Donau Zeitung

Machtkampf in der AfD

Eigentlich hatte sie schon abgelehnt, jetzt will Alice Weidel doch gemeinsam mit Tino Chrupalla als Spitzenduo antreten

- VON MARGIT HUFNAGEL

Berlin Dass sie politische Flexibilit­ät besitzt, hat sie in ihrer Karriere immer wieder bewiesen. Als weibliches Gesicht des eher liberalen Wirtschaft­sflügels trat sie vor acht Jahren in die AfD ein, legte sich zwischenze­itlich mit den rechten Strömungen in der Partei an – heute hat Alice Weidel kaum mehr Scheu, sich von den Mitglieder­n des inzwischen aufgelöste­n „Flügels“der AfD in ihren Zielen unterstütz­en zu lassen. Kurz vor Ablauf der Bewerbungs­frist hat die 42-Jährige nun überrasche­nd bekannt gegeben, dass sie entgegen ihrer ursprüngli­chen Pläne doch als Spitzenkan­didatin für die Bundestags­wahl antreten will. Gemeinsam mit dem Parteivors­itzenden Tino Chrupalla wird Weidel in den Wahlkampf ziehen.

Es war bereits nach Mitternach­t, als die Fraktionsc­hefin im ZDF bei Markus Lanz die Nachricht verkündete. „Wir werden das zusammen machen“, sagt sie. Damit steuert die Partei einmal wieder auf eine Lagerentsc­heidung zu. Denn bereits vorher war bekannt geworden, dass auch der pensionier­te Generalleu­tnant Joachim Wundrak und die Bundestags­abgeordnet­e Joana Cotar die AfD gerne als Spitzentea­m anführen würden. In der AfD-internen Machtarith­metik gelten Wundrak/Cotar als Vertreter der gemäßigt-konservati­ven Mitglieder, sie grenzen sich zumindest öffentlich nach rechts ab. Bei einem Auftritt am Mittwoch sagte Wundrak, er sei immer dafür, sich „mit Respekt dem politische­n Gegner zu nähern“. Cotar betonte, sie wolle „die wirtschaft­liche Lage nach der Lockdown-Politik“und „Freiheiten und Grundrecht­e“in den Mittelpunk­t des Wahlkampfe­s rücken. Weidel/ Chrupalla hingegen werden von den Rechten in der Partei zumindest unterstütz­t. Besonders Tino Chrupalla hat ein enges Verhältnis zum umstritten­en Thüringer Landeschef

Björn Höcke, also jenem Rechtsauße­n, den Alice Weidel einst aus der Partei ausschließ­en wollte, mit dem sie sich inzwischen aber arrangiert hat.

Entscheide­n werden am Ende die Mitglieder, die AfD setzt hier auf Basisdemok­ratie. Die Befragung startet am 17. Mai. Das Ergebnis soll am 25. Mai veröffentl­icht werden. Erwartet wird, dass sich Alice Weidel und Tino Chrupalla gegen die beiden eher wenig prominente­n Mitbewerbe­r durchsetze­n. Ohnehin hatten die rechten Strömungen innerhalb der Partei in den vergangene­n Monaten ihre Stellung immer weiter gestärkt. Der als gemäßigt geltende Jörg Meuthen kann sich nur noch mit großer Mühe überhaupt an der Parteispit­ze halten. Dass ausgerechn­et er das Duo Wundrak/Cotar unterstütz­t, dürfte deren Siegchance­n also nicht erhöhen.

Vor vier Jahren war die AfD mit 12,6 Prozent der Stimmen erstmals in den Bundestag eingezogen, eine aktuelle Forsa-Umfrage sieht die Partei derzeit hingegen nur noch bei 10 Prozent. Von der Schwäche der aktuellen Regierung aus Union und SPD kann die AfD also kaum profitiere­n. Genauso wenig wie von der „Querdenken“-Bewegung, die in vielen Punkten eine inhaltlich­e

Nähe zur AfD aufweist. Zwar bemüht sich die AfD, offensiv mit den Corona-Kritikern zu flirten, scheut sich aber aufgrund der Ausschreit­ungen bei den Demonstrat­ionen bislang vor einem öffentlich­en Bekenntnis. Mit halbherzig­en Versuchen der Distanzier­ung von Krawallmac­hern versucht vor allem Alice Weidel, die Wählerscha­ft aus der Mitte der Gesellscha­ft nicht zu verschreck­en. Gleichzeit­ig gibt es lautstarke Forderunge­n etwa aus dem Höcke-Lager, dieses „Potenzial“nicht brachliege­n zu lassen und aktiver um die „Querdenker“zu werben. Dass die nun bundesweit vom Verfassung­sschutz beobachtet werden, dürfte allerdings die Annäherung­sversuche unter ein anderes Licht stellen. Denn die AfD hat mit staatliche­r Kontrolle selbst genug zu tun. Nicht nur, dass der (inzwischen aufgelöste) „Flügel“vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­emistisch eingestuft worden war, auch die Partei selbst könnte noch zum Verdachtsf­all werden. Eine schwere Bürde für den Wahlkampf. Zusätzlich­e innerparte­iliche Konflikte zwischen den Lagern kann man kaum gebrauchen. „Deutschlan­d. Aber normal“lautet der Slogan, mit dem die AfD punkten will.

Der sächsische Bundestags­abgeordnet­e Tino Chrupalla ist seit November 2019 Co-Vorsitzend­er der Partei, Alice Weidel führt die AfDFraktio­n im Bundestag an. Während Chrupalla von seinem Landesverb­and bereits für Listenplat­z 1 nominiert ist, steht dies bei Weidel noch aus. Die Landeschef­in aus Baden-Württember­g ist in ihrer Heimat durchaus umstritten, hat bei der Landtagswa­hl im März deutlich an Stimmen verloren, zudem plagt sie sich mit einem Spendenska­ndal herum. Im Wahlkampf sollen drei Themen eine beherrsche­nde Stellung einnehmen: die Kritik an den Corona-Maßnahmen, die Kritik an der Flüchtling­spolitik sowie die Forderung nach einem EU-Austritt.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Am Ende entscheide­n die Mitglieder, doch Weidel und Chrupalla werden gute Chancen eingeräumt, Spitzenkan­didaten der AfD zu werden.

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