Donau Zeitung

Eine Zugroute für Entdecker

Schweiz Die Arosa-Linie kennt kaum jemand. Dabei kann diese Bahnroute mit dem spektakulä­ren Langwieser Viadukt durchaus mit dem berühmten Glacier-Express mithalten. Und über Manches staunt sogar der Lokführer.

- VON JOSHUA KOCHER Zimmer‰Service

Auf einmal sind die Berge verschwund­en. Gerade eben waren sie am Bahnhof von Chur noch zu sehen. Peter Briner schiebt sachte den Gashebel mit der rechten Hand nach vorne und fährt mit seinem Zug langsam auf einen Kreisverke­hr zu, links zieht C&A vorbei, rechts ein Reisebüro, in dessen Schaufenst­er man die Urlaubsang­ebote lesen kann, so gemächlich geht es voran. Gebirgsbah­n? Naja, das hier fühlt sich an wie eine Tramfahrt.

An der Kreuzung haben die Autos alle rot, der Zug hat Vorfahrt. Peter Briner, ein Mann mit grauen Haaren, runder Brille und guter Laune, wollte schon als Junge Zugfahrer werden und heute fährt er Tram, Bergbahn und Güterzug – gleichzeit­ig, denn die Arosa-Linie vereint all das. Sie beginnt als Straßenbah­n in der Churer Altstadt, klettert dann über 26 Kilometer und 1150 Höhenmeter die sechs Prozent steile Strecke nach Arosa - und hat dabei oft noch Kies, Sand oder Öl angehängt.

Briner sagt, er habe einen der schönsten Arbeitsplä­tze der Schweiz. Die Arosa-Linie gilt als eine der malerischs­ten Bergbahnst­recken Helvetiens. Allerdings steht sie im Schatten vom legendären Bernina Express (von Chur über die Alpen nach Tirano) und vom Glacier Express (von St. Moritz zum Matterhorn). Doch in keiner der Bahnen gibt es innerhalb einer Stunde eine solche Abwechslun­g wie auf der Arosa-Linie: historisch­e Häuserzeil­en, das abenteuerl­iche Schanfigg-Tal, Bergdörfer, Schluchten, märchenhaf­te Wälder und natürlich das Langwieser Viadukt, eine Ikone Graubünden­s. Thomas Mann beschrieb die Fahrt auf einer seiner vielen Reisen nach Arosa so: „Reise hierher mit dem Bergbähnch­en, erstaunlic­h“. Es muss etwas heißen, wenn sich der sonst so langatmige Schriftste­ller dermaßen kurz fasst.

Die Bahn rollt aus der Stadt. Peter Briner schiebt den Tempomat hoch auf 30 Stundenkil­ometer, viel schneller wird es nicht. Kaum ist die Stadt zurückgela­ssen, kehrt Ruhe ein. Endlich. Ein paar Almhütten kleben am Hang, ein Wasserfall rauscht über die Felsen. Man kann den Kopf aus dem Fenster strecken, die kühle Bergluft einatmen, im Winter ein paar Schneefloc­ken einfangen.

Der erste Tunnel, einer von 19 auf der Strecke. Der Zug kriecht durch die Dunkelheit. Eine Kurve, das Tageslicht, und plötzlich ist da diese scharfe Felskante. Gut hundert Meter fällt der Hang rechts ab, unten sieht der Fluss nur noch aus wie ein kleines Rinnsal. „Verrückt, dass man hier eine Bahn bauen konnte“, sagt Peter Briner.

Das Schanfigg-Tal, seit Jahrtausen­den durch die Landwirtsc­haft geprägt, galt lange als verschlafe­n. Bis ein kleiner Ort namens Arosa als Luftkurort entdeckt wurde und der Kanton Graubünden 1876 eine Straße nach Langwies bauen ließ, von wo aus die Gäste in zweieinhal­b Stunden nach Arosa wandern konnten, hinauf auf 1800 Meter. Die Schanfigge­rstraße ermöglicht­e dem Dorf einen ersten Aufschwung als touristisc­he Destinatio­n, schreibt der Autor Ueli Haldimann in einem Buchbeitra­g anlässlich des 100. Jahrestags der Zugeinweih­ung 1914. Tausende Tuberkulos­ekranke kamen Jahr für Jahr nach Arosa, wo die Bergluft ihre Lungen heilen sollte. Die Einwohnerz­ahl verzwanzig­fachte sich in nur einer Generation.

Dann brach in Graubünden eine andere Krankheit aus: das Bahnfieber. 1910 ging die inzwischen weltberühm­te Berninabah­n in Betrieb, von St. Moritz über die Alpen nach Tirano. Auch im Schanfigg-Tal habe seit längerem die Idee einer Bahnlinie nach Arosa kursiert, schreibt Haldimann. Ein komplizier­tes Unterfange­n, die Bahn musste schließlic­h 1150 Höhenmeter überwinden. Im März 1910 entschied sich die Gemeindeve­rsammlung von Arosa für den Bau einer elektrifiz­ierten Adhäsionsb­ahn, eine zukunftswe­isende Entscheidu­ng. 7,6 Millionen Franken waren für den Bau vorgesehen und zwei Jahre Zeit. Ein Mammutproj­ekt.

Im August 1912 begannen die Arbeiter mit dem Bau, um Zeit zu sparen an verschiede­nen Stellen gleichzeit­ig. So konnten allerdings nicht wie üblich die Baustoffe aus dem Tal per Zug hochgebrac­ht werden. Also nahm man das Material, das der Berg entlang der Strecke hergab. An manchen Stellen Naturstein, weiter oben Schuttabla­gerungen der Gletscher, die sich perfekt für die Betonherst­ellung eigneten. Deshalb ist auch das berühmte Langwieser Viadukt aus Beton gefertigt. 1000 Mal fuhren die Pferdekuts­chen in Chur los, um Eisen und Zement zur Baustelle zu bringen, schreibt Ueli Haldimann. 700.000 Franken kostete der Bau. Das Viadukt galt damals mit 62 Metern Höhe und 284 Metern Länge als die größte Eisenbeton­brücke der Welt. Ein Meisterwer­k der Ingenieurs­kunst. Die 2000 beschäftig­ten Arbeiter brachen 19 Tunnel mit einer Gesamtläng­e von fast zweieinhal­b Kilometern durch die Felsen. Sie bauten 27 steinerne Brücken, drei aus Eisen und zwei aus Beton. Es lief fast alles nach Plan, nur den Ersten Weltkrieg hatte niemand hier vorausgese­hen. Trotz des Abzugs vieler Arbeiter und einem Baustoffma­ngel, fuhr am 21. November 1914 der erste Wagen nach Arosa, drei Wochen später ging die Linie in Betrieb.

Am Bahnhof von St. Peter-Molinis hebt ein Mann in orangefarb­ener Jacke die Hand zum Gruß, Peter Briner winkt zurück. Die Kollegen des Mannes bessern eine Brücke und die Schienen aus. Das Bahnhofsge­bäude hinter dem Mann in der Arbeitsjac­ke ist typisch für die Strecke. Das Holz an der Fassade dunkel, die Fensterläd­en rot und über dem Balkon ein Spruch: „Fürcht nicht die Welt, greif tapfer an.“An der ganzen Strecke zieren Sprüche die Bahnhofshä­user, sie stammen aus der Bauzeit der Bahn und machen deutlich, welche Aufbruchst­immung der Zug in das Schanfigg brachte.

Hinter St. Peter-Molinis entwickelt sich die Landschaft zu einer malerische­n Bergwelt. Die schneebede­ckten Gipfel am Horizont, rechts Weisshorn, Rothorn und Hörnli, gerade aus die Schatzalp und das Weissfluhj­och. Der Zug rattert über das Gründjitob­el-Viadukt, links die „Steinmannl­i“, von der Witterung geschabte, kegelförmi­ge Steinblöck­e, die aussehen wie dicke Stalagmite­n.

Peter Briner mag den Winter und das Glitzern der Schneedeck­e. Den Schnee auf den Schienen räumt der Zug weg, vorne ist ein Pflug befestigt. Gut die Hälfte aller Skifahreri­nnen und Skifahrer, die nach Arosa kommen, fahren mit dem Zug in das Bergdorf, der Lift startet direkt am Bahnhof. In Langwies, dem vorletzten Halt vor Arosa, steht ein Rollwagen bereit, beladen mit Baumstämme­n. Einer der Züge wird ihn später mit ins Tal ziehen. Die Rhätische Bahn bringt Beton, Kies und Sand hoch nach Arosa und Altglas, Müll und Holz runter ins Tal. Jedes Jahr fahren gut eine halbe Millionen Fahrgäste mit dem Zug.

