Donau Zeitung

Eine brüchige Freundscha­ft

Markus Söder und Sebastian Kurz waren das Traumpaar der deutsch-österreich­ischen Politik. Davon ist seit dem Ausbruch von Corona nicht mehr viel zu sehen. Im Gegenteil

- VON RUDI WAIS

Augsburg Mit Freundscha­ften in der Politik verhält es sich nicht anders als mit Freundscha­ften im richtigen Leben. Auf welchen Freund im Zweifel Verlass ist, zeigt sich häufig erst nach einem schweren Schicksals­schlag oder in einer existenzie­llen Krise. Bei Bayern und Österreich­ern ist es noch etwas komplizier­ter, weil ihre kulturelle Seelenverw­andtschaft gerne als eine Art natürliche Freundscha­ft missversta­nden wird. Dabei steckt in ihr ein gehöriger Schuss Rivalität. Thomas Bernhard, der große Spötter, ließ in seinen „Städtebesc­himpfungen“jedenfalls kein gutes Haar an Bayern, verhöhnte Regensburg als „kalt und abstoßend“, Passau als „widerwärti­g und hässlich“und Augsburg gar als „Lechkloake“. Bruno Kreisky dagegen, der legendäre Kanzler, schwärmte über seine Nachbarn im Norden: „Wenn ich Urlaub mache, fahre ich am liebsten nach Bayern, da bin ich nicht mehr in Österreich und noch nicht in Deutschlan­d.“

Ähnlich ambivalent ist auch das Verhältnis zwischen Markus Söder und Sebastian Kurz. Als der eine im Dezember 2017 Kanzler in Wien wird und der andere keine drei Monate später Ministerpr­äsident in München, scheint das der Beginn einer neuen, wunderbare­n Freundscha­ft zu sein – ein deutsch-österreich­isches Traumpaar, vergleichb­ar allenfalls mit Willy Brandt und Kreisky in den siebziger Jahren. Söder und Kurz eint nicht nur ihre kritische Haltung zu Angela Merkels Flüchtling­spolitik, ihr Gespür für die Trends der Zeit und die extreme mediale Vermarktun­g ihrer selbst. Auch persönlich, erzählt Söder da

hätten sie rasch einen guten Draht zueinander gefunden. Zur Abschlussk­undgebung des CSUWahlkam­pfes lädt er im Oktober 2018 nicht Angela Merkel in den Münchner Löwenbräuk­eller ein, sondern Sebastian Kurz, den „Basti“, den die Parteibasi­s an diesem Abend mit frenetisch­em Beifall feiert. Zu ihm komme keine Bundeskanz­lerin, soll Söder zuvor in kleiner Runde gefrotzelt haben. „Zu mir kommt ein Bundeskanz­ler.“

Eine Pandemie später ist das ehedem so enge Verhältnis zwischen den beiden erkennbar abgekühlt. Hatte sich Söder im vergangene­n Frühjahr noch ein Beispiel am Wiener Modell mit seinen vergleichs­weise zügigen Öffnungen nach dem ersten harten Lockdown genommen, so lässt er heute kaum eine Gelegenhei­t aus, gegen das Krisenmana­gement der Österreich­er zu sticheln – und damit auch gegen Kurz.

Menschen schon nach der ersten Impfung wieder in Restaurant­s, Geschäfte oder Theater zu lassen, wie die Regierung in Wien es plant? „Wir würden das jetzt nicht machen“, sagt Söder, der alles, was ihn am Nachbarlan­d nervt, gerne in ein Wort fasst: Ischgl. Umgekehrt hat Kurz nicht vergessen, mit welcher Verve der bayerische Ministerpr­äsident sich in der Corona-Krise nicht nur gegen das Öffnen der Skigebiete in Österreich gewehrt, sondern seinen Landsleute­n praktisch von einem Urlaub im Nachbarlan­d abgeraten hat: „Für all diejenigen, die sich Österreich als Urlaubsort vorstellen können, kann ich einfach nur sagen: Bayern ist genauso schön. Also wer Österreich genießen will, kann das auch in Bayern tun.“

Im Oktober vergangene­n Jahres treffen sich Söder und Kurz an der Grenze bei Bad Reichenhal­l – und auch wenn beide sich einig sind, dass offene Grenzen auch in schwierige­n Zeiten zu einem gemeinsame­n Europa gehören, geht es doch schon etwas kühler zu zwischen ihnen als bei ähnlichen Gelegenhei­ten zuvor.

