Donau Zeitung

Demonstrie­ren darf man nur kontaktlos

Bei einer Demo im Dillinger Taxispark fassen sich Teilnehmer an den Händen. Dies hat nun Konsequenz­en für die Organisato­rin

- VON CHRISTINA BRUMMER

Dillingen Dass Demonstrat­ionen gemeinhin dafür genutzt werden, um einer Meinung Ausdruck zu verleihen, ist bekannt. In Corona-Zeiten kommt es jedoch ganz besonders auf die Art der Meinungsäu­ßerung an, und sei sie noch so subtil. Denn auch, wenn sich Menschen versammeln, um gegen geltende Regeln zu demonstrie­ren, müssen sie sich dennoch an eben jene Regeln halten. So will es das Gesetz, in diesem Falle die bayerische Infektions­schutzmaßn­ahmenveror­dnung. Denn, was sonst nicht der Rede wert gewesen wäre, ist in Pandemieze­iten eine Straftat.

Mitte Juli 2020 treffen sich zwischen 30 und 50 Menschen im Dillinger Taxispark zu einer Demonstrat­ion. Organisier­t wird die Demo von den „Corona-Rebellen“. Versammlun­gsleiterin ist an diesem Tag eine 46-Jährige aus Dillingen. Als gegen Ende der Demonstrat­ion eine Rollstuhlf­ahrerin das Wort ergreift und die Demonstrie­renden dazu aufruft, sich an den Händen zu faskommen einige der Teilnehmer dem nach. So auch die 46-Jährige und ihr Mann. Was harmlos klingt, ist in diesen Zeiten jedoch verboten, denn Körperkont­akt soll laut Auflagen strikt vermieden werden. „Die Rednerin sagte, in dieser Zeit von Stress sollten wir tief ein- und ausatmen und wer mag, soll sich an den Händen halten“, sagte die Frau, die zwar ohne Anwalt, aber mit ihrer Traumather­apeutin und vier Unterstütz­ern erschienen war. Einer der Begleiter weigerte sich, im Gerichtsge­bäude eine Maske zu tragen, und wurde daher von der Amtsrichte­rin an einen Fensterpla­tz beordert.

Nach der Demonstrat­ion erreichte die 46-Jährige ein Strafbefeh­l, gegen den sie Einspruch erhob. Dieser wurde jetzt vor dem

Dillinger Amtsgerich­t verhandelt. Die Frau gab an, dass bei anderen Demos die Polizei immer nachgefrag­t habe, ob Menschen, die den Mindestabs­tand nicht einhalten, zu einem Hausstand gehörten. Dies habe die Polizei an diesem Tag jedoch nicht getan. Die Händehalte­r seien aber aus gemeinsame­n Hausstände­n gekommen, so die 46-Jährige. Es seien nur drei Paare gewesen, die sich an den Händen gefasst hätten.

Richterin Gabriele Held ließ das nicht gelten. „Sie als Versammlun­gsleiterin haben bestimmte Rechte und Pflichten. Bei so einer Versammlun­g ist die Polizei nicht in der Lage zu kontrollie­ren, wer zu welchem Hausstand gehört.“

Der Strafbefeh­l lautete auf 30 Tagessätze à 60 Euro. „Wollen Sie Ihren Einspruch zurückzieh­en, was ich Ihnen rate, weil billiger wird’s nicht“, sagte die Amtsrichte­rin. Doch die Dillingeri­n wollte nicht. Daher wurde der Fall weiterverh­andelt.

Geladen war ein Zeuge aus den Reihen der Polizei. „Es waren defisen, nitiv mehr als drei Paare“, sagte der Beamte. Augenschei­nlich seien es aber schon Menschen aus dem gleichen Haushalt gewesen. Geprüft habe er das jedoch nicht.

Für den Staatsanwa­lt war die Sache „relativ klar“: Es sei ein Verstoß gewesen und er sehe keine Zweifel, dass der Polizist die Wahrheit spreche. Zwar sei die 46-Jährige geständig, doch sie zeige auch keine Reue. Daher seien 40 Tagessätze à 65 Euro angemessen. Die Dillingeri­n zeigte sich erschütter­t. Mit zitternden Händen verlas sie vor dem Urteilsspr­uch noch eine Erklärung. Man könne über ihre Beweggründ­e verschiede­ner Meinung sein, die Aktion habe keine Provokatio­n sein sollen, sondern eine Geste der Menschlich­keit.

Das Urteil der Amtsrichte­rin fiel dennoch nicht zugunsten der Dillingeri­n aus. Es blieb bei den 30 Tagessätze­n von jeweils 60 Euro. Jeder dürfe seine Meinung sagen, so die Richterin. Man müsse dabei jedoch nicht gegen Auflagen verstoßen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Die Angeklagte erscheint ohne Anwalt, aber mit Traumather­apeutin vor Gericht

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