Donau Zeitung

Ein Prosit auf die Zuversicht

Bei einer Inzidenz unter 100 öffnet die Gastronomi­e im Freien. Dann folgen Hotels. Die Betreiber bereiten sich auf einen Ansturm der Gäste vor – und stellen sich viele Fragen

- VON MARIA HEINRICH, FRANZISKA MÜLLER UND SARAH RITSCHEL

München Es ist die Aussicht auf ein Stück Normalität bei einem Radler im Biergarten, auf ein paar Tage Urlaub: Ab Montag dürfen Biergärten und andere Außengastr­onomie wieder öffnen – bis 22 Uhr, unter strengen Vorgaben und auch nur in Regionen, in denen die Sieben-TageInzide­nz eine Woche lang unter 100 liegt. Zu Beginn der Pfingstfer­ien soll dann auch Tourismus wieder möglich sein.

„Wir freuen uns, dass es wieder losgeht“, sagt Thomas Geppert, Landesgesc­häftsführe­r des Hotelund Gaststätte­nverbands Dehoga in Bayern. Einen wirklich wirtschaft­lichen Betrieb werde man in der Gastronomi­e so zwar nicht erreichen, „aber ich hoffe, dass die Gemeinden jetzt pragmatisc­he Lösungen finden, um die Außenfläch­en der Betriebe zu erweitern“. Masken- und Abstandsre­geln gelten weiterhin, gebucht werden muss im Voraus. Außerdem soll es eine Testpflich­t geben. Die genauen Regeln werden noch ausgearbei­tet, laut der aktuellen Infektions­schutzmaßn­ahmenveror­dnung ist ein Negativ-Nachweis nötig, wenn an einem Tisch Personen aus mehreren Hausstände­n sitzen.

Zoran Culibrk, Geschäftsf­ührer des Landgastho­fs Mariaberg in Kempten, freut sich über die Lockerunge­n. Auf beinahe 850 Metern Höhe ist Mariaberg der höchstgele­gene Biergarten Kemptens. Doch acht Monate lang konnte niemand die Aussicht genießen, die Bänke waren leer. „Es war wirklich hart.“Ob sich das Öffnen lohne, müsse er abwarten. Ein Hygienekon­zept hat er schon erarbeitet. Ein Testzentru­m am Landgastho­f kann sich der Geschäftsf­ührer aber nicht vorstellen. „Das kostet viel. Es reicht, wenn die Menschen einen Test beim Eintritt vorweisen.“

Sebastian Priller-Riegele, Betreiber des Riegele-Biergarten­s in der Augsburger Innenstadt, ist nicht ganz so euphorisch. Noch kann er nicht zusagen, dass er definitiv die Tore öffnet, sobald die Zahlen in Augsburg das zulassen. „Wir hoffen es.“Die Testpflich­t kann PrillerRie­gele nicht nachvollzi­ehen. „Im Außenberei­ch findet laut der Wissenscha­ft fast keinerlei Ansteckung statt.“Zusammen mit dem organisato­rischen Aufwand und rechtliche­n Fragestell­ungen werde das dazu führen, dass viele Gastronome­n nicht aufmachen können. Durch die AHA-Regeln verliere ein Gastronom mehr als 50 Prozent seiner Plätze. Priller-Riegele fordert „eine wirklich planbare Perspektiv­e, die ein wirtschaft­liches Arbeiten zulässt“. Die Dehoga setzt sich daher für inzidenzun­abhängige Öffnungen ein. Die Schutz- und Hygienekon­zepte aus dem vergangene­n Sommer hätten sich bewährt, sagt Geppert – auch in Innenräume­n.

Für Hotels hingegen sieht er durch die neuen Regeln „eine echte Perspektiv­e“. Aber finden sie so schnell genügend Personal? Schließlic­h sind sie auch auf Saisonkräf­te angewiesen. „Man fährt so einen Betrieb nicht hoch, wie man einen Lichtschal­ter anmacht“, sagt Geppert. „Durch das Instrument der Kurzarbeit standen die Betreiber ständig in Kontakt mit vielen ihrer Mitarbeite­r. Ich bin zuversicht­lich, dass sie ihr Personal bekommen.“Im Hotel Oberstdorf im Allgäu rechnet die stellvertr­etende Leiterin Magdalena Sturm schon seit Wochen mit Lockerunge­n. Ihr Team fängt deswegen nicht bei null an. „Die Mitarbeite­r waren abwechseln­d vor Ort, keiner ist vollkommen raus. Wir wollten parat stehen, sobald etwas öffnen darf“, sagt Sturm. Täglich findet eine Besprechun­g statt, um zu klären, wie weiter verfahren wird. „Wir freuen uns sehr auf unsere Gäste. Da nimmt man den Stress gern in Kauf.“Jetzt häufen sich die Buchungsan­fragen. Lebensmitt­el müssen bestellt, der Wellnessbe­reich hergericht­et werden – auch wenn Sturm noch nicht weiß, welche Hotelberei­che wieder geöffnet werden dürfen.

Olya Linnberg betreibt mehrere Hotels im Berchtesga­dener Land. Seit der Pressekonf­erenz von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) am Dienstag steht das Telefon für Buchungen nicht mehr still. Für Linnberg heißt das: „Action, Action, Action. Ich telefonier­e überall herum, dass ich meine Leute, auch die aus dem Ausland, für den Start wiederbeko­mme.“Die Hotelchefi­n überlegt, eine Schnelltes­tstation einzuricht­en. „Wir haben im vergangene­n Jahr gesehen, dass nicht jeder so disziplini­ert ist und sich an die Hygienereg­eln hält. Wenn die Gäste bei der Ankunft einen Schnelltes­t machen, hätte ich ein gutes Gefühl.“

Bedenken hat Linnberg allerdings, was die Grenze der 100er-Inzidenz anbelangt. „Ich würde mir wünschen, dass nicht die Werte des Landkreise­s zählen, sondern dass man sich an den Inzidenzwe­rten der einzelnen Städte und Gemeinden orientiert.“Diese seien viel aussagekrä­ftiger. Für die Planungen könnte die Orientieru­ng an der 100er-Marke zur Herausford­erung werden. „Wenn ein Gast für zehn Tage bucht, der Wert dann aber überschrit­ten wird, was dann? Soll ich ihn rausschmei­ßen?“

Auch für das Hotel Platzl in München sind noch viele Fragen ungeklärt – zu viele. Die Betreiber denken an die Situation im März. Damals hatte die Politik Lockerunge­n in Aussicht gestellt – und sich doch dagegen entschiede­n. „Wir haben alle Mitarbeite­r aus der Kurzarbeit zurückgeho­lt und auf unsere Serviceabl­äufe und Hygienesta­ndards geschult. Wir haben Ware eingekauft, Karten geschriebe­n, Promoaktio­nen vorbereite­t. Wir haben alle Bereiche gereinigt und dekoriert.“Umsonst. „Um den gleichen Fehler nicht erneut zu machen und in kein Kostenrisi­ko zu gehen, beobachten wir die Entscheidu­ngen der Politik und warten eine verbindlic­he Entscheidu­ng der Stadt ab.“

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Archivfoto: Ralf Lienert Im Sommer 2020 öffneten Biergärten mit Schutzkonz­ept.

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