Schulen im Visier der „Querdenker“
Ermittlungen Corona-Leugner demonstrieren vor Pausenhöfen, Reichsbürger verschicken Drohungen und betreiben eigene Lernplattformen. Der Verfassungsschutz schaut genau hin.
München Aggressive Gegnerinnen und Gegner der Corona-Politik machen mit ihren Aktionen und Drohungen auch vor Schulen nicht halt. Dabei gehen sie nach Informationen unserer Redaktion unterschiedlich vor. Dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz sei bekannt, so heißt es dort auf Anfrage, „dass Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen in einzelnen Fällen vor Schulgebäuden demonstrierten“. Auch einzelne Fälle von Drohschreiben mit Corona-Bezug seien bekannt. Solche Einflussnahmen gibt es nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland.
Auch nach Angaben der Bundesregierung haben sogenannte Querdenker und Reichsbürger Schulen und Kitas ins Visier genommen. Das Bundesinnenministerium antwortete jüngst auf eine Anfrage der Linken im Bundestag, Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen und der Impfkampagne hätten in der Vergangenheit in einzelnen Fällen vor Schulen demonstriert und dabei „zuweilen auch das Zwiegespräch mit Schülern“gesucht. „Dabei handelte es sich zum Teil auch um führende Personen der ,Querdenken‘-Bewegung.“
Wie der bayerische Verfassungsschutz berichtet auch die Bundesregierung von Drohschreiben an Behörden, Schulen und Kindestagesstätten. Die Schreiben – etwa aus den Reihen der „Reichsbürger“und sogenannten „Selbstverwalter“– sind demnach versehen mit „pseudojuristischen Argumenten, die den Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen sowie Masken-Verordnungen ihre Rechtsgültigkeit absprechen“. Mitglieder der „Selbstverwalter“ähneln in ihren Ansichten den „Reichsbürgern“und fühlen sich dem Staat und seiner Rechtsordnung nicht verpflichtet. Ob solchen Drohungen auch Straftaten folgten, dazu hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben keine Erkenntnisse. Auch das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern verweist auf die Polizei- und Justizbehörden. Für Nordschwaben sind dem Polizeipräsidium in Augsburg „wenige Einzelfälle“bekannt, bei denen Personen aus dem „Querdenker“-Milieu im Jahr 2021 mit Schulen derart in Konflikt gerieten, dass die Polizei eingreifen musste und der Anfangsverdacht einer Straftat bestand. Man könne aber kein „verlässliches Gesamtbild“darstellen, heißt es aus dem Präsidium Schwaben-Nord. „Grundsätzlich kommt die Polizei meist erst ins Spiel, wenn es zu Straftaten kommt oder sonstige Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehen.“Beim Präsidium Schwaben-Süd/West in Kempten wurden laut Pressesprecher Holger Stabik im vergangenen Jahr 26 Fälle von Gewaltkriminalität erwachsener Täter an Schulen festgestellt. Definitiv auf Corona zurückführen lässt sich nur einer: eine Realschul-Lehrkraft wurde „in bedrohlichen Sprachnachrichten und Mails“beleidigt. Stabik geht aber von „einer gewissen Dunkelziffer“an Fällen aus, die nicht in der Statistik auftauchen.
Eine Untergruppe der „Reichsbürger“, die sogenannte Verfassungsgebende Versammlung, versucht auf andere Art, Einfluss an Schulen zu gewinnen. Die Gruppierung wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie lehnt nach Angaben der Ermittler die Strukturen der Bundesrepublik ab und bestreitet ihre Existenzberechtigung. Entsprechend akzeptiert sie auch das staatliche Schulsystem nicht. Aktiv ist die Gruppe vor allem im virtuellen Raum – und betreibt laut Verfassungsschutz eine digitale Lernplattform. Dort würden „auf die Zielgruppe ausgerichtete Inhalte bereitgestellt“. Die Anfrage der Linken im Bundestag beschreibt das noch konkreter: Die Plattform versteht sich demnach als „ergänzendes Bildungsangebot der Klassenstufen 1 bis 10“. Und die Betreiber betonen offenbar, dass sie „noch nicht“die Schulpflicht in der Bundesrepublik ersetze. Die Regierung geht davon aus, dass auf der Plattform ideologisch-extremistische Inhalte direkt an Kinder und Jugendliche vermittelt werden sollen.
Dass Drohungen gegenüber Lehrkräften und Schulen in der Pandemie zugenommen haben, bestätigte 2021 auch eine Studie des Bildungsverbandes VBE. Mehr als jede fünfte Lehrkraft kennt demnach an der eigenen Schule Fälle, in denen Kolleginnen und Kollegen in Zusammenhang mit den CoronaRegeln persönlich beschimpft, diffamiert oder belästigt wurden. 18 Prozent dieser psychischen Angriffe gingen demnach von Leuten aus, „die zum Beispiel in Organisationen engagiert sind, die sich gegen von der Schule ergriffene CoronaSchutzmaßnahmen aussprechen“. Zum absolut überwiegenden Teil nannten die Befragten aber schlicht Eltern als Urheber der Konflikte.
Auch dem Kultusministerium sind „Fälle bekannt, in denen Schulleitungen insbesondere aus der Elternschaft mit Anfragen und Protesten bis hin zu Drohungen zu tun hatten“, erklärt ein Sprecher. „Im Fokus stehen die Themen Selbsttests, Maskenpflicht und Impfung.“Wenn etwa der Verdacht bestehe, dass an den Aktionen sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter beteiligt seien, werde das an Polizei und Verfassungsschutz gemeldet.
Oft sind es aber auch Eltern, die Drohungen aussprechen