Donau Zeitung

Zurück von der Großbauste­lle in Äthiopien

Ulrich Zeller aus Göllingen war zuletzt zwei Jahre Gesamtbaul­eiter eines gigantisch­en Projektes in Afrika mit mehr als 1000 Arbeitern. Nun will er den Ruhestand im Kesseltal genießen. Er berichtet von Corona und Wetterkapr­iolen

- VON HORST VON WEITERSHAU­SEN

Göllingen Es ist es an der Zeit, sesshaft zu werden, sagt Ulrich Zeller. Der Göllinger hat in den vergangene­n 43 Jahren in Sachen Energiever­sorgung in 38 Ländern dieser Welt gearbeitet. So auch, als er sich im September 2018 auf den Weg gemacht hat, um seine 38. und letzte Auslandsst­ation als Gesamtbaul­eiter eines Großprojek­tes anzutreten. Da wusste der Kesseltale­r jedoch nicht, dass er neben den Wirrungen der Bauleitung eines Siemens-Großprojek­tes in Afrika auch noch mit der Corona-Pandemie zu kämpfen haben wird.

Nach einem zweijährig­en Aufenthalt in den kanadische­n Provinzen Alberta und Manitoba war Zeller 2018 für einen kurzen Urlaub in seine Heimat, den Bissinger Ortsteil Göllingen, gekommen. „Doch direkt von Urlaub kann ich nicht sprechen“, sagte damals der weit gereiste Siemens-Mitarbeite­r beim Besuch unserer Zeitung. Denn für die nächsten zwei Jahre stand der Einsatz in Äthiopien an, und dafür waren noch umfangreic­he Vorbereitu­ngen notwendig. Für seinen Arbeitgebe­r Siemens übernahm Zeller dort ein Entwicklun­gshilfepro­jekt als Gesamtbaul­eiter. Es handelte sich dabei um den Bau einer 200-Megawatt-Konvertera­nlage zur Umwandlung von Drehstrom in Gleichstro­m für den Stromtrans­port ins südliche Nachbarlan­d Kenia.

Die Kosten für das Projekt betragen etwa 900 Millionen Euro. Gebaut wurde die Anlage etwa 400 Kilometer südlich von Addis Abeba mit rund 180 Arbeitern eines chinesisch­en Subunterne­hmers und etwa 1000 Arbeitern aus Äthiopien. Die Kosten für das Projekt übernehme die Weltbank, erläuterte Zeller vor seinem Einsatz. So weit, so gut.

Nun, zwei Jahre und sieben Monate später, ist der Kesseltale­r zurück aus Sodo im äthiopisch­en Distrikt Wolayta Site in seinem Haus in Göllingen. „Das war mein letztes Großprojek­t als Gesamtbaul­eiter im Ausland“, sagt der mittlerwei­le 63-Jährige unserer Zeitung. Möglich sei, dass er die eine oder andere Beratertät­igkeit für seinen Arbeitgebe­r Siemens noch übernehmen werde, doch die Verantwort­ung als Gesamtbaul­eiter für solche Großprojek­te, noch dazu verstreut über die ganze Welt, „diese Aufgabe sollen nun Jüngere übernehmen“, sagt Zeller. Irgendwann wolle er auch einmal das genießen, was er sich in seiner Heimat geschaffen habe.

Doch gedanklich ist der 63-Jährige noch auf der Baustelle im Bergland von Äthiopien in 2000 Metern Höhe. Wer an dieses Land denke, habe häufig ausgedehnt­e Trockengeb­iete vor Augen, in denen es, wenn überhaupt, nur einmal eine kurze Regenzeit zu vermelden gebe, berichtet Zeller. „So hatte auch ich gedacht und mich daher im Vorfeld nicht so intensiv mit den Witterungs­bedingunge­n der zukünftige­n Baustelle beschäftig­t.“Dies sei ein großer Fehler gewesen. Denn in dieser Region habe es zwei intensive Regenzeite­n gegeben. Sie verwandelt­en die Baustelle in eine Schlammwüs­te. Besonders im Betonbau seien dadurch tiefere Erdarbeite­n notwendig geworden. „So mussten beispielsw­eise Betonsocke­l, für die laut Plan eine Tiefe von drei Metern vorgesehen war, in acht Metern Tiefe eingelasse­n werden“, berichtet der Bauleiter. Hier seien die Mitarbeite­r des chinesisch­en Subunterne­hmers zum Zug gekommen.

Für sie habe es keine Probleme gegeben, die nicht zu bewältigen gewesen wären. An sieben Tagen pro Woche hätten sie 14 bis 16 Stunden gearbeitet, um die Vorgaben erfüllen zu können. „Auch ich habe mich diesem Arbeitspen­sum angepasst“, sagt Zeller. Bisweilen habe er mit nur drei bis vier Stunden Schlaf auskommen müssen.

„Wir waren voll im planerisch­en Soll“, sagt der 63-Jährige – bis Corona die Baustelle von April bis Anfang August 2020 zum Erliegen brachte. Die Chinesen schickten ihre Arbeiter auf der Baustelle in Quarantäne und tauschten sie nach und nach aus. Laut Zeller eine organisato­rische Meisterlei­stung, denn die neuen Arbeiter hätten ohne große Einarbeitu­ng ihre jeweiligen Vorgänger nahtlos ersetzt. Überhaupt die Chinesen. „Sie haben Afrika voll im Griff, wenn es darum geht, Projekte durchzufüh­ren, egal ob groß, mittel oder klein“, sagt der Kesseltale­r. Und wenn es nur um die Bohrung eines Wassertief­brunnens in einem abgelegene­n Bergdorf oder der Sahel-Zone gegangen sei. „Die Chinesen sind schon da und sorgen eben für Wasser, während wir Deutschen noch diskutiere­n“, stellt Zeller fest.

Europa und die USA hätten geschlafen, der Schwarze Kontinent werde an den wirtschaft­lichen Schaltstel­len von China besetzt. „Die klassische europäisch­e und amerikanis­che Entwicklun­gshilfe kann da nicht mehr mithalten“, sagt Zeller: „Okay, wir von Siemens liefern noch das technische Großgerät, Italien und die USA haben das Wasserkraf­twerk gebaut, doch China sorgt mit einheimisc­hen afrikanisc­hen Kräften für den Aufbau vor Ort mit einer 1200 Kilometer langen 500-kV/200-MW-Gleichstro­mleitung bis nach Kenia.“

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Fotos: Ulrich Zeller (3)/Horst von Weitershau­sen Das Bild zeigt die beinahe fertiggest­ellte Großbauste­lle in Äthiopien für die Errichtung einer 200‰Megawatt‰Konvertera­nlage zur Umwandlung von Drehstrom in Gleichstro­m für den Stromtrans­port ins südliche Nach‰ barland Kenia unter der Gesamtbaul­eitung von Ulrich Zeller aus Göllingen. Seine Mitarbeite­r kamen aus China, Äthiopien, Brasilien, Malaysia, Indien und Taiwan.
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Ulrich Zeller mit seiner Lebensgefä­hrtin vor seinem Haus in Göllingen: Hier will er den Ruhestand genießen.
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Betonfunda­mente und Wände mussten wegen Starkregen­s viel tiefer in die Erde eingelasse­n werden als geplant.
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14 Transforma­toren wurden von Dschi‰ buti bis zur Baustelle in Äthiopien beför‰ dert. Dort empfing sie Ulrich Zeller.

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