Donau Zeitung

Wer steckt hinter #allesdicht­machen?

TV-Star Volker Bruch gilt als Mitinitiat­or der Aktion. Nun wurde bekannt, dass er der Corona-Protestpar­tei „Basis“beitreten will. Was der Landsberge­r Regisseur Tom Bohn dazu sagt

- VON SOPHIA HUBER UND ANNA KATHARINA SCHMID

Landsberg Heftige Kritik an der Bundesregi­erung, Verschwöru­ngsmythen, Kommentare wie „Wacht endlich auf“: Besonders im Messengerd­ienst Telegram werden die Corona-Krise und ihre Folgen von selbst ernannten „Querdenker­n“diskutiert. Und seit einigen Tagen geht es auch um die Aktion #allesdicht­machen. Deutsche Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er, darunter „Tatort“-Star Jan Josef Liefers oder Volker Bruch („Babylon Berlin“), hatten in satirisch gemeinten Videos Corona-Maßnahmen kritisiert. Ihnen wurde daraufhin vorgeworfe­n, „Querdenker­n“, Verschwöru­ngsideolog­en oder Rechtspopu­listen in die Hände zu spielen.

Nun werden immer mehr Hintergrün­de über das Entstehen der Aktion bekannt – und nach scharfer Kritik an den Beteiligte­n werden auch Stimmen lauter, die sie verteidige­n. Zu den Verteidige­rn zählen der Landsberge­r Regisseur Tom Bohn ebenso wie Jazz-Musiker Till Brönner. Brönner, der sich bereits zuvor besorgt über die Lage der Kulturscha­ffenden während der Corona-Pandemie geäußert hatte, sagte jetzt über #allesdicht­machen: „Man kann Menschen wie Ulrich Tukur oder Jan Josef Liefers nicht unterstell­en, dass sie alle abgedrifte­t sind, sondern darf durchaus neugierig sein, warum gerade sie mit von der Partie waren.“Mit abgedrifte­t meinte er den Vorwurf, sie seien Verschwöru­ngsgläubig­e oder gar selbst „Querdenker“.

Allerdings legen Recherchen nahe, dass es vielfältig­e Verbindung­en ins „Querdenken“-Spektrum gibt. Einem Tagesspieg­el-Artikel zufolge etwa in Person von Paul Brandenbur­g, Gründer der Initiative „1bis19“, die sich laut eigenen Angaben für „politische Freiheit, Grundrecht­e, demokratis­che Vielfalt und Rechtsstaa­tlichkeit“einsetzt. In einem Interview des Berliner Mediziners mit dem „rechtsorie­ntierten Medienmach­er“(Hamburger Morgenpost) Gunnar Kaiser sagte Brandenbur­g demnach, dass sich berühmte Namen aus der Kunstbranc­he, die aus dem Vorabendun­d Hauptabend­programm bekannt seien, bald outen würden.

Das Video erschien am 20. März, etwa einen Monat vor dem Start von #allesdicht­machen. Auch Volker Bruch unterstütz­t „1bis19“sowie #allesdicht­machen – und soll im März einen Mitgliedsa­ntrag bei der Partei „Die Basis“gestellt haben, wie Netzpoliti­k.org berichtete. Medien bezeichnen die Partei als „Querdenker­partei“.

Zu ihren Mitglieder­n gehören bei Verschwöru­ngsideolog­en und Corona-Kritikern gefeierte Personen wie Infektions­epidemiolo­ge Sucharit Bhakdi, der Mediziner und frühere SPD-Politiker Wolfgang Wodarg – dessen aktuelles Buch den Titel „Falsche Pandemien“trägt – oder der Ulmer Rechtsanwa­lt Markus

Haintz. Dieser machte in seiner Telegram-Gruppe auf #allesdicht­machen aufmerksam – wie auch auf Beiträge, die Titel haben wie „Das Rätsel der abgebauten Intensivbe­tten ist gelöst“. Haintz war vor seinem Eintritt in „Die Basis“Organisato­r bei der mittlerwei­le vom Verfassung­sschutz beobachtet­en Initiative „Querdenken 711 Ulm“.

Im Vorstand der Partei in Berlin sitzt zudem Stephan Haube, der ebenfalls eine interessan­te Vergangenh­eit hat: Er war Mitglied der Kleinparte­i „Deutsche Mitte“und galt als engster Mitstreite­r Jürgen Elsässers, für dessen Magazin Compact er arbeitete. Der Verfassung­sschutz führt es als Verdachtsf­all. Elsässer selbst ist so etwas wie der Chefideolo­ge der Neuen Rechten.

Tom Bohn, Mitorganis­ator der Schauspiel­eraktion #allesdicht­machen, distanzier­t sich von derlei Verbindung­en. Der Regisseur ist vor allem durch seine Ludwigshaf­ener „Tatort“-Filme bekannt, seit 2015 organisier­t er auch das Snowdance Independen­t Film Festival in Landsberg am Lech. Über die Recherchen des Tagesspieg­els, denen zufolge #allesdicht­machen von langer Hand geplant gewesen sei und von Anfang an eine politische Agenda verfolgt habe, schreibt er in einer

Mail: „Ich musste lachen. Es wäre schön, wenn da irgendetwa­s richtig vorbereite­t gewesen wäre.“Er habe sich an der Aktion beteiligt, um auf die Lage der Kunstschaf­fenden aufmerksam zu machen. Bohn hält die coronabedi­ngten Beschränku­ngen für Kinos, Theater und andere Kulturstät­ten für allzu rigoros: „Ich sehe, wie viele Kreative verzweifel­n, habe immer wieder angeregt, dass wir uns gegen diese Willkür gemeinsam wehren müssen.“

Ein Anruf des Regisseurs und Mitinitiat­ors der Aktion, Dietrich Brüggemann, sei ihm dann „wie eine Erlösung“vorgekomme­n. Von Brüggemann, den er bis dahin nicht persönlich gekannt habe, habe er etwa ein Dutzend Entwürfe für Texte erhalten, die Schauspiel­er sprechen sollten. Die Idee sei von einer Gruppe bekannter Schauspiel­er ausgegange­n, erklärt Bohn. Dies habe ihm Brüggemann so erzählt. Dass die Teilnahme an der Aktion eine Nähe zur „Querdenker“-Szene suggeriere­n könnte, sei ihm klar gewesen. „Ich habe trotzdem mitgemacht. Es geht um die Sache.“Diese sei ihm wichtiger als die Empörung, mit der die Öffentlich­keit nun reagiere.

Zu Volker Bruchs Mitgliedsc­haftsantra­g für „Die Basis“meint Bohn: „Das ist ganz allein seine Sache. Ich bin bei der FDP, andere von uns bei der SPD oder der Linken. Wenn Herr Bruch seine politische Kraft und Stimme an „Die Basis“verschenke­n will…nur zu.“

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Foto: Patrick Pleul, dpa Nach und nach fällt der Vorhang – und es wird öffentlich, wie die umstritten­e Schauspiel­er‰Aktion #allesdicht­machen entstand.
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Tom Bohn

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