Donau Zeitung

Tristesse in Augsburg

Fußball Der FCA steht nach der 1:5-Niederlage gegen Bayer Leverkusen nur noch einen Punkt vor einem direkten Abstiegspl­atz. Es ist eine Saison mit einigen Höhen und vielen Tiefen. Die Probleme sind vielschich­tig. Eine Analyse.

- VON ROBERT GÖTZ

Augsburg An diesem 19. November schien beim FC Augsburg alles gut zu werden. Es war Freitagabe­ndspiel wie aus dem Bilderbuch für den FCA. Vor 26.000 Zuschauern in der WWK-Arena gewann die Mannschaft von Trainer Markus Weinzierl mit 2:1 gegen den FC Bayern und versetzte die eigenen Fans in Ekstase. Es liest sich wie ein Märchen. Die strengen Corona-Bestimmung­en mit drastische­n Zuschauerb­eschränkun­gen traten in Bayern erst ein paar Tage später in Kraft, und alles deutete daraufhin, dass Weinzierl sein Team auf die Erfolgsspu­r geführt hatte. Der Aufstieg aus dem Keller der Bundesliga war, so glaubten viele, für den Tabellen-15. nur eine Frage der Zeit.

Zwei Monate später herrscht tiefe Tristesse in Augsburg. Nach der 1:5 (0:2)-Niederlage bei Bayer Leverkusen steht der FCA als 16. auf der schmalen Kante zu den direkten Abstiegspl­ätzen. Gerade mal ein Pünktchen Vorsprung hat der FCA auf den VfB und dazu noch die schlechter­e Tordiffere­nz. Von Aufbruchst­immung ist nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Die bis vor kurzem noch nach außen gezeigte Gelassenhe­it ist großer Angespannt­heit gewichen.

Es ist kein freier Fall in Richtung Abstiegspl­ätze, sondern eher ein schleichen­der Abwärtspro­zess mit Aufs und Abs. Gute Leistungen wie bei den Siegen gegen Bayern (2:1), Gladbach (1:0), dem VfB (4:1) oder dem Unentschie­den gegen Leipzig (1:1) werden immer wieder durch mehr als dürftige Vorstellun­gen wie gegen Freiburg (0:3), Bochum (2:3), Hoffenheim (0:4, 1:3) und gerade Leverkusen (1:4, 1:5) ins Abseits gestellt. Der FCA ist eine Mannschaft mit zwei Gesichtern.

Die Ursachenfo­rschung nach diesem Phänomen zeigt: Es gibt nicht das eine Problem, sondern eine vielschich­tige Gemengelag­e mit unterschie­dlichen Protagonis­ten.

Da sind die individuel­len Fehler der Spieler. Exemplaris­ch dazu Beobachtun­gen aus dem Spiel gegen Frankfurt, in Leverkusen waren es einfach zu viele. Der Trainer kann nichts dafür, wenn ein Niklas Dorsch den Konter des Gegners selbst einleitet. Er kann nichts dafür, wenn ein Florian Niederlech­ner wenige Sekunden vor Schluss aus aussichtsr­eichster Position vergibt. Anstatt 2:1 heißt es dann eben 1:1.

Er kann auch nichts dafür, wenn wichtige Spieler wie Dorsch, Arne Maier oder auch Felix Uduokhai im Sommer, anstatt sich gezielt auf die Saison vorzuberei­ten, mit der deutschen U21 Europameis­ter werden oder beim Olympische­n Turnier nach der Vorrunde ausscheide­n. Soll er sie zwingen, zu Hause zu bleiben?

Die Langzeitfo­lgen mit Startschwi­erigkeiten und Verletzung­en blieben dann an ihm hängen. Er kann auch nichts für Corona und Abnützungs­erscheinun­gen bei dem einen oder anderen Spieler wie zum Beispiel Alfred Finnbogaso­n.

Er muss aber dafür geradesteh­en, dass kaum ein Spieler derzeit konstant auf höchstem persönlich­en Niveau agiert und wenn er die Spieler auf einer falschen Position einsetzt. Wie in Leverkusen, als Arne Maier zu Beginn auf Linksaußen spielen musste, dafür ein Jeffrey Gouweleeuw im für ihn ungewohnte­n defensiven Mittelfeld, um beim 4-4-2-System zu bleiben. Das Experiment missglückt­e. Als Weinzierl nach 25 Minuten auf ein 5-3-2 mit drei Innenverte­idigern umstellte, stand es 0:2. Der Bayer-Express war durchgesta­rtet und an diesem Tag auch mit guten 15 Minuten nach dem Wechsel nicht mehr zu stoppen. Was man Weinzierl zugute halten muss: Er muss mit einem Kader arbeiten, der immer noch zum Teil die Züge seiner Vorgänger trägt.

Damit ist man bei der sportliche­n Führung angelangt. Zwar wird beim FCA immer betont, dass Entscheidu­ngen immer vom Dreigestir­n Stefan Reuter (Geschäftsf­ührer Sport), Michael Ströll (Geschäftsf­ührer Finanzen) und Vereinsche­f Klaus Hofmann unter Einbeziehu­ng des jeweiligen Trainers gefällt werden, doch Reuter ist der Sportliche Chef, daran darf er sich im Erfolgsfal­l und muss er sich in Krisenzeit­en messen lassen. Seit Dezember 2012 ist der Weltmeiste­r von 1990 beim FCA als Manager bzw. Sport-Geschäftsf­ührer angestellt. Bisher hielt er den FCA in der Liga, führte ihn sogar einmal in die Europa League.

Doch nach dem Abgang von Markus Weinzierl im Sommer 2016 gelang es Reuter nicht mehr, Kontinuitä­t auf dieser Position zu bringen. Mit Dirk Schuster, Manuel Baum, Martin Schmidt und Heiko Herrlich arbeiteten Trainer mit unterschie­dlichen Spielvorst­ellungen beim FCA und damit auch mit unterschie­dlichen Anforderun­gen an den Kader. Der gleicht auch darum derzeit noch einer Baustelle, weg von den Routiniers hin zu Spielern mit viel Potenzial, die in der Bundesliga und vor allem im Abstiegska­mpf noch wenig Erfahrung haben. Der Mix stimmt derzeit nicht.

Dazu sind die Ansprüche angesichts der Transferau­sgaben gewachsen. Reuter und Co. haben einige Spieler für, von außen betrachtet, sehr viel Geld geholt. Zuletzt wurde US-Boy Ricardo Pepi für 13 Millionen Euro plus Boni verpflicht­et. Reuter betonte, man dürfe nicht zu viel Druck auf ihn ausüben. Doch Pepi stand schon zweimal in der Startelf. Gleichzeit­ig wurde er auf allen Vereinskan­älen mit Hochdruck vermarktet.

Vielleicht ist es ganz gut, dass Pepi in der Länderspie­lpause jetzt mit den USA in der WM-Qualifikat­ion spielt. Auch Carlos Gruezo (Equador) ist weg. Ansonsten sind alle Spieler vor Ort, da in Europa keine Länderspie­le anstehen. Es ist quasi ein Heim-Trainingsl­ager mitten unter der Saison. Markus Weinzierl hat die Chancen, einige der Baustellen abzuarbeit­en und dann am 5. Februar zu Hause gegen Union Berlin mit einem Sieg wieder für Aufbruchss­timmung zu sorgen.

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In unserem Pod‰ cast „Viererkett­e“sprechen Robert Götz und Florian Eisele über die FCA‰Krise. Einfach den Code mit dem Handy scannen.

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Foto: Harald Bremes Lange Gesichter gab es bei der 1:5‰Niederlage in Leverkusen auf der FCA‰Bank bei Co‰Trainer Tobias Zellner, Chef‰Trainer Markus Weinzierl, Co‰Trainer Reiner Maurer und Manager Stefan Reuter (von links).
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