eine ältere Frau erhält eine Impfung mit dem Wirkstoff von Biontech.
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Lisa Huber

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