„Ich war eine kleine Streberin“
Sängerin Maite Kelly über ihre Kindheit als Straßenmusikerin, ihren Glauben und die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche
Dabei habt ihr Kellys von außen doch immer wie ein liebenswert chaotischer Hippie-Haufen gewirkt.
Kelly: Na ja, jeder hatte seine Aufgaben und ohne Disziplin wäre das alles nicht möglich gewesen. Als wir noch Straßenmusik gemacht haben, habe ich für uns alle gekocht, für 18 Leute. Und später, als wir in ganz Europa Konzerte spielten, war ich für die Kostüme verantwortlich, habe gebügelt und alles hingelegt. Zum Glück war ich eine harte Arbeiterin.
Dann ist das heute also ein Klacks für dich?
Kelly: Nein, ein Klacks ist es nie. Als Mutter von drei Kindern und mit meiner Arbeit muss ich wie jede andere Mama vorausschauend planen. Man muss sehr organisiert und pragmatisch sein in dieser Krise. Ich fange lieber zu früh an als zu spät. Meine Straßenkindheit war eine gute Schule für mein Leben heute.
Wie meinen Sie das?
Kelly: Erfolg fliegt einem nicht zu. So eine Karriere, das bedeutet Unermüdlichkeit und Fleiß. Es gehört aber auch dazu, zu wissen, wie man seine Kräfte einteilen muss.
Was sind deine Entspannungsmethoden?
Kelly: Sport, ein heißes Bad und gute Ernährung. Ich habe meine Spa-Rituale und bade zum Beispiel gern mit ätherischen Ölen. Und Sport ist immer ein ganz wichtiger Ausgleich.
Welche Art von Sport machen Sie? Kelly: Tanzen, Laufen, Kampfsport, Yoga, Ballett – der Körper ist sehr vielfältig und deshalb versuche ich, ihn möglichst ganzheitlich zu trainieren. Es kommt auch immer drauf an, was ich gerade brauche. Vor einer Tournee gehe ich viel laufen und singe dabei, um die Kondition hochzuschrauben. Neulich habe ich so gelacht, als ich gesehen habe, wie Miley Cyrus auf dem Laufband rennt und dabei ihre Stimme trainiert. Miley macht das also auch so. Während einer Tournee mache ich eher Yoga und Krafttraining.
Welchen Kampfsport betreiben Sie? Kelly: Thaiboxen. Als junges Mädchen habe ich das vier Jahre lang mit meinen Brüdern gemacht. Das haut richtig gut rein und tut mir gut.
Mindestens so facettenreich wie dein Sportprogramm ist auch Ihr neues Album „Hello!“Musikalisch fällt auf, dass es nicht nach deutschem Schlager,
Dsondern eher nach einer internationalen Pop-Produktion klingt.
Kelly: Die Kompositionen und die Arrangements so hochwertig wie möglich zu machen, ist mir tatsächlich sehr wichtig. Ich mache zwar Schlager, aber der Ansporn ist es, für Qualitätslieder zu stehen. Das heißt, für Lieder, die einfach zugänglich sind und simpel wirken, die du aber auch nach dreitausendmaligem Hören noch gernhast.
Sie schreiben die Songtexte überwiegend selbst. Worauf achten Sie dabei besonders?
Kelly: Jedes Album, das ich schreibe, ist eine Tür in meine Welt und in mein Herz. Meine Musik ist nicht effizienzgesteuert. „Hello!“ist ein Album der Gefühle, ein Album der Sehnsucht. Sie handeln von der Seele, der Sinnlichkeit und der Leidenschaft. Bei aller Leichtigkeit der Musik spürst du zwischen den Zeilen, wie sehr ich es möchte, dass die Zuhörer sich in diesen Songs selbst erkennen, dass sie tief in sich hineinhorchen und auch hineinschauen.
Wie kam es zur Sehnsucht als zentralem Thema auf dem Album? Kelly: Einfach, weil ich eine klare Ehrlichkeit wollte. Ich bin 41 Jahre alt und habe eine unglaubliche Gelassenheit in meinem Leben erreicht. Ich denke, ich bin mittlerweile erwachsen. Ich lasse den Gefühlen freien Lauf und stehe zu allen meinen Emotionen. Die Sehnsucht macht mir keine Angst. Im Gegenteil. Ich umarme sie als einen Teil von mir.
Von Ängsten handelt indes das Stück „Von Mal zu Mal“.
Kelly: Das stimmt. In dem Song spreche ich über dunkle Momente. Ich umarme auch die Angst. Sie ist wichtig, um die Zuversicht zuzulassen.
