PCRTests nicht mehr für alle
Pandemie Bund und Länder beschließen beim Corona-Gipfel neue Richtlinien für den Fall, dass die Laborkapazitäten nicht mehr ausreichen. Trotz hoher Infektionszahlen gibt es vorerst keine weiteren Einschränkungen .
Berlin Bund und Länder verzichten auf strengere Corona-Maßnahmen, Änderungen soll es aber in der Teststrategie geben. Denn weil die Omikron-Variante des Coronavirus sich rasend schnell in der Bevölkerung verbreitet, geraten die Testlabore an ihre Kapazitätsgrenzen. Die besonders sicheren PCR-Tests sollen deshalb künftig vorrangig bei den Menschen eingesetzt werden, die einer Risikogruppe angehören oder aber Risikopatienten betreuen. Das haben Bund und Länder auf ihrem Corona-Gipfel am Montagabend beschlossen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte nach dem Treffen: „Es muss und wird getestet werden.“Angesichts der hohen Infektionswerte müssten aber die dafür zur Verfügung stehenden Kapazitäten gezielt genutzt werden. Ansonsten gelte in der Krise weiter „Kurs halten“. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kündigte neben der Priorisierung eine Erhöhung der Testkapazitäten an. Es sei damit zu rechnen, dass Mitte Februar ein Höhepunkt der Infektionszahlen erreicht werde. Dann sei auch eine Überlastung der möglich. Die Politik müsse jetzt „in beide Richtungen denken“. Wenn Überlastung drohe, müsse sie die Maßnahmen verschärfen, sobald diese ausgeschlossen werden könne, aber auch Öffnungsperspektiven entwickeln.
Dem Beschluss zufolge werden künftig die zur Verfügung stehenden PCR-Tests zunächst Klinikpatienten und Krankenhauspersonal oder Bewohnern und Mitarbeitern von Alten- und Pflegeheimen vorbehalten sein. Dem Papier zufolge soll diese Regel „zeitnah“in eine Verordnung gegossen werden. Für einen großen Teil der Bevölkerung bedeutet das, dass sie gegebenenfalls womöglich bald auf eine kostenlose Abklärung eines Corona-Verdachts mittels PCR-Test verzichten muss. Für sie soll stattdessen ein zweiter Antigen-Schnelltest zur Überprüfung genutzt werden.
Bislang gilt noch, dass jeder, der ein positives Selbsttest-Ergebnis hat oder an einer Teststelle positiv getestet wird, Anspruch auf einen PCR-Test hat. Auch wenn die Corona-Warnapp auf Rot steht, gilt bisher dieser Anspruch. Betroffene können sich dann an ihren Hausarzt wenden, der entweder den Test selbst macht oder an ein Testzentrum überweist. Auch die Gesund
können bisher einen kostenlosen PCR-Test anordnen, wenn sie von einem positiven Schnelltest erfahren.
Die besonders ansteckende Omikron-Variante des Coronavirus sorgt derzeit für immer neue Rekord-Infektionswerte. Laut Robert Koch-Institut (RKI) lag der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Montag bei 840,3 – so hoch wie nie seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren. Test-Kapazitäten werden deshalb zunehmend knapp, die Gesundheitsämter
arbeiten am Limit, eine verlässliche Kontaktverfolgung findet kaum noch statt. Zuletzt waren laut Robert Koch-Institut und dem Laborverband ALM rund zwei Millionen PCR-Tests in einer Woche durchgeführt worden – bisheriger Höchststand in der Pandemie. Etwa jeder Vierte fiel positiv aus. Demnach waren die Labore bereits zu 86 Prozent ausgelastet. Doch mit einer weiteren Zunahme des Infektionsgeschehens wird fest gerechnet.
Der Chef des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, unterIntensivstationen stützt deshalb den Kurs der Regierung, künftig PCR-Tests zu priorisieren und vor allem vulnerablen Gruppen zugänglich zu machen. „PCR-Tests sind knapp und teuer – und werden meistens auch vom Staat, also von uns allen, bezahlt“, sagte Montgomery unserer Redaktion. „Wer nur mal eben einkaufen oder ins Restaurant gehen will, ohne geimpft zu sein, wird zugunsten der Schwächsten in unserer Gesellschaft zurückstehen müssen.“Die Menschen sollten sich impfen lassen – „und zwar sofort“.
Montgomery sagte weiter: „Dieses ist umso wichtiger, als die Gesundheitsämter schon lange nicht mehr mit der Kontaktverfolgung hinterherkommen.“Schon bei Inzidenzen über 100 sei dies kaum mehr machbar, bei mehr als 800 reine Illusion. Montgomery sieht eine neue Phase der Eigenverantwortung in der Pandemie gekommen. „Unser Bürgersinn ist hier gefragt“, sagte er. Wer einen positiven Selbsttest ohne Krankheitssymptome habe, solle sich verhalten wie eine Kontaktperson und sich isolieren. „Dazu braucht es weder Gesetz noch Verordnung – einfacher, gesunder Menschenverstand reicht“, betonte Montgomery.
Ansonsten brachte die Ministerheitsämter präsidentenkonferenz, die sich bis in den Abend zog, keine größeren Änderungen des staatlichen CoronaKurses. „Der bisherige Kurs ist richtig, er wird beibehalten werden“, sagte Kanzler Scholz. Im Wesentlichen gelten die aktuellen Beschränkungen weiter, es gibt keine Verschärfung der Corona-Maßnahmen, aber auch keine Lockerungen. Wirtschaftshilfen und das Kurzarbeitergeld sollen weiter gelten. Scholz kündigte an, die staatliche Kampagne zum Impfen und Boostern zu verstärken. Das Thema Impfpflicht beschäftigte die Runde der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten nur am Rande, ihr Vorsitzender Wüst bekräftigte die Überzeugung, dass eine allgemeine Impfpflicht notwendig sei.
Überraschende Entscheidungen beim Impf- und Genesenen-Status sollen künftig mit entsprechendem Vorlauf gelten, sodass sich die Betroffenen rechtzeitig darauf einstellen können. Dass etwa wie kürzlich der Genesenen-Status von 180 Tagen auf 90 Tage quasi über Nacht halbiert werde, dürfe sich nicht wiederholen, betonte Wüst. Im Kreis der Ministerpräsidenten hatte es wegen dieses Vorgehens scharfe Kritik an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gegeben.
Kapazitäten in den Laboren sollen erhöht werden