Das Leben an der ungezähmten Donau
Historie Georg Willi hat ein Buch über die Geschichte Tapfheims verfasst. Im Interview erklärt der Autor, warum Bauernbefreiung und Kriminalfälle dabei im Fokus stehen.
Ihr Buch „Geschichte des bayerischen Dorfes Tapfheim“hat großen Anklang gefunden? Worauf führen Sie das eigentlich selbst zurück?
Georg Willi: Ich wollte keinesfalls ein gefälliges Heimatbuch schreiben, sondern ein Geschichtsbuch. Und Geschichte hat nun mal, was herrschaftliche Machtausübung anbelangt, viel mit Unrecht, rücksichtloser Aneignung und Knechtung des Schwachen zu tun – gerade auch in unseren Dörfern. Und bezogen auf die Kirche hat es viel mit Ambivalenz und viel mit Widersprüchlichkeit innerhalb des Klerus zu tun. Dies darzustellen, war mir wichtig, und dabei zugleich herauszuarbeiten, warum dieses Feudalsystem diesen unglaublich langen Atem hatte, ehe – erst 1848 – seine Auflösung eingeleitet wurde. Dabei wollte ich die Dorfgeschichte gleichzeitig einbinden, in die ja immer im Hintergrund daneben ablaufende Kunst- und Kulturgeschichte.
Sehr viel Raum im Buch nehmen die Bauernbefreiung und das Ablösegesetz ein, also das Gesetz, mit dem Grundbesitz von den Grundherren auf die Bauern überging?
Willi: Weil es im Buch um eine Dorfgeschichte geht und nichts so einschneidend für jede dörfliche Entwicklung war wie die Bauernbefreiung bis hin zum Ablösegesetz 1848. Denn damit wurde die Gesellschaftsund Wirtschaftsform des Mittelalters, das Feudalsystem, aufgehoben. Es führte zum Ende der Vorherrschaft von Adel und Klerus – also der Wegfall deren Steuerfreiheiten, Wegfall der Frondienstrechte und letztlich dann auch zum weitgehenden Verlust von deren Grundbesitz. Diese Entwicklung verlief parallel mit bürgerlichen Demokratiebestrebungen. Beide Bewegungen
„Grafen von Oettingen waren staufische Vasallen“
verliefen zwar gleichzeitig, gingen aber nur teilweise ineinander. Meist verfolgten Bauernschaft und Bürgerschaft jeder seine eigenen Ziele.
Liest man Ihr Buch, dann fällt einem auf, dass Sie für die Zeit der Stauferkönige (1137 bis 1254) die Burg Tapfheim als gesichert zum Staufischen Besitz zuordnen. Wie verhält es sich eigentlich mit der Burg (Donau)Münster?
Willi: Soweit ersichtlich, gibt es eine einzige Urkunde, die auf der Burg Münster selbst im Jahre 1256 ausgestellt wurde. Dort ist von „Dominus Vlricus dictus de Mvnstern“die Rede. Dieser Edelfreie von Münster war, wie Weitere seines Geschlechts, mit den Edelfreien von Höchstädt verwandt. Beide führten den Doppelrechen im Wappen. Beide werden in Urkunden auch immer wieder als (Reichs-)Ministrale beschrieben. Sie waren also Vasallen der Staufischen Könige.
Aber die Burg ist doch später von dem Grafen von Oettingen an Heilig Kreuz verkauft worden?
Willi: Das ist schon zeitlich viel später. Zunächst waren ja die Grafen von Oettingen selbst Inhaber einer staufischen Amtsgrafschaft, also staufische Vasallen. Nach dem Ende der Staufer (1254) begann erst deren Aufstieg zur Grafschaft. Und in der Tat wird in dieser Zeit einmal in einer Urkunde einer der Edlen von Münster als „Getreuer“der Grafen von Oettingen bezeichnet. Es ist zweifelsohne den Grafen von Oettingen in der Nachstauferzeit gelungen, Herr über die Burg von Münster zu werden, ehe diese Burg an Heilig Kreuz verkauft wurde. Die Burg selbst wurde ja schließlich, nochmals über 200 Jahre später, von Fluten der Donau weggespült. Allerdings dürfte nur die Burg in Tapfheim staufischer Privatbesitz gewesen sein, die Burg in Münster dagegen war wohl Reichsbesitz und damit nur solