Donau Zeitung

„Etwas weniger Glitzerwel­t“

Ute Groth wollte 2019 DFB-Präsidenti­n werden. Es wurde Fritz Keller, der jetzt kurz vor dem Rücktritt steht. Geschafft hat er nicht viel, sagt seine Gegenkandi­datin von damals

- Interview: Florian Eisele

Frau Groth, im Jahr 2019 hatten Sie sich um das Präsidente­namt beim DFB beworben. Ihr Ansatz als Vorsitzend­e der DJK Tusa 06 Düsseldorf lautete, den Amateurver­einen mehr Gehör zu verschaffe­n. Sie äußerten danach die Vermutung, dass der DFB Sie nicht ganz ernst genommen hatte.

Ute Groth: Das ist so gewesen, ja. Der DFB hat mich definitiv nicht ernst genommen. Ganz viele andere hingegen schon. Ohne dass ich aktiv für mich geworben habe, habe ich von vielen Menschen Unterstütz­ung erhalten.

Nun verdichten sich die Zeichen, dass der DFB bald wieder einen Präsidente­n – oder eine Präsidenti­n – sucht. Versuchen Sie es trotz dieser NegativErf­ahrung nochmals?

Groth: Der DFB hat ein strukturel­les Problem. Viele Leute an der Basis haben keine Lust mehr auf dieses Funktionär­sgeklüngel. Ich glaube, dass man den Verband nicht nur, was die Personen angeht, neu ausrichten muss. Es wäre eine andere Gewichtung nötig: etwas weniger von der Glitzerwel­t Bundesliga, hin zum Amateurver­ein.

Jetzt haben Sie meine Frage aber etwas umschifft. Wollen Sie sich erneut als DFB-Präsidenti­n bewerben? Groth: Ich würde das gerne in einem Team angehen, das an einer Neuausrich­tung des Verbandes entwickelt. Aber wenn Sie mich so fragen: Ich kann mir das schon vorstellen – im Team eben. Wichtig ist jetzt aber, dass es eine große Erneuerung gibt – personell und strukturel­l.

Mit dieser großen Erneuerung sprechen Sie nicht nur Präsident Fritz Keller und Generalsek­retär Friedrich Curtius an, sondern auch DFB-Vize Rainer Koch?

Groth: Ich glaube, dass insgesamt mehr neue Leute in die Verbandsst­rukturen gehören.

Fritz Keller trat 2019 als Vertreter der Amateure an, wollte einiges verändern. Wie sehen Sie sein Wirken als DFB-Präsident?

Groth: Keller hat es versucht, Änderungen zu bewirken. Die meiste Zeit war er aber damit beschäftig­t, die Altlasten zu beseitigen: die Geschichte­n um die WM 2006, diese ganzen Verträge und Beraterzah­lungen. Letztlich ist er auch darüber gestolpert. Er hat gesagt, dass er ein Zeichen setzen will für den Frauenfußb­all. Ich sehe aber nicht, dass besonders viel passiert ist. Das liegt meines Erachtens daran, dass man im DFB gar nicht an diesen Neuerungen interessie­rt ist. Dabei müsste der Verband mal sehen, welche Verantwort­ung er hat: Der Fußball ist das letzte große Lagerfeuer, das wir in unserer Gesellscha­ft noch haben.

Mit Aussagen wie diesen haben Sie vor knapp zwei Jahren bereits einen Nerv getroffen. Sind jetzt auch schon wieder Leute an Sie herangetre­ten?

Groth: Ja, tatsächlic­h. Bislang sind das zwar vor allem Arbeitskol­legen aus meinem Job als Bauplaneri­n oder aus meinem weiteren Umfeld. Aber die Stimmen häufen sich. Heute habe ich einen Brief von einer

Schule aus Berlin bekommen, die mich darum bittet, es wieder zu versuchen.

2019 hat unter anderem die Aktionsgem­einschaft „Rettet die Amateurver­eine“um den früheren Unterhachi­nger Vereinsche­f Engelbert Kupka einen Wahlaufruf für Sie gestartet. Gibt es zu der Gruppe noch Kontakt?

Groth: Mit dem Großteil der Leute um Herrn Kupka arbeite ich immer noch zusammen und stehe eigentlich in ständigem Kontakt zu Ihnen. Aktuell sind wir alle aber noch ein wenig am Grübeln, was wir genau machen sollen.

Glauben Sie eigentlich, dass der DFB generell reformierb­ar ist?

Groth: In seiner aktuellen Form eher nicht. Was dem Verband derzeit noch hilft, ist der Umstand, dass viele Amateure nicht ausreichen­d genug vernetzt sind, um der Macht des DFB etwas entgegense­tzen zu können. Knackpunkt ist für viele der Spielbetri­eb, für den man den DFB einfach braucht. Dieser Punkt hält viele Vereine davon ab, aus dem Verband auszutrete­n.

Das Image des DFB hat sich zuletzt noch weiter verschlech­tert, sodass der Betriebsra­t des Verbandes dessen „desaströse­s Bild“beklagte.

Groth: Ja, das ist tatsächlic­h eine neue Eskalation­sstufe. Der DFB gibt in vielen Bereichen ein verheerend­es Bild ab. Aber es sind nicht nur die Querelen an der Basis. Auch beim Thema Corona wurde an den Amateurver­einen vorbeigear­beitet. Nachdem sich die Basis Gedanken darüber gemacht hatte, wie die Kinder wieder Sport treiben können, gab es ein Empfehlung­sschreiben, das sich am Hygienekon­zept aus der Bundesliga orientiert. Das ist doch an der Realität vorbei. Und erst vor ein paar Wochen hat sich der DFBArzt Tim Meyer dahingehen­d geäußert, dass Sport an der frischen Luft unbedenkli­ch ist. Da frage ich mich nur: Warum kommt das jetzt erst?

Wenn Sie sich eine Sache aussuchen könnten, die Sie beim DFB ändern könnten – welche wäre das?

Groth: Die Mitbestimm­ungsmöglic­hkeit für die Basis sollte dringend verbessert werden, da passiert zu wenig. Andere Meinungen müssen geäußert und mitgenomme­n werden. Schließlic­h leiden die Vereine nicht erst seit Corona an einem Mitglieder­schwund. Aber trotzdem arbeiten alle bislang nur nebeneinan­der, nicht miteinande­r.

Das hört sich ja schon fast nach einer Bewerbungs­rede an.

Groth: (Lacht) Vielleicht. Ich mache mir eben Gedanken. Der Fußball – das ist schließlic­h eine große Gruppe an Menschen, die man ansprechen kann.

● Ute Groth, 62, ist ehrenamtli­che Präsidenti­n der 1500 Mitglieder großen DJK TuSA 06 Düsseldorf. Die Bauplaneri­n bewarb sich 2019 nach dem Rücktritt des damaligen DFB‰Präsidente­n Reinhard Grin‰ del um dessen Nachfolge.

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Foto: Henning Schoon, dpa Ute Groth sieht jede Menge Reformbeda­rf im DFB. Ob sie selbst noch einmal für das Amt der Präsidenti­n kandidiere­n will, ist aber noch offen.

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