Von Macht und Machtlosigkeit
Durch das Coronavirus ändert sich schlagartig unser Verhältnis zu Macht – und wir erleben, was Machtlosigkeit wirklich bedeutet. Vor dem März vergangenen Jahres war Jens Spahn als Gesundheitsminister kaum wahrnehmbar, Angela Merkel hatte sich aus der Innenpolitik quasi verabschiedet und die EU werkelte in Brüssel so herum, dass politisch immer ein halbwegs allgemeinverträglicher Durchschnittsbrei herauskam. Das nahm man hin, das war man gewohnt. Die wirklich lebensnahen Entscheidungen fanden in den Stadt- und Gemeinderäten oder im Kreistag statt. Sie wurden gefällt von Personen „zum Anfassen“, tief verwurzelt in den Gemeinden im Landkreis Dillingen von Bächingen bis Lauterbach.
Jetzt erleben wir, dass die höchsten Politiker im Land sich ganz konkret in unsere Lebensplanung einmischen. Wann wir wen sehen, wohin wir fahren, wann unsere Kinder in Schule und Kindergarten dürfen. Unsere Möglichkeiten für die nächsten Tage, wir erfahren sie aus abendlichen Pressekonferenzen.
Dieser Kontrollverlust über das eigene Leben – selbst wenn man zu den Glücklichen gehört, die noch nicht direkt oder indirekt von Coronafällen im nächsten Umfeld betroffen sind – steht im krassen Widerspruch zum Lebensgefühl in unserer Region. Unsere lokale Wirtschaft ist von einer speziell schwäbischen Macher-Mentalität geprägt. Auf Gedeih und Verderb den Entscheidungen aus München, Berlin und Brüssel ausgeliefert zu sein, führt zu immer mehr Frust. Zumal gerade in CDU und CSU das Ausmaß, mit dem sich einige in einflussreichen Positionen an der Krise schamlos bereichert haben, immer deutlicher wird.
In diesen Zeiten müssen wir uns damit abfinden, dass vieles nicht in unserer Macht liegt – und den Blick auf unsere Nächsten richten. Zuversichtlich stimmt die Tatsache, dass bei uns die Verantwortlichen „an vorderster Front“alles in ihrer Macht stehende tun, um die Krise, so gut es geht, einzudämmen.