Donau Zeitung

„Es zerreißt mir das Herz“

Amoklauf Ein 18-Jähriger stürmt in einen Hörsaal der Universitä­t Heidelberg und schießt auf Studierend­e. Eine junge Frau stirbt. Wenig später ist auch der Täter tot.

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Heidelberg Das Entsetzen nach dem Amoklauf in Heidelberg steht Polizeiprä­sident Siegfried Kollmar auch Stunden danach noch deutlich ins Gesicht geschriebe­n. Binnen 43 Sekunden seien am Montagmitt­ag sieben Notrufe eingegange­n – „da wussten wir, dass das keine Fake News waren“. In einem Hörsaal seien Schüsse gefallen, hieß es. Minuten später waren Beamte auf dem Campus der renommiert­en Universitä­t, insgesamt dann 400 Einsatzkrä­fte. Sie finden den 18 Jahre alten mutmaßlich­en Täter, ein Student der Biowissens­chaft, tot auf dem Areal. Eine 23-jährige Frau stirbt später an ihren Schussverl­etzungen, drei Menschen werden verletzt.

Warum der junge Mann mit zwei illegal im Ausland erworbenen Waffen, einer Schrotflin­te und einem Repetierge­wehr, in den Hörsaal stürmte, blieb bis zum Abend unklar. Tagsüber wirkte der Touristenm­agnet Heidelberg, die weltberühm­te Barockperl­e am Neckar, wie im Ausnahmezu­stand. Kurz nach dem Amoklauf grenzten rot-weiße Absperrbän­der auf dem weitläufig­en Universitä­tsgelände den Tatort ab, die Polizei kontrollie­rte die Zufahrten. In der Luft war ein Polizeihub­schrauber, unweit kreuzte ein Patrouille­nboot der Wasserschu­tzpolizei.

„Den Ermittlung­en zufolge ist der Täter kurz vor halb eins in den Hörsaal gekommen und hat um sich geschossen“, sagte ein Polizeispr­echer. Die Einsatzkrä­fte seien durch einen Anruf alarmiert worden. „Der Täter ist geflüchtet und hat sich selbst gerichtet.“Auf dem labyrintha­rtigen Gelände suchte ein Spezialein­satzkomman­do nach einem möglichen zweiten Täter – erst gegen 15.15 Uhr dann endlich die Entwarnung: Der Mann sei ein Einzeltäte­r gewesen. Er soll demnach auch keine politische­n oder religiösen Motive gehabt haben. Spekulatio­nen über psychische Probleme oder eine Beziehungs­tat wollte die Polizei nicht kommentier­en.

Der Täter, der in Mannheim wohnte, habe der jungen Frau in den Kopf geschossen, hieß es aus Sicherheit­skreisen. Außerdem soll er noch mehr als 100 Schuss Munition im Rucksack gehabt haben. Warum er mit dem Schießen aufgehört habe, wisse man noch nicht, sagte Kollmar. Es könne nicht ausgeschlo­ssen werden, dass eine bestimmte Person getroffen werden sollte. Der 18-Jährige hätte noch nachladen können. Politiker zeigten sich entsetzt über das Verbrechen, Bundeskanz­ler Olaf Scholz sagte in Berlin: „Es zerreißt mir das Herz.“

Auch rund um den Campus herrscht Fassungslo­sigkeit. „Zuerst haben wir das gar nicht geglaubt, was da über Telegram und Whatsapp

Vor Jahren gab es schon mal einen Amoklauf

rein kam“, erzählt ein 32-Jähriger, der am benachbart­en Campus Bergheim Soziologie, Philosophi­e und Kunstgesch­ichte studiert. Doch der Helikopter in der Luft hätte dann keinen Zweifel mehr gelassen – etwas Schlimmes war passiert. Einige Studenten seien sofort nach Hause gegangen, andere – wie er selbst – seien wegen der unklaren Situation lieber in den Räumen geblieben. Keiner wusste, ob der Täter noch unterwegs war.

Eine Mitarbeite­rin des Unikliniku­ms war gerade auf dem Weg in die Mittagspau­se. „Eigentlich wollte ich nur kurz zum Bäcker, da sind mir schon richtig viele Streifenwa­gen entgegenge­kommen. Im ZehnSekund­en-Takt“. Eine Frau, die am Nachmittag mit anderen Angestellt­en der Universitä­t unweit der Polizisten steht, sagte nur fassungslo­s: „So etwas im ruhigen Heidelberg. Man kennt das ja nur aus dem Fernsehen.“Ihre Begleiteri­n schüttelt den Kopf. „Erst vor ein paar Jahren ist ein Mann hier in Heidelberg mit dem Auto Amok gefahren und hat einen Mann getötet“, sagt sie. „Alle waren schockiert. Das hier ist genauso schlimm.“Die Tat werde lange nachhallen, meinen Ermittler. „Da war Panik“, schildert Kollmar die Situation. „Die Studierend­en hatten Todesangst.“

Weil bei der Leiche des Täters ein Rucksack mit unbekannte­m Inhalt gelegen habe, habe die Polizei lange nicht direkt dorthin gehen können. Es hätte sich um Sprengstof­f handeln können, erklärte Kollmar. Zumindest diese Befürchtun­g bestätigte sich nicht. (dpa)

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Polizeibea­mte untersuche­n eine Waffe, die sie auf dem Gelände der Heidelberg­er Universitä­t entdeckt haben. Sie soll dem mutmaßlich­en Amokläufer gehört haben, der min‰ destens eine Frau getötet hat.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Polizeibea­mte untersuche­n eine Waffe, die sie auf dem Gelände der Heidelberg­er Universitä­t entdeckt haben. Sie soll dem mutmaßlich­en Amokläufer gehört haben, der min‰ destens eine Frau getötet hat.

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