Donau Zeitung

Gut Helmeringe­n verändert sich

Die Krise hat das Seminarzen­trum der Familie Musselmann in Lauingen in Bedrängnis gebracht. Doch die Betreiber haben sich etwas einfallen lassen. Das hat mit Regionalit­ät, einem Laden und Gemüsebeet­en zu tun

- VON JONATHAN MAYER

Lauingen 12.000 Übernachtu­ngen, bis zu 120 Seminare, die Kapazität von 105 Betten immer optimal ausgelaste­t. Es lief gut für Klaus-Peter und Daniela Musselmann. Zehn Jahre nachdem sie das Gut Helmeringe­n übernommen, investiert und, wie sie sagen, zu einem der größten Seminarzen­tren in Süddeutsch­land ausgebaut hatten, lief es sogar immer besser. Doch dann kam das Virus und mit ihm der Lockdown. Und auf Gut Helmeringe­n wurde es still.

13 Monate später hat sich Daniela Musselmann noch immer nicht an diese Ruhe gewöhnt: „Das ist so traurig, wenn man durch die Seminarräu­me geht und dann ist da niemand“, sagt sie. Zwei Osterfeste und ein Weihnachte­n habe sie jetzt ohne Gäste verbracht. Wo doch sonst um diese Zeiten das Gut Helmeringe­n immer gut besucht war. Neulich habe die Familie sogar einen Biber beobachten können, wie er im nahen See, der zum Gut gehört, ein paar Bahnen schwamm. Eigentlich ruhen sich dort immer die Gäste aus.

2020 wäre für Familie Musselmann „ein Bombenjahr“gewesen. Doch mit dem ersten Lockdown war klar: Die kommenden Monate werden hart. Von jetzt auf gleich wurden Seminare abgesagt oder verschoben. Lange Zeit kamen keine Gäste. Die Mitarbeite­r mussten in Kurzarbeit. Nach dem Lockdown begann dann das Auf und Ab. Wird geöffnet oder nicht? Welche Regeln gelten? Musselmann sagt, die Erlaubnis zur Öffnung habe sie erst drei Tage vorher erhalten. Allein die Corona-Sicherheit­smaßnahmen einzuricht­en (Abstandsma­rkierungen, Desinfekti­onsmittel) habe jedoch zwei Wochen gedauert. „Ohne die Hilfe und Erfahrung anderer Häuser wäre das so schnell gar nicht gegangen“, sagt sie.

Doch selbst diese Regelung brachte Schwierigk­eiten mit sich. Ein Büfett war wegen der Ansteckung­sgefahr nicht mehr möglich, stattdesse­n gab es eine Essensausg­abe – mit entspreche­ndem Personalau­fwand und Kosten. Doch die Lauingerin, so sagt sie heute, war zuversicht­lich. „Ich war der Meinung, dass die Gastronomi­e gute Konzepte ausgearbei­tet hat.“Dass im Oktober der nächste Lockdown folgt, hätte sie nicht gedacht.

Für Daniela Musselmann war die Zeit sehr schwer. „Das kam mit einer solchen Wucht“, sagt sie. Eines war ihr klar: Dieser Lockdown wird länger dauern. Dann kam die Frage auf: Wie geht es weiter? Alsbald folgte die wohl schwerste Entscheidu­ng der vergangene­n Jahre: „Wir haben uns mit den Mitarbeite­rn zusammenge­setzt und darüber gesprochen, dass wir einige entlassen müssen.“Von damals 16 Kolleginne­n, von denen einige auf 450-Euro-Basis oder in Teilzeit arbeiteten, sind nur drei erhalten geblieben. Musselmann betont, dass die Kündigunge­n im gegenseiti­gen Einverstän­dnis ausgesproc­hen wurden und dass viele danach einen neuen Job gefunden hät„Aus Sicht der Mitarbeite­r war das auch nicht das Schlechtes­te. Im Gastgewerb­e ist die Bezahlung nicht so gut, dann man auf 20 oder 40 Prozent des Gehalts längere Zeit verzichten könnte. Bei 100 Prozent Kurzarbeit bleibt einfach zu wenig übrig, um davon vernünftig leben zu können.“

Musselmann ist die Enttäuschu­ng über die deutsche Corona-Politik deutlich anzuhören. Während in anderen Bundesländ­ern Seminarzen­tren wie ihres im vergangene­n Jahr bereits früher hätten aufmachen dürfen, war das in Bayern ihr zufolge nicht möglich. „Einige Kunden haben dann gesagt, sie schauen sich nach Alternativ­en in anderen Regionen um.“Wie viele andere in der Branche beklagt sie die Perspektiv­losigkeit. Im ersten Lockdown habe sie noch Verständni­s gehabt. Doch dass es danach keine neuen Strategien gegeben habe, wie man Infektions­schutz und Gastronomi­egewerbe unter einen Hut bekommt, kritisiert sie. Sie erzählt von sehr späten Finanzhilf­en, fehlenden Übergangsp­hasen von der ersten Öffnung in den zweiten Lockdown und vielem mehr. Für die Familie war aber immer klar: Es muss weitergehe­n.

Nur wie?

Zwei Dinge seien ihr in der Krise klar geworden: „Es ist wichtig, dass die Menschen füreinande­r da sind. Und wir sollten mehr darauf achten, wie wir leben.“Sie verweist auf Importstru­kturen in der Lebensmitt­elbranche. Während der Corona-Krise habe sie regionale Produkte noch mehr schätzen gelernt. „Da weiß man auch, was drin ist“, sagt sie und verweist etwa auf die Lauinger Gewürzmanu­faktur Lodner oder die Öle der Prinzenmüh­le in Dunstelkin­gen.

Familie Musselmann will nun so einiges anders machen: Auf der einen Seite gibt es jetzt einen eigenen Hofladen mit Produkten aus der Region. Die Idee dazu sei der Lauingerin gekommen, als sie wegen des Lockdowns viele Lebensmitt­el auf Vorrat loswerden musste. Also wurde fleißig Gulasch und Rehragout eingemacht. In einem Ofen wird nach altdeutsch­em Prinzip Brot gebacken. Der Laden sei zwar nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Er habe aber zumindest zwei Arbeitsplä­tze erhalten. Und sie will ihn ausbauen.

Außerdem will Musselmann die Bettenzahl auf Gut Helmeringe­n verkleiner­n. Ein Teil des Geländes soll vermietet werden, etwa an Familien. Der Betreiberi­n schwebt da allerten. dings ein besonderes Konzept vor: „Ich stelle mir das so ähnlich vor wie die Strukturen früher auf dem Dorf.“Die künftigen Mieter, so ihre Vorstellun­g, sollten durchaus auch mal auf dem Hof mitanpacke­n wollen. Auf gemeinsame­n Gemüsebeet­en etwa wachsen dann Gurken, Tomaten und Karotten. Und wie das früher auf dem Dorf so war, wird dann geteilt. Was übrig bleibt, kommt in den Hofladen. Sich unterstütz­en und mitarbeite­n ist das Motto. Bis es so weit ist, dauert es aber noch. „Wir sind gerade dran, das zu planen.“

Es wird also wieder Leben in das Lauinger Seminarzen­trum einkehren. Die Frage ist nur, wann. Familie Musselmann plant solange weiter – und beobachtet den Biber im See.

 ?? Fotos: Karl Aumiller ?? Seit elf Jahren führen Daniela und Klaus‰Peter Musselmann das Gut Helmeringe­n in Lauingen. Inzwischen ist es ihren Angaben zufolge zu einem der größten Seminarzen­tren in Süddeutsch­land herangewac­hsen. Doch nach der Krise soll sich etwas ändern.
Fotos: Karl Aumiller Seit elf Jahren führen Daniela und Klaus‰Peter Musselmann das Gut Helmeringe­n in Lauingen. Inzwischen ist es ihren Angaben zufolge zu einem der größten Seminarzen­tren in Süddeutsch­land herangewac­hsen. Doch nach der Krise soll sich etwas ändern.
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Das Seminarzen­trum von außen. Lange war hier nichts mehr los. In Zukunft wollen die Inhaber neue Wege gehen.

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