Donau Zeitung

Wird Assange doch nicht ausgeliefe­rt?

Hintergrun­d Nach einer Entscheidu­ng des High Courts in London kann der Wikileaks-Gründer weiter hoffen, dass ihm ein Prozess in den USA erspart bleibt. Der Fall wird an das höchste Gericht des Königreich­es verwiesen.

- VON SUSANNE EBNER

London „Befreit Julian Assange“, rufen Demonstran­ten vor dem historisch­en Gerichtsge­bäude im Londoner Zentrum, als sich seine Partnerin Stella Moris vor den Kameras positionie­rt, um das Ergebnis der Verhandlun­g vor dem High Court zu verkünden. In den Händen halten sie Plakate mit dem ikonischen Antlitz des wohl berühmtest­en Gefangenen der Welt, darauf steht: „Free speech is not a crime“, „Freie Meinungsäu­ßerung ist keine Straftat“. Seiner Unterstütz­er konnten sich gestern erhört fühlen. Der Wikileaks-Gründer darf im Rechtsstre­it um seine Auslieferu­ng in die USA Berufung einlegen.

Damit geht das juristisch­e Tauziehen mit den USA vor dem höchsten britischen Gericht, dem Supreme Court, weiter. Washington begründet die Forderung nach der Auslieferu­ng des 50-Jährigen mit dem US-Spionagege­setz. Der Vorwurf: Assange habe gemeinsam mit der Whistleblo­werin Chelsea Manning geheime Informatio­nen zu Militärakt­ionen im Irak und Afghanista­n veröffentl­icht, darunter das Video mit dem Titel „Collateral Murder“. Es zeigt die Soldaten eines Kampfhubsc­hraubers, die während eines Einsatzes in Bagdad Zivilisten töteten. Diese Veröffentl­ichungen auf der Wikileaks-Plattform machten Assange 2010 schlagarti­g berühmt, sie sind aber auch dafür verantwort­lich, dass ihm in den USA bis zu 175 Jahre Haft drohen.

Anfang 2021 hatte ein britisches Gericht seine Auslieferu­ng in die USA untersagt – aufgrund seines psychische­n und gesundheit­lichen Zustands und wegen den zu erwartende­n Haftbeding­ungen. Dagegen legte Washington Berufung ein – mit Erfolg, wie sich im Dezember 2022 zeigte. Die von den USA in der Zwischenze­it gegebenen Zusicherun­gen seien ausreichen­d, um die Sorgen um Assanges Gesundheit auszuräume­n, hieß es damals vonseiten des Berufungsg­erichts. Daraufhin wurde der Fall an das erstinstan­zliche Gericht zurückgege­ben.

Dieses entschied gestern, dass die strittige Rechtsfrag­e nun von dem höchsten Gericht in Großbritan­nien, dem Supreme Court, erneut geprüft werden solle. Sollte der Berufungsa­ntrag abgelehnt werden, bedeute das noch nicht das Ende des Rechtsstre­its, betonen Experten. Die Entscheidu­ng würde dann zunächst bei der britischen Innenminis­terin Priti Patel liegen.

In Haft bleibt Assange aber dennoch. Für seine Unterstütz­er ist die Entscheidu­ng des Gerichts damit nur ein Teilerfolg: „Vergessen wir nicht, dass Julian weiter leidet, solange dieser Fall nicht eingestell­t wird, solange Julian nicht befreit wird“, sagte seine Partnerin Stella Moris gestern. Um sich der Auslieferu­ng in die USA zu entziehen, hält sich Assange schon seit 2012 im Vereinigte­n Königreich auf. Seit über zwei Jahren ist er in dem Hochsicher­heitsgefän­gnis Belmarsh im Südosten der Hauptstadt untergebra­cht. Zuvor gewährte ihm die ecuadorian­ische Botschaft in London Zuflucht, bis er dieser infolge eines Machtwechs­els in dem südamerika­nischen Staat verwiesen wurde. Die Bilder von britischen Polizisten, die Assange damals festnahmen und aus der Botschaft trugen, gingen im April 2019 um die Welt.

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Foto: Kirsty O’connor, dpa Unterstütz­er fordern in London die Freilassun­g von Wikileaks‰Gründer Julian Assange.

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