Die Luxusautos der Betrüger
Kriminalität Warum Bayerns Justizminister im Landkreis Neu-Ulm zwei teure Wagen als Ermittlungserfolg präsentiert.
NeuUlm Die Flügeltüre des Lamborghini steht offen, beim Rolls Royce ist die Tür zum Rücksitz geöffnet, bereit zum Test für den betuchten Kunden. Doch die beiden Edelkarossen warten in der Fahrzeughalle im Landkreis Neu-Ulm nicht auf mögliche Käufer. Sie sind vielmehr Kulisse für eine Erfolgsmeldung der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg und des bayerischen Justizministeriums im Kampf gegen Betrug im Internet. Dabei stehen die beiden Fahrzeuge im Wert von einer Million Euro tatsächlich nur für einen Bruchteil der Beute, die durch Cybertrading entstanden sind.
Die Plattformen nennen sich „Trade Capital“oder „Nobel Trade“. Und sie versprechen immer dasselbe: schnelles Geld mit Aktiengeschäften. Nino Goldbeck leitet die Ermittlungen bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, in der Zentralstelle Cybercrime, wo seit 2018 die Fäden bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität in Bayern zusammenlaufen. Er vergleicht die Betrüger-Syndikate mit international tätigen Konzernen. Von den Callcentern, in denen professionell geschulte Mitarbeiter den gutgläubigen Anlegern das Geld aus der Tasche ziehen, bis zu den internationalen Geldwäsche-Netzwerken ist alles durchorganisiert. Die Täter sind über die europäischen Grenzen hinaus aktiv. „Die Ermittlungsmöglichkeiten in Deutschland sind deshalb meist sehr gering“, sagt Goldbeck.
Den Ermittelnden bleibt deshalb nur eines: Sie müssen versuchen, die Hinterleute mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. „Dafür arbeiten wir auf technisch hohem Niveau und international vernetzt.“Im vorliegenden Fall wurden mehr als 20 Staaten um Rechtshilfe gebeten. Festnahmen erfolgten zwischen 2020 und Ende 2021 in Bulgarien, Serbien, der Ukraine, Rumänien und Israel.
So kommt es auch, dass die beiden Nobelautos aus der Ukraine ihren Weg nach Deutschland fanden.
Mit einem Charterflugzeug landeten die beschlagnahmten Fahrzeuge vor einigen Wochen auf dem Flughafen Memmingen – der Freistaat hat dafür ein darauf spezialisiertes Unternehmen aus dem Landkreis NeuUlm beauftragt, das aus Sicherheitsgründen nicht näher genannt werden soll. Vermögensabschöpfung nennt sich dieses Vorgehen der Behörden, bei dem neben Autos auch Immobilien, Konten und Cryptowährungen der Tatverdächtigen eingezogen werden. Mehr als drei Millionen Euro konnten so auf Konten in der Schweiz und in Deutschland gesichert werden. Allein im ersten Halbjahr 2021 sind laut Bayerns Justizminister Georg Eisenreich Vermögensgegenstände im Wert von 51,4 Millionen Euro sichergestellt worden.
Doch die Schäden liegen weit höher. Im Bereich des Cybertradings geht das Justizministerium davon aus, dass allein in Bayern zwischen 2018 und 2021 ein Schaden von mehr als 200 Millionen Euro entstanden ist. Mindestens 250 Euro haben die Betroffenen im aktuellen
Fall verloren – laut Nino Goldbeck ist das die Summe, die auf den betrügerischen Plattformen als „Ersteinlage“verlangt wird. „Es gibt Geschädigte, die eine, zwei oder drei Millionen Euro verloren haben.“Sicher identifiziert hat das Ermittlerteam bislang 350 Personen in Deutschland, die Anzeige gegen die Betrüger erstattet haben. „Wir wissen aber, dass es auch im englisch-, spanisch- und italienischsprachigen Raum noch Opfer gibt.“
Ziel sei es, den Betroffenen nach Möglichkeit etwas davon zurückzuerstatten, was sie durch das Cybertrading verloren haben. Der Lamborghini und der Rolls Royce sollen deshalb verkauft werden. Bis die Opfer der Betrugsmaschen eine Entschädigung bekommen, sei es jedoch ein langer Weg, meist müssten erst die Verfahren gegen die Täter abgeschlossen sein. Drei Personen sind bereits rechtskräftig verurteilt worden, gegen drei weitere Beschuldigte wurde Anklage erhoben. „Die Verhandlungen beginnen demnächst“, sagt Staatsanwalt Goldbeck.