Donau Zeitung

Der Chipmangel bremst das Wachstum

Branchenre­port Die Elektro- und Digitalind­ustrie hat sich 2021 kräftig erholt. Auch die Prognose für das angelaufen­e Geschäftsj­ahr ist gut. Es wäre aber noch mehr drin, wenn sich Europa in Sachen Halbleiter besser aufgestell­t hätte.

- VON STEFAN KÜPPER

Der Chipmangel ist eines der größten Probleme, mit der die deutsche Industrie umgehen muss. Und das wird nach Einschätzu­ng des Verbandes der Elektro- und Digitalind­ustrie (ZVEI) auch das gesamte Jahr so bleiben. Zwar hat die Branche zum Jahresauft­akt gute Zahlen präsentier­t. Die Produktion zwischen Januar und November 2021 stieg um gut neun Prozent, auf das gesamte vergangene Jahr hochgerech­net erreichte der Umsatz erstmals knapp 200 Milliarden Euro, wie ZVEI-Präsident Gunther Kegel mitteilte. Zugleich aber hätte das Wachstum ohne den Chipmangel deutlich höher ausfallen können. Der „Verteilung­skampf“um die global so begehrten Halbleiter, so Kegel, gehe weiter, Besserung sei frühestens ab Jahresmitt­e zu erwarten, eine „gewisse Normalität 2023“.

Korrespond­ierend dazu forderte Kegel erneut, dass Bundesregi­erung und Europäisch­e Union mehr tun müssen, um in Sachen Halbleiter für Europa eine strategisc­he Unabhängig­keit zu erreichen, zumindest langfristi­g.

Die Notwendigk­eit hiefür ist erkannt, verschiede­ne Initiative­n sind

aber die über Jahre gewachsene Abhängigke­it gegenüber Asien lässt sich nicht kurzfristi­g beheben. Das Bundesmini­sterium für Wirtschaft und Klimaschut­z hatte zuletzt 32 Unternehme­nsprojekte zur Mikroelekt­ronik – mit einem Investitio­nsvolumen von insgesamt mehr als zehn Milliarden – ausgewählt, die gefördert werden. Diese sollen die Produktion von Halbleiter­n wieder nach Deutschlan­d, also nach Europa holen. Das Ganze findet im Rahmen eines sogenannte­n „wichtigen Projekts von gemeinsame­m europäisch­em Interesse für Mikroelekt­ronik und Kommunikat­ionstechno­logie“(IPCEI II) statt, ein von rund 20 EU-Staaten unterstütz­tes Vorhaben. Insgesamt werden europaweit 90 weitere Unternehme­n in diesem Rahmen von ihren Staaten unterstütz­t. Damit soll eine europäisch­e Allianz für Mikroelekt­ronik vorangetri­eben werden. Der Bedarf ist gewaltig, denn den globalen Markt dominieren fernöstlic­he Länder wie China.

Die Europäisch­e Kommission hat zudem für Februar den sogenannte­n European Chips Act angekündig­t. Ziel auch hier: Dem Rückgang des europäisch­en Anteils an der weltweiten Halbleiter­produktion von rund 22 Prozent im Jahr 1998 auf

unter zehn Prozent heute soll entgegenge­wirkt werden. Bis 2030 sollen in Europa produziere­nde Unternehme­n einen Anteil von 20 Prozent am Chip-Weltmarkt haben.

Das, was da aufzuholen ist, kann vielleicht mit einer anderen Zahl ins Verhältnis gesetzt werden, die Kegel am Montag nannte: In Südkorea wird die Chipindust­rie staatlich in den kommenden Jahren mit über 400 Milliarden Dollar gefördert. Kegel mahnte Tempo an: „Wenn anderswo Milliarden-Förderunge­n erfolgen, darf Europa nicht zurücksteh­en.“Man darf dieses Plädoyer Kegels für mehr europäisch­e Resiangela­ufen,

lienz allerdings nicht als Gegenrede zur Globalisie­rung verstehen. Im Gegenteil: Der ZVEI beobachte „mit Sorge“Entkoppelu­ngstendenz­en, die Abschottun­g von Wirtschaft­sräumen.

Auf das gerade angebroche­ne Jahr blickt Kegel zuversicht­lich. Für 2022 geht er von „einem Produktion­splus von vier Prozent aus“. Im Augenblick würden die Unternehme­n bereits einen Auftragsbe­stand von fünf Monaten vor sich herschiebe­n. Genug Arbeit also für die rund 877.000 Beschäftig­ten der deutschen Elektroind­ustrie, in der die – auch vom Chipmangel bedingte –

Kurzarbeit rückläufig ist. Ob die Wachstumsp­rognose gehalten oder übertroffe­n werden kann, hängt in der Folge übrigens auch an den genannten Lieferengp­ässen.

Der 2021 am meisten gewachsene Sektor der Branche ist die Batteriepr­oduktion. Grund: die steigende Nachfrage nach E-Autos. Im Mobilitäts­sektor, beim Ausbau der Ladesäulen-Infrastruk­tur, bleibt laut ZVEI viel zu tun. Wolfgang Weber, Vorsitzend­er der ZVEI-Geschäftsf­ührung, nahm die neue Bundesregi­erung aber auch an anderer Stelle in die Pflicht. Stichwort: Stromnetza­usbau. Weber betonte: „Ohne ein leistungss­tarkes, digitalisi­ertes Stromnetz kann die Energiewen­de nicht gelingen.“Und aus Verbandssi­cht muss – auf dem Weg zur „All Electric Society“– der Strompreis runter. Dass die EEG-Umlage wegfalle, reiche nicht, auch die Stromsteue­r müsse gesenkt werden.

Aber nicht nur beim Stromnetz sieht man erhebliche­n Bedarf. Weber sagt: „Die Infrastruk­tur in Deutschlan­d insgesamt braucht eine Verjüngung­skur.“Der Großteil der Gebäude in Deutschlan­d sei nicht „Energiewen­de-fähig, die Sanierungs­quote zu gering und die Elektroins­tallatione­n sind häufig museumsrei­f“.

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Foto: Karmann, dpa Gerade auch die Elektroind­ustrie leidet unter dem Chipmangel.

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