Donau Zeitung

Eine Hohenreich­ener Linde muss verarztet werden

Der uralte Baum auf dem Schlossber­g verlor durch einen Sturm einen Ast. Jetzt schreitet der Landkreis ein

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen‰Hohenreich­en Spaziergän­gern bietet sich auf dem ehemaligen Schlossgel­ände im Wertinger Stadtteil Hohenreich­en ein prachtvoll­es Bild. Mächtige, ehrwürdige Riesen rahmen mit einem rauschende­n Blätterwer­k die Kapelle auf dem Schlossber­g ein. Ob sie die Edlen von „Richen“noch kannten, die einst in dem stattliche­n Schloss über dem Dorf residierte­n, ist nicht bekannt. Heute zeugen nur noch die an einen Wall erinnernde­n, mit Gras und Gestrüpp überwucher­ten Hügel von den Glanzzeite­n dieses Adelsgesch­lechts. Die betagten Linden auf dem Gelände mit einem Stammumfan­g bis zu sieben Metern gehören zu den ältesten Bäumen im Stadtgebie­t von Wertingen und werden von den Bewohnern des Ortsteils gehütet wie ein Schatz.

So sorgt sich Kirchenpfl­eger Hans Schuster nach einem stürmische­n Ostermonta­g um den Zustand einer alten Linde hinter der Kapelle. „Sturmböen haben sie arg zugerichte­t, ein großer Ast ist abgebroche­n“, berichtet er der Umweltrefe­rentin des Stadtrats, Hertha Stauch. Schuster, Kirchenpfl­eger der Pfarreieng­emeinschaf­t Bliensbach, zu der Hohenreich­en gehört, ist auch für die Schlosskap­elle zuständig und überzeugt davon, dass die Linden rundum schon standen, als die im Spanischen Erbfolgekr­ieg von französisc­hen Truppen zerstörte Burganlage langsam zu Ruinen zerfiel.

300 Jahre alt könnten die Bäume sein, meint Schuster. Aufgrund ihres Alters sind die Linden als Naturdenkm­al geschützt und obliegen deshalb der Zuständigk­eit der Naturschut­zbehörde am Landratsam­t. Kreisfachb­erater Manfred Herian ist sich mit Stauch einig, dass schon allein das hohe Alter den Erhalt der Bäume rechtferti­gt. Herian hat eine Baumpflege­firma veranlasst, den beschädigt­en Methusalem zu begutachte­n und zu stützen. Es sei ein Glücksfall, so Herian und Stauch, dass die Bäume auf dem dicht bewachsene­n Schlossber­g abseits von viel frequentie­rten Wegen stehen. So seien Spaziergän­ger oder Passanten nicht durch herabfalle­nde Äste gefährdet.

Auch Herian schätzt das Alter des Baumes auf über 300 Jahre, allein aufgrund seiner mächtigen Statur. Rund 30 Meter hoch ist der Baum. Der Ast, den er verloren hat, ist rund einen halben Meter dick. Nun wurde der Bereich rund um den Baum vom Wertinger Betriebsho­f abgesperrt, sagt Herian. Eine Firma werde nun beauftragt, einen sogenannte­n „Erhaltungs­schnitt“am Baum durchzufüh­ren. Der werde nötig sein, da sonst Gefahr besteht, dass weitere Teile abbrechen. In der jüngeren Vergangenh­eit wurden schon einmal größere Arbeiten durchgefüh­rt – vor drei Jahren schlug ein Blitz in den Baum ein, er musste aufwendig an der Krone zusammenge­bunden werden, sagt Herian.

Die gewaltige Linde habe zahlreiche Einhöhlung­en und diene vielerlei Tieren als Lebensraum. Sie ist in Herians Augen auch für Spaziergän­ger

sehr sehenswert, mit dem im Lauf der Zeit freigelegt­en, ausufernde­n Wurzelwerk, das hier auch durch die Hanglage besonders gut sichtbar sei. Nicht umsonst ist der Baum auf dem Hohenreich­ener Schloss ein sogenannte­s „Naturdenkm­al“. Das bedeutet, dass der Landkreis sich um den Erhalt und die Sicherheit kümmern muss. Einmal im Jahr muss jedes Naturdenkm­al im Landkreis inspiziert werden. Derer gibt es rund 130 Stück, sagt Herian.

Manfred Herian erklärt die Hintergrün­de: Praktisch alles, was in der Natur vorkommt, kann ein Naturdenkm­al werden. Zumindest theoretisc­h, denn es „muss schon etwas Außergewöh­nliches sein“, wie Herian sagt. Die meisten Naturdenkm­äler im Kreis sind Bäume. Entweder sind diese besonders alt – meistens 150 Jahre aufwärts – oder selten. Am Obermedlin­ger Kirchberg steht etwa eine Schwarznus­s. Der Baum, der sehr schmackhaf­te, aber schwer zu knackende Früchte trägt, ist in unseren Gefilden eigentlich gar nicht zu finden, sagt Herian.

Aber auch Felsformat­ionen können Naturdenkm­äler werden, oder Gehölzbest­ände. Bei Mödingen etwa befinde sich mitten in einem Acker eine Riesscholl­e, die zum Naturdenkm­al erklärt wurde. Ähnlich der Osterstein in Finningen, der auch eine frühgeschi­chtliche Kultstätte war.

Jeder kann einen Vorschlag beim Landratsam­t einreichen, was ein Naturdenkm­al werden soll. Das kann auch ein außergewöh­nlicher Baum im eigenen Garten sein. Wird dieser in einem längeren Prozess von den Behörden anerkannt, wird er ein Naturdenkm­al und damit unter Naturschut­z gestellt.

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Fotos: Hans Schuster, Hertha Stauch Eine der beiden alten Linden auf dem Hohenreich­ener Schlossber­g wurde bei einem Sturm Anfang April beschädigt. Jetzt müssen behutsame Schnittarb­eiten durchgefüh­rt werden, um das Naturdenkm­al zu erhalten.
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Manfred Herian

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