Muss man im Leben das Dunkle kennen, um auch das Helle wertzuschätzen?
Kelly: Ich bin da nicht so sicher, dass man erst in der Hölle landen muss, um den Himmel zu genießen. Als Katholikin denke ich so nicht. Aber wer ein Leben ohne Schatten sucht, a steigen sie also wieder in den Ferienflieger, um ein paar sonnige Frühlingstage auf Malle zu genießen. Raus aus der deutschen Corona-Tristesse und endlich wieder ein bisschen unbekümmerter leben. Haben wir uns doch alle verdient. Oder? Sicherlich. Wen kotzt nicht die x-te Verlängerung des Lockdowns an? Und nicht wenige von uns mussten in den vergangenen Monaten echt hinlangen – sei es im Pflegedienst eines Krankenhauses oder Altenheimes, an der Supermarktkasse oder als Paketfahrer. Ihnen allen sei ein Urlaub von Herzen gegönnt. Bloß: Muss es so weit weg sein?
Es hat sich doch herumgesprochen, dass nicht wenige Covid-19-Infektionen von Auslandsreisen eingeschleppt worden sind. Wenn in Madrid und Barcelona die Inzidenz durch die Decke geht, wird es die Inseln früher oder später auch treffen. Das Virus hat leider die Eigenschaft, für uns der sucht vergeblich. In jedem Leben gibt es auch Enttäuschungen, Abschiede, Trauer und Herausforderungen. Wenn du jedoch immer darauf wartest, dass das Licht von außen kommt, dann verpasst du die Chance, selbst ein Lichtbringer zu sein.
Sollten Frauen in der katholischen Kirche deiner Ansicht nach generell eine größere Rolle spielen?
Kelly: Frauen spielen in der katholischen Kirche die größte Rolle. Ohne die vielen weiblichen Laien gäbe es die Kirche in dieser Form nicht. Wir sind die Säulen.
Aber halt nicht in Führungspositionen. Kelly: Das wird sich schon von ganz alleine ergeben. Auch in anderen Bereichen hat es ja lange kaum weibliche Führungskräfte gegeben. Aber die Gesellschaft verändert sich. Ich stimme dir jedoch nicht zu, es gibt in der Geschichte der katholischen Kirche Ordensgründerinnen sowie zahlreiche weibliche Heilige, die nicht genug zum Vorschein kamen.
Sie sitzen in der nun zu Ende gehenden Staffel in der Jury von DSDS. Würden Sie in einer solchen Castingshow als Teilnehmerin mitmachen, wenn Sie heute ein Teenager wären? Kelly: Ich glaube schon. Niemand hat etwas zu verlieren, schon gar nicht, wenn man jung ist. Und tatsächlich habe ich nach der Kelly Family jahrelang an Castings teilgenommen, ich habe ja lange im Musicalbereich gearbeitet. Ich finde es nur wichtig, den jungen Menschen nichts vorzumachen. Showbusiness ist ein Knochenjob. Kelly Family war harte Arbeit, doch danach wurde es noch viel härter. Den Regisseuren, die mich kritisch und hart gefordert, aber auch gefördert haben, bin ich heute dankbar.
Wie sehr freuen Sie sich eigentlich dieses Jahr auf Ostern?
Kelly: Wir lieben Ostern. Es sind Tage voller Rituale. Meine Kinder und ich werden virtuell die heilige Messe feiern und dann alle zusammen die Eier suchen, die ich im Garten versteckt habe. wenn es die Lebensumstände zulassen, nicht nach Mallorca fliegen? Oder nach Istrien oder an die Algarve? Denn auch da kann man derzeit hinfahren, ohne nach der Rückkehr in Quarantäne zu müssen. Darüber spricht nur keiner.
Was wird denn da gerade für eine überhitzte Diskussion geführt, die zuweilen mehr Züge einer Neiddebatte hat? Die Aufregung wäre vielleicht weniger groß, wenn wenigstens ein bisschen Urlaub in diesen Tagen auch in Deutschland möglich wäre. Kreative Möglichkeiten dafür gäbe es viele. Doch irgendwann im Lauf des Pandemie-Jahres haben Politiker und Virologen die Länder der Welt neu nach Inzidenzwerten vermessen – und die dazugehörigen Corona-Verhaltensregeln aufgestellt ... All die Mallorca-, Istrien- oder Algarve-Urlauber tun demzufolge nichts Verbotenes. Für alle anderen gilt: Man muss auch mal gönnen können.