Donau Zeitung

Nazipropag­anda im Klassencha­t vor Gericht

Ein 19-Jähriger aus dem Kreis verschickt Bilder mit rechtsradi­kalen Botschafte­n. Dafür muss er sich nun in Dillingen verantwort­en

- VON CHRISTINA BRUMMER

Dillingen Ein Bild von Rauchwolke­n, darauf die Botschaft „jüdisches Familienfo­to“. Bilder von Hakenkreuz­en und mit geschmackl­osen HitlerWitz­en. „Da kommt’s einem hoch“, sagte Richterin Gabriele Held an den Angeklagte­n gewandt. „Rassistisc­her, menschenve­rachtender Dreck der übelsten Sorte“waren die Worte, die der Staatsanwa­lt für die Bilder fand, die im November 2019 in der Whatsappgr­uppe einer Berufsschu­lklasse verschickt wurden. Die Bilder landeten jedoch nicht nur bei den Mitschüler­n, sondern auch bei der Staatsanwa­ltschaft Augsburg. Und die erhob Anklage gegen einen 19-Jährigen aus dem Landkreis Dillingen, der zahlreiche Bilder geteilt hatte. Er musste sich jetzt vor dem Dillinger Amtsgerich­t wegen Volksverhe­tzung und Verstoßes gegen das Waffengese­tz verantwort­en. Der Angeklagte hatte neben dem Schornstei­nfoto auch noch weiteres rechtsradi­kales, frauenfein­dlichporno­grafisches sowie antisemiti­sches Material an seine Klassenkam­eraden verschickt. Als man das Zimmer des 19-Jährigen durchsucht­e, fand die Polizei zudem einen selbst gebauten Wurfstern.

„Die pornografi­schen Inhalte sind Teil der Anklage, weil manche der Chatteilne­hmer minderjähr­ig waren“, sagte Richterin Held bei der Verhandlun­g. Der 19-Jährige hatte die Tat vor dem Gerichtste­rmin bereits gestanden. Die Stimmung habe sich im Chat hochgescha­ukelt, sagte er aus. „Da schickt der eine was, dann der andere, und ich hab dann auch was geschickt.“– „Aber wie kommt man dazu, solche Bilder zu verschicke­n?“, wollte die Richterin von dem Auszubilde­nden wiederholt wissen. „Dummheit“, ist die knappe Antwort. Den Wurfstern habe er von einem Kumpel mitgenomme­n. Rechtsradi­kale Einstellun­gen habe er damals nicht gehabt und habe er auch heute nicht. Zu einer ähnlichen Einschätzu­ng kommt auch Stefanie Berroth von der Jugendhilf­e

im Strafverfa­hren, einer Einrichtun­g des Jugendamte­s. „Da schickt einer ein blödes Bild und der nächste möchte den übertrumpf­en.“Es entstehe in solchen Chats manchmal eine Gruppendyn­amik, die solche Vorfälle befeuere.

Der Angeklagte beteuerte, dass es auch in seinem Umfeld keine rechtsradi­kalen Tendenzen gebe. Seine Oma habe ihm bereits gehörig den Kopf gewaschen, als sie von den Bildern erfahren habe, so der 19-Jährige. Der junge Mann lebt bei seinen Großeltern, denn das Verhältnis zu seiner Mutter und dem Stiefvater sei schlecht, so Berroth. In seiner Kindheit habe er Schläge bekommen und wenig Unterstütz­ung erfahren. Berroth brachte den verpflicht­enden Besuch der KZ-Gedenkstät­te Dachau als erzieheris­che Maßnahme ins Spiel. Dort gebe es spezielle Einzelführ­ungen für Jugendlich­e mit rechtsradi­kalen Tendenzen.

Verteidige­r Klaus Eickelpasc­h betonte, dass es in der Schullaufb­ahn des 19-Jährigen keinen verpflicht­enden Besuch einer KZ-Gedenkstät­te gegeben hatte, er begrüße daher den Vorschlag eines Pflichtter­mins in Dachau. Der Rechtsanwa­lt verwies auch auf die fehlende Reife des Angeklagte­n, der bei der Tat 18 Jahre alt gewesen ist. Zudem seien die Bilder zwar geschmackl­os, aber auch nicht „ganz besonders ekelhaft“. Eine Zuwendung an die Gedenkstät­te von 150 Euro sei ausreichen­d.

Die Staatsanwa­ltschaft sah das anders. Es müssten mindestens 800 Euro gespendet werden, da Anzahl und Inhalt der Bilder massiv gewesen seien. „Das muss berücksich­tigt werden“, so der Staatsanwa­lt. Dieser Einschätzu­ng schloss sich Richterin Held an und sprach den 19-Jährigen schuldig. Er muss 800 Euro spenden und an einer Einzelführ­ung in der KZ-Gedenkstät­te teilnehmen. „Dies ist eine Verwarnung“, sagte Held. „Also die Gelbe Karte. Die Rote Karte wäre der Arrest.“Gezogen habe sie diese zwar nicht: „Das, was Sie getan haben, war aber sehr grenzwerti­g.“Das Urteil ist rechtskräf­tig.

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