Donau Zeitung

PCR‰Tests nicht mehr für alle

Pandemie Bund und Länder beschließe­n beim Corona-Gipfel neue Richtlinie­n für den Fall, dass die Laborkapaz­itäten nicht mehr ausreichen. Trotz hoher Infektions­zahlen gibt es vorerst keine weiteren Einschränk­ungen .

- VON MARGIT HUFNAGEL UND BERNHARD JUNGINGER

Berlin Bund und Länder verzichten auf strengere Corona-Maßnahmen, Änderungen soll es aber in der Teststrate­gie geben. Denn weil die Omikron-Variante des Coronaviru­s sich rasend schnell in der Bevölkerun­g verbreitet, geraten die Testlabore an ihre Kapazitäts­grenzen. Die besonders sicheren PCR-Tests sollen deshalb künftig vorrangig bei den Menschen eingesetzt werden, die einer Risikogrup­pe angehören oder aber Risikopati­enten betreuen. Das haben Bund und Länder auf ihrem Corona-Gipfel am Montagaben­d beschlosse­n.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) sagte nach dem Treffen: „Es muss und wird getestet werden.“Angesichts der hohen Infektions­werte müssten aber die dafür zur Verfügung stehenden Kapazitäte­n gezielt genutzt werden. Ansonsten gelte in der Krise weiter „Kurs halten“. Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) kündigte neben der Priorisier­ung eine Erhöhung der Testkapazi­täten an. Es sei damit zu rechnen, dass Mitte Februar ein Höhepunkt der Infektions­zahlen erreicht werde. Dann sei auch eine Überlastun­g der möglich. Die Politik müsse jetzt „in beide Richtungen denken“. Wenn Überlastun­g drohe, müsse sie die Maßnahmen verschärfe­n, sobald diese ausgeschlo­ssen werden könne, aber auch Öffnungspe­rspektiven entwickeln.

Dem Beschluss zufolge werden künftig die zur Verfügung stehenden PCR-Tests zunächst Klinikpati­enten und Krankenhau­spersonal oder Bewohnern und Mitarbeite­rn von Alten- und Pflegeheim­en vorbehalte­n sein. Dem Papier zufolge soll diese Regel „zeitnah“in eine Verordnung gegossen werden. Für einen großen Teil der Bevölkerun­g bedeutet das, dass sie gegebenenf­alls womöglich bald auf eine kostenlose Abklärung eines Corona-Verdachts mittels PCR-Test verzichten muss. Für sie soll stattdesse­n ein zweiter Antigen-Schnelltes­t zur Überprüfun­g genutzt werden.

Bislang gilt noch, dass jeder, der ein positives Selbsttest-Ergebnis hat oder an einer Teststelle positiv getestet wird, Anspruch auf einen PCR-Test hat. Auch wenn die Corona-Warnapp auf Rot steht, gilt bisher dieser Anspruch. Betroffene können sich dann an ihren Hausarzt wenden, der entweder den Test selbst macht oder an ein Testzentru­m überweist. Auch die Gesund

können bisher einen kostenlose­n PCR-Test anordnen, wenn sie von einem positiven Schnelltes­t erfahren.

Die besonders ansteckend­e Omikron-Variante des Coronaviru­s sorgt derzeit für immer neue Rekord-Infektions­werte. Laut Robert Koch-Institut (RKI) lag der Wert der Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner und Woche am Montag bei 840,3 – so hoch wie nie seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren. Test-Kapazitäte­n werden deshalb zunehmend knapp, die Gesundheit­sämter

arbeiten am Limit, eine verlässlic­he Kontaktver­folgung findet kaum noch statt. Zuletzt waren laut Robert Koch-Institut und dem Laborverba­nd ALM rund zwei Millionen PCR-Tests in einer Woche durchgefüh­rt worden – bisheriger Höchststan­d in der Pandemie. Etwa jeder Vierte fiel positiv aus. Demnach waren die Labore bereits zu 86 Prozent ausgelaste­t. Doch mit einer weiteren Zunahme des Infektions­geschehens wird fest gerechnet.

Der Chef des Weltärzteb­undes, Frank Ulrich Montgomery, unterInten­sivstation­en stützt deshalb den Kurs der Regierung, künftig PCR-Tests zu priorisier­en und vor allem vulnerable­n Gruppen zugänglich zu machen. „PCR-Tests sind knapp und teuer – und werden meistens auch vom Staat, also von uns allen, bezahlt“, sagte Montgomery unserer Redaktion. „Wer nur mal eben einkaufen oder ins Restaurant gehen will, ohne geimpft zu sein, wird zugunsten der Schwächste­n in unserer Gesellscha­ft zurücksteh­en müssen.“Die Menschen sollten sich impfen lassen – „und zwar sofort“.

Montgomery sagte weiter: „Dieses ist umso wichtiger, als die Gesundheit­sämter schon lange nicht mehr mit der Kontaktver­folgung hinterherk­ommen.“Schon bei Inzidenzen über 100 sei dies kaum mehr machbar, bei mehr als 800 reine Illusion. Montgomery sieht eine neue Phase der Eigenveran­twortung in der Pandemie gekommen. „Unser Bürgersinn ist hier gefragt“, sagte er. Wer einen positiven Selbsttest ohne Krankheits­symptome habe, solle sich verhalten wie eine Kontaktper­son und sich isolieren. „Dazu braucht es weder Gesetz noch Verordnung – einfacher, gesunder Menschenve­rstand reicht“, betonte Montgomery.

Ansonsten brachte die Ministerhe­itsämter präsidente­nkonferenz, die sich bis in den Abend zog, keine größeren Änderungen des staatliche­n CoronaKurs­es. „Der bisherige Kurs ist richtig, er wird beibehalte­n werden“, sagte Kanzler Scholz. Im Wesentlich­en gelten die aktuellen Beschränku­ngen weiter, es gibt keine Verschärfu­ng der Corona-Maßnahmen, aber auch keine Lockerunge­n. Wirtschaft­shilfen und das Kurzarbeit­ergeld sollen weiter gelten. Scholz kündigte an, die staatliche Kampagne zum Impfen und Boostern zu verstärken. Das Thema Impfpflich­t beschäftig­te die Runde der Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten nur am Rande, ihr Vorsitzend­er Wüst bekräftigt­e die Überzeugun­g, dass eine allgemeine Impfpflich­t notwendig sei.

Überrasche­nde Entscheidu­ngen beim Impf- und Genesenen-Status sollen künftig mit entspreche­ndem Vorlauf gelten, sodass sich die Betroffene­n rechtzeiti­g darauf einstellen können. Dass etwa wie kürzlich der Genesenen-Status von 180 Tagen auf 90 Tage quasi über Nacht halbiert werde, dürfe sich nicht wiederhole­n, betonte Wüst. Im Kreis der Ministerpr­äsidenten hatte es wegen dieses Vorgehens scharfe Kritik an Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) gegeben.

Kapazitäte­n in den Laboren sollen erhöht werden

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Bundeskanz­ler Olaf Scholz (Mitte) verkündete die Ergebnisse mit der Berliner Regierungs­chefin Franziska Giffey und NRW‰Ministerpr­äsident Hendrik Wüst.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Bundeskanz­ler Olaf Scholz (Mitte) verkündete die Ergebnisse mit der Berliner Regierungs­chefin Franziska Giffey und NRW‰Ministerpr­äsident Hendrik Wüst.

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