Tristesse in Augsburg
Fußball Der FCA steht nach der 1:5-Niederlage gegen Bayer Leverkusen nur noch einen Punkt vor einem direkten Abstiegsplatz. Es ist eine Saison mit einigen Höhen und vielen Tiefen. Die Probleme sind vielschichtig. Eine Analyse.
Augsburg An diesem 19. November schien beim FC Augsburg alles gut zu werden. Es war Freitagabendspiel wie aus dem Bilderbuch für den FCA. Vor 26.000 Zuschauern in der WWK-Arena gewann die Mannschaft von Trainer Markus Weinzierl mit 2:1 gegen den FC Bayern und versetzte die eigenen Fans in Ekstase. Es liest sich wie ein Märchen. Die strengen Corona-Bestimmungen mit drastischen Zuschauerbeschränkungen traten in Bayern erst ein paar Tage später in Kraft, und alles deutete daraufhin, dass Weinzierl sein Team auf die Erfolgsspur geführt hatte. Der Aufstieg aus dem Keller der Bundesliga war, so glaubten viele, für den Tabellen-15. nur eine Frage der Zeit.
Zwei Monate später herrscht tiefe Tristesse in Augsburg. Nach der 1:5 (0:2)-Niederlage bei Bayer Leverkusen steht der FCA als 16. auf der schmalen Kante zu den direkten Abstiegsplätzen. Gerade mal ein Pünktchen Vorsprung hat der FCA auf den VfB und dazu noch die schlechtere Tordifferenz. Von Aufbruchstimmung ist nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Die bis vor kurzem noch nach außen gezeigte Gelassenheit ist großer Angespanntheit gewichen.
Es ist kein freier Fall in Richtung Abstiegsplätze, sondern eher ein schleichender Abwärtsprozess mit Aufs und Abs. Gute Leistungen wie bei den Siegen gegen Bayern (2:1), Gladbach (1:0), dem VfB (4:1) oder dem Unentschieden gegen Leipzig (1:1) werden immer wieder durch mehr als dürftige Vorstellungen wie gegen Freiburg (0:3), Bochum (2:3), Hoffenheim (0:4, 1:3) und gerade Leverkusen (1:4, 1:5) ins Abseits gestellt. Der FCA ist eine Mannschaft mit zwei Gesichtern.
Die Ursachenforschung nach diesem Phänomen zeigt: Es gibt nicht das eine Problem, sondern eine vielschichtige Gemengelage mit unterschiedlichen Protagonisten.
Da sind die individuellen Fehler der Spieler. Exemplarisch dazu Beobachtungen aus dem Spiel gegen Frankfurt, in Leverkusen waren es einfach zu viele. Der Trainer kann nichts dafür, wenn ein Niklas Dorsch den Konter des Gegners selbst einleitet. Er kann nichts dafür, wenn ein Florian Niederlechner wenige Sekunden vor Schluss aus aussichtsreichster Position vergibt. Anstatt 2:1 heißt es dann eben 1:1.
Er kann auch nichts dafür, wenn wichtige Spieler wie Dorsch, Arne Maier oder auch Felix Uduokhai im Sommer, anstatt sich gezielt auf die Saison vorzubereiten, mit der deutschen U21 Europameister werden oder beim Olympischen Turnier nach der Vorrunde ausscheiden. Soll er sie zwingen, zu Hause zu bleiben?
Die Langzeitfolgen mit Startschwierigkeiten und Verletzungen blieben dann an ihm hängen. Er kann auch nichts für Corona und Abnützungserscheinungen bei dem einen oder anderen Spieler wie zum Beispiel Alfred Finnbogason.
Er muss aber dafür geradestehen, dass kaum ein Spieler derzeit konstant auf höchstem persönlichen Niveau agiert und wenn er die Spieler auf einer falschen Position einsetzt. Wie in Leverkusen, als Arne Maier zu Beginn auf Linksaußen spielen musste, dafür ein Jeffrey Gouweleeuw im für ihn ungewohnten defensiven Mittelfeld, um beim 4-4-2-System zu bleiben. Das Experiment missglückte. Als Weinzierl nach 25 Minuten auf ein 5-3-2 mit drei Innenverteidigern umstellte, stand es 0:2. Der Bayer-Express war durchgestartet und an diesem Tag auch mit guten 15 Minuten nach dem Wechsel nicht mehr zu stoppen. Was man Weinzierl zugute halten muss: Er muss mit einem Kader arbeiten, der immer noch zum Teil die Züge seiner Vorgänger trägt.
Damit ist man bei der sportlichen Führung angelangt. Zwar wird beim FCA immer betont, dass Entscheidungen immer vom Dreigestirn Stefan Reuter (Geschäftsführer Sport), Michael Ströll (Geschäftsführer Finanzen) und Vereinschef Klaus Hofmann unter Einbeziehung des jeweiligen Trainers gefällt werden, doch Reuter ist der Sportliche Chef, daran darf er sich im Erfolgsfall und muss er sich in Krisenzeiten messen lassen. Seit Dezember 2012 ist der Weltmeister von 1990 beim FCA als Manager bzw. Sport-Geschäftsführer angestellt. Bisher hielt er den FCA in der Liga, führte ihn sogar einmal in die Europa League.
Doch nach dem Abgang von Markus Weinzierl im Sommer 2016 gelang es Reuter nicht mehr, Kontinuität auf dieser Position zu bringen. Mit Dirk Schuster, Manuel Baum, Martin Schmidt und Heiko Herrlich arbeiteten Trainer mit unterschiedlichen Spielvorstellungen beim FCA und damit auch mit unterschiedlichen Anforderungen an den Kader. Der gleicht auch darum derzeit noch einer Baustelle, weg von den Routiniers hin zu Spielern mit viel Potenzial, die in der Bundesliga und vor allem im Abstiegskampf noch wenig Erfahrung haben. Der Mix stimmt derzeit nicht.
Dazu sind die Ansprüche angesichts der Transferausgaben gewachsen. Reuter und Co. haben einige Spieler für, von außen betrachtet, sehr viel Geld geholt. Zuletzt wurde US-Boy Ricardo Pepi für 13 Millionen Euro plus Boni verpflichtet. Reuter betonte, man dürfe nicht zu viel Druck auf ihn ausüben. Doch Pepi stand schon zweimal in der Startelf. Gleichzeitig wurde er auf allen Vereinskanälen mit Hochdruck vermarktet.
Vielleicht ist es ganz gut, dass Pepi in der Länderspielpause jetzt mit den USA in der WM-Qualifikation spielt. Auch Carlos Gruezo (Equador) ist weg. Ansonsten sind alle Spieler vor Ort, da in Europa keine Länderspiele anstehen. Es ist quasi ein Heim-Trainingslager mitten unter der Saison. Markus Weinzierl hat die Chancen, einige der Baustellen abzuarbeiten und dann am 5. Februar zu Hause gegen Union Berlin mit einem Sieg wieder für Aufbruchsstimmung zu sorgen.
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