Kein Vergleich zu der wie ein Staatsbesu­ch inszeniert­en gemeinsame­n Kabinettss­itzung der bayerische­n und der österreich­ischen Regierung in Linz im Frühsommer 2018, als Kurz und Söder sich für einen härteren Kurs in der Asylpoliti­k starkmache­n. „Die Botschaft war unmissvers­tändlich“, notiert das Magazin News später. „Zwei Macher gegen das Zaudern der wegen ihrer abwägenden Flüchtling­spolitik ungeliebte­n Kanzlerin von Deutschlan­d.“Zwei Jahre später kritisiert Söder, der inzwischen ins Merkel-Lager gewechselt ist, Kurz dafür, dass Österreich keine Flüchtling­e aus dem abgebrannt­en griechisch­en Lager Moria aufnimmt.

Kurz, der konservati­ve Überzeugun­gstäter, und Söder, der programmat­isch eher Flexible: Selbst wenn es in der Sache jetzt häufiger knirscht zwischen ihnen, hat die Methode Kurz für Söder offenbar nichts von ihrer Faszinatio­n verloren. Als er nach der Kanzlerkan­didatur der Union greift, argumentie­rt er nicht anders als Kurz bei seinem Aufstieg an die Spitze der konservati­ven österreich­ischen Volksparte­i, die er im Wahlkampf plakativ als „Liste Kurz“antreten lässt, ganz auf die Person des Spitzenkan­didamals, ten zugeschnit­ten: Wer, wenn nicht ich? „Heute ziehen die Kandidaten die Parteien und nicht umgekehrt“, sagt Söder, der seine Partei ähnlich rigoros führt wie Kurz die ÖVP. Und wie Kurz orientiert auch er sich stark an den Ergebnisse­n der Meinungsfo­rscher, nach denen es eigentlich nur einen Kanzlerkan­didaten geben kann – nämlich ihn.

Armin Laschet symbolisie­rt für Söder das politische Hinterzimm­er, das in die Jahre gekommene Establishm­ent, das Primat der Altvordere­n, wenn man so will. Kurz dagegen steht für einen neuen Politiksti­l, ein neues Verständni­s von innerparte­ilicher Demokratie auch, das seine Fans für modern halten, seine Kritiker aber für autoritär. Anders als in Österreich, wo die Volksparte­i vor der Übernahme durch Kurz in Trümmern liegt und anschließe­nd einen furiosen Wahlsieg einfährt, führt in Deutschlan­d allerdings kein Weg zu einer „Liste Söder“oder einem auch nur ansatzweis­e vergleichb­aren Projekt. Dazu sind die Beharrungs­kräfte der Etablierte­n in der CDU dann doch zu stark. Anders als Söder, frotzelt die Welt nach der verlorenen Schlacht, „gewinnt Kurz die Kämpfe, die er führt“.

Übereinand­er reden beide nicht mehr so häufig – und offenbar auch nicht mehr so gerne miteinande­r. Gemeinsame öffentlich­e Auftritte? Fehlanzeig­e, vermutlich nicht nur coronabedi­ngt. In der nächsten Woche allerdings wird Sebastian Kurz zumindest virtuell wieder einen Fuß nach Bayern setzen – ein mittelstän­discher Verlag mit Sitz am Tegernsee verleiht ihm einen Medienprei­s. Auf der Liste der geladenen Gäste steht auch Markus Söder.

Zwei Macher gegen Merkel

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Foto: Sven Hoppe, dpa Grüß Gott, Herr Nachbar: So freundscha­ftlich wie auf diesem Bild geht es zwischen Markus Söder und Sebastian Kurz inzwischen nicht mehr zu. Das liegt, vor allem, am Um‰ gang mit den Folgen der Pandemie.

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