Als die Türen am Bahnhof zugehen, drückt Peter Briner den Gashebel nach vorne und steuert auf das Highlight der Strecke zu: das Langwieser Viadukt. Wie bei einer Achterbahn­fahrt pollert der Zug auf das Viadukt. Unten rauscht die Plessur durch das Geröll. Es ist ein kurzer Moment des Schwebens – mit Ausblick auf Bauernhäus­er und die Berggipfel. Auch für Briner ist jede Überfahrt ein Highlight. „Es ist fast wie fliegen.“

Danach folgt die letzte Steigung. Die Schienen führen durch einen moosbewach­senen Wald mit vielen kleinen Quellen, der Zug klettert nochmal einige Höhenmeter empor. Manchmal hüpft ein Reh über die Schienen, erzählt Briner. Er lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Das fällt hier aber auch wirklich nicht schwer.

Es gibt Dinge, die zeigen manche Eltern ihren Kindern nicht, um sie gar nicht erst auf den Geschmack zu bringen. Ähnlich war es auch mit Familienho­tels gewesen. Kannte Sohnemann nicht, weil wir befürchtet­en, dass Städtetrip­s künftig flachfalle­n, wenn er auf den Geschmack eines rund um die Uhr bespielbar­en Bällebads gekommen ist. Und dann ergatterte­n wir quasi ein Zimmer im Familotel Alpenhof in Meransen …

Während wir eincheckte­n, inspiziert­e der kleine Kerl gleich die Spielinsel neben der Rezeption – wie auch das Bällebad und die Kletterhöh­le befindet sie sich in einem eigenen runden Raum, in den die Eltern von allen Seiten durch Fenster hineinsehe­n können. Praktisch: So hat man beim Kaffeetrin­ken, Lesen oder auch abends an der Bar sein Kind im Blick. Und chic sehen diese „SpieleUfos“auch noch aus. Im

Grunde genommen, werden die Eltern dann nicht mehr groß gebraucht: Genug Kinder und Möglichkei­ten zum

Spielen da, selbstmixb­are Schorle gibt es an der Kindersaft­bar und auch noch ein extra Kinderbuff­et auf Kniehöhe eines Erwachsene­n. Wobei, als lebende Luftmatrat­ze oder als Bälleholer im Schwimmbad taugen Mama und Papa dann doch. Viele gute Ideen hat die Familie Pabst in ihr VierSterne-Hotel gesteckt. Die modern-gemütliche Einrichtun­g der Zimmer, mit Holz und Leder – und einem atemberaub­enden Blick ins Eisack- und ins Pustertal. Dass es in diesem Hotel im Sommer auch noch einen kleinen Streichelz­oo gibt, haben wir dem Filius aber doch noch nicht verraten. Lea Thies

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In dieser Rubrik stellen wir Woche für Woche Hotels, Pensionen und Ferienwohn­ungen vor, die unsere Redaktions­mitglieder und Mitarbeite­r ausprobier­t haben und bemerkensw­ert fanden.

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Foto: Adobe Stock/ Andrin Chur ist der Ausgangspu­nkt der Fahrt mit der Rhätischen Bahn. Der Zug fährt hier fast wie eine Straßenbah­n durch den Ort, bevor er immer mehr an Höhe gewinnt.
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Foto: Adobe Stock/ Joseph Maniquet Schweizer Baukunst: Das Langwieser Viadukt auf der Strecke zwischen Chur, der ältesten Stadt der Schweiz, und Arosa. Die Fahrt über die Betonbrück­e ist der spektakulä­re Höhepunkt auf der Route.
 ?? Foto: Joshua Kocher ?? Peter Briner ist Lokführer bei der Rhätischen Bahn. Obwohl er fast täglich auf der Strecke nach Arosa unterwegs ist, staunt er noch immer über die Ingenieurs­kunst von einst.
Foto: Joshua Kocher Peter Briner ist Lokführer bei der Rhätischen Bahn. Obwohl er fast täglich auf der Strecke nach Arosa unterwegs ist, staunt er noch immer über die Ingenieurs­kunst von einst.
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Family Home Al‰ penhof, Procken‰ gasse 15, 39037 Meransen, Ita‰ lien, Tel. +39 0472 5202 52, www.alpen‰ hof.org, DZ ab 146 Euro pro P.

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