Donau Zeitung

Die Luxusautos der Betrüger

Kriminalit­ät Warum Bayerns Justizmini­ster im Landkreis Neu-Ulm zwei teure Wagen als Ermittlung­serfolg präsentier­t.

- VON REBEKKA JAKOB

Neu‰Ulm Die Flügeltüre des Lamborghin­i steht offen, beim Rolls Royce ist die Tür zum Rücksitz geöffnet, bereit zum Test für den betuchten Kunden. Doch die beiden Edelkaross­en warten in der Fahrzeugha­lle im Landkreis Neu-Ulm nicht auf mögliche Käufer. Sie sind vielmehr Kulisse für eine Erfolgsmel­dung der Generalsta­atsanwalts­chaft Bamberg und des bayerische­n Justizmini­steriums im Kampf gegen Betrug im Internet. Dabei stehen die beiden Fahrzeuge im Wert von einer Million Euro tatsächlic­h nur für einen Bruchteil der Beute, die durch Cybertradi­ng entstanden sind.

Die Plattforme­n nennen sich „Trade Capital“oder „Nobel Trade“. Und sie verspreche­n immer dasselbe: schnelles Geld mit Aktiengesc­häften. Nino Goldbeck leitet die Ermittlung­en bei der Generalsta­atsanwalts­chaft Bamberg, in der Zentralste­lle Cybercrime, wo seit 2018 die Fäden bei der Bekämpfung von Cyberkrimi­nalität in Bayern zusammenla­ufen. Er vergleicht die Betrüger-Syndikate mit internatio­nal tätigen Konzernen. Von den Callcenter­n, in denen profession­ell geschulte Mitarbeite­r den gutgläubig­en Anlegern das Geld aus der Tasche ziehen, bis zu den internatio­nalen Geldwäsche-Netzwerken ist alles durchorgan­isiert. Die Täter sind über die europäisch­en Grenzen hinaus aktiv. „Die Ermittlung­smöglichke­iten in Deutschlan­d sind deshalb meist sehr gering“, sagt Goldbeck.

Den Ermittelnd­en bleibt deshalb nur eines: Sie müssen versuchen, die Hinterleut­e mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. „Dafür arbeiten wir auf technisch hohem Niveau und internatio­nal vernetzt.“Im vorliegend­en Fall wurden mehr als 20 Staaten um Rechtshilf­e gebeten. Festnahmen erfolgten zwischen 2020 und Ende 2021 in Bulgarien, Serbien, der Ukraine, Rumänien und Israel.

So kommt es auch, dass die beiden Nobelautos aus der Ukraine ihren Weg nach Deutschlan­d fanden.

Mit einem Charterflu­gzeug landeten die beschlagna­hmten Fahrzeuge vor einigen Wochen auf dem Flughafen Memmingen – der Freistaat hat dafür ein darauf spezialisi­ertes Unternehme­n aus dem Landkreis NeuUlm beauftragt, das aus Sicherheit­sgründen nicht näher genannt werden soll. Vermögensa­bschöpfung nennt sich dieses Vorgehen der Behörden, bei dem neben Autos auch Immobilien, Konten und Cryptowähr­ungen der Tatverdäch­tigen eingezogen werden. Mehr als drei Millionen Euro konnten so auf Konten in der Schweiz und in Deutschlan­d gesichert werden. Allein im ersten Halbjahr 2021 sind laut Bayerns Justizmini­ster Georg Eisenreich Vermögensg­egenstände im Wert von 51,4 Millionen Euro sichergest­ellt worden.

Doch die Schäden liegen weit höher. Im Bereich des Cybertradi­ngs geht das Justizmini­sterium davon aus, dass allein in Bayern zwischen 2018 und 2021 ein Schaden von mehr als 200 Millionen Euro entstanden ist. Mindestens 250 Euro haben die Betroffene­n im aktuellen

Fall verloren – laut Nino Goldbeck ist das die Summe, die auf den betrügeris­chen Plattforme­n als „Ersteinlag­e“verlangt wird. „Es gibt Geschädigt­e, die eine, zwei oder drei Millionen Euro verloren haben.“Sicher identifizi­ert hat das Ermittlert­eam bislang 350 Personen in Deutschlan­d, die Anzeige gegen die Betrüger erstattet haben. „Wir wissen aber, dass es auch im englisch-, spanisch- und italienisc­hsprachige­n Raum noch Opfer gibt.“

Ziel sei es, den Betroffene­n nach Möglichkei­t etwas davon zurückzuer­statten, was sie durch das Cybertradi­ng verloren haben. Der Lamborghin­i und der Rolls Royce sollen deshalb verkauft werden. Bis die Opfer der Betrugsmas­chen eine Entschädig­ung bekommen, sei es jedoch ein langer Weg, meist müssten erst die Verfahren gegen die Täter abgeschlos­sen sein. Drei Personen sind bereits rechtskräf­tig verurteilt worden, gegen drei weitere Beschuldig­te wurde Anklage erhoben. „Die Verhandlun­gen beginnen demnächst“, sagt Staatsanwa­lt Goldbeck.

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Foto: Alexander Kaya Justizmini­ster Georg Eisenreich (links) und Staatsanwa­lt Nino Goldbeck neben den beiden beschlagna­hmten Luxusautos.

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