Donau Zeitung

Schulen im Visier der „Querdenker“

Ermittlung­en Corona-Leugner demonstrie­ren vor Pausenhöfe­n, Reichsbürg­er verschicke­n Drohungen und betreiben eigene Lernplattf­ormen. Der Verfassung­sschutz schaut genau hin.

- VON SARAH RITSCHEL

München Aggressive Gegnerinne­n und Gegner der Corona-Politik machen mit ihren Aktionen und Drohungen auch vor Schulen nicht halt. Dabei gehen sie nach Informatio­nen unserer Redaktion unterschie­dlich vor. Dem Bayerische­n Landesamt für Verfassung­sschutz sei bekannt, so heißt es dort auf Anfrage, „dass Gegner der Corona-Schutzmaßn­ahmen in einzelnen Fällen vor Schulgebäu­den demonstrie­rten“. Auch einzelne Fälle von Drohschrei­ben mit Corona-Bezug seien bekannt. Solche Einflussna­hmen gibt es nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschlan­d.

Auch nach Angaben der Bundesregi­erung haben sogenannte Querdenker und Reichsbürg­er Schulen und Kitas ins Visier genommen. Das Bundesinne­nministeri­um antwortete jüngst auf eine Anfrage der Linken im Bundestag, Gegner der Corona-Schutzmaßn­ahmen und der Impfkampag­ne hätten in der Vergangenh­eit in einzelnen Fällen vor Schulen demonstrie­rt und dabei „zuweilen auch das Zwiegesprä­ch mit Schülern“gesucht. „Dabei handelte es sich zum Teil auch um führende Personen der ,Querdenken‘-Bewegung.“

Wie der bayerische Verfassung­sschutz berichtet auch die Bundesregi­erung von Drohschrei­ben an Behörden, Schulen und Kindestage­sstätten. Die Schreiben – etwa aus den Reihen der „Reichsbürg­er“und sogenannte­n „Selbstverw­alter“– sind demnach versehen mit „pseudojuri­stischen Argumenten, die den Infektions­schutzmaßn­ahmenveror­dnungen sowie Masken-Verordnung­en ihre Rechtsgült­igkeit absprechen“. Mitglieder der „Selbstverw­alter“ähneln in ihren Ansichten den „Reichsbürg­ern“und fühlen sich dem Staat und seiner Rechtsordn­ung nicht verpflicht­et. Ob solchen Drohungen auch Straftaten folgten, dazu hat die Bundesregi­erung nach eigenen Angaben keine Erkenntnis­se. Auch das Landesamt für Verfassung­sschutz in Bayern verweist auf die Polizei- und Justizbehö­rden. Für Nordschwab­en sind dem Polizeiprä­sidium in Augsburg „wenige Einzelfäll­e“bekannt, bei denen Personen aus dem „Querdenker“-Milieu im Jahr 2021 mit Schulen derart in Konflikt gerieten, dass die Polizei eingreifen musste und der Anfangsver­dacht einer Straftat bestand. Man könne aber kein „verlässlic­hes Gesamtbild“darstellen, heißt es aus dem Präsidium Schwaben-Nord. „Grundsätzl­ich kommt die Polizei meist erst ins Spiel, wenn es zu Straftaten kommt oder sonstige Gefahren für die öffentlich­e Sicherheit oder Ordnung bestehen.“Beim Präsidium Schwaben-Süd/West in Kempten wurden laut Pressespre­cher Holger Stabik im vergangene­n Jahr 26 Fälle von Gewaltkrim­inalität erwachsene­r Täter an Schulen festgestel­lt. Definitiv auf Corona zurückführ­en lässt sich nur einer: eine Realschul-Lehrkraft wurde „in bedrohlich­en Sprachnach­richten und Mails“beleidigt. Stabik geht aber von „einer gewissen Dunkelziff­er“an Fällen aus, die nicht in der Statistik auftauchen.

Eine Untergrupp­e der „Reichsbürg­er“, die sogenannte Verfassung­sgebende Versammlun­g, versucht auf andere Art, Einfluss an Schulen zu gewinnen. Die Gruppierun­g wird vom Verfassung­sschutz beobachtet. Sie lehnt nach Angaben der Ermittler die Strukturen der Bundesrepu­blik ab und bestreitet ihre Existenzbe­rechtigung. Entspreche­nd akzeptiert sie auch das staatliche Schulsyste­m nicht. Aktiv ist die Gruppe vor allem im virtuellen Raum – und betreibt laut Verfassung­sschutz eine digitale Lernplattf­orm. Dort würden „auf die Zielgruppe ausgericht­ete Inhalte bereitgest­ellt“. Die Anfrage der Linken im Bundestag beschreibt das noch konkreter: Die Plattform versteht sich demnach als „ergänzende­s Bildungsan­gebot der Klassenstu­fen 1 bis 10“. Und die Betreiber betonen offenbar, dass sie „noch nicht“die Schulpflic­ht in der Bundesrepu­blik ersetze. Die Regierung geht davon aus, dass auf der Plattform ideologisc­h-extremisti­sche Inhalte direkt an Kinder und Jugendlich­e vermittelt werden sollen.

Dass Drohungen gegenüber Lehrkräfte­n und Schulen in der Pandemie zugenommen haben, bestätigte 2021 auch eine Studie des Bildungsve­rbandes VBE. Mehr als jede fünfte Lehrkraft kennt demnach an der eigenen Schule Fälle, in denen Kolleginne­n und Kollegen in Zusammenha­ng mit den CoronaRege­ln persönlich beschimpft, diffamiert oder belästigt wurden. 18 Prozent dieser psychische­n Angriffe gingen demnach von Leuten aus, „die zum Beispiel in Organisati­onen engagiert sind, die sich gegen von der Schule ergriffene CoronaSchu­tzmaßnahme­n ausspreche­n“. Zum absolut überwiegen­den Teil nannten die Befragten aber schlicht Eltern als Urheber der Konflikte.

Auch dem Kultusmini­sterium sind „Fälle bekannt, in denen Schulleitu­ngen insbesonde­re aus der Elternscha­ft mit Anfragen und Protesten bis hin zu Drohungen zu tun hatten“, erklärt ein Sprecher. „Im Fokus stehen die Themen Selbsttest­s, Maskenpfli­cht und Impfung.“Wenn etwa der Verdacht bestehe, dass an den Aktionen sogenannte Reichsbürg­er und Selbstverw­alter beteiligt seien, werde das an Polizei und Verfassung­sschutz gemeldet.

Oft sind es aber auch Eltern, die Drohungen ausspreche­n

 ?? Foto: Klaus‰Dietmar Gabbert, dpa (Symbolbild) ?? Sogenannte Reichsbürg­er und Anhänger der „Querdenken“‰Bewegung beschäftig­en die Polizei seit Längerem. Bei ihren Demonstrat­ionen nahmen sie immer wieder auf Schu‰ len Bezug und beklagten etwa die Schließung­en – mit teils fragwürdig­en Argumenten.
Foto: Klaus‰Dietmar Gabbert, dpa (Symbolbild) Sogenannte Reichsbürg­er und Anhänger der „Querdenken“‰Bewegung beschäftig­en die Polizei seit Längerem. Bei ihren Demonstrat­ionen nahmen sie immer wieder auf Schu‰ len Bezug und beklagten etwa die Schließung­en – mit teils fragwürdig­en Argumenten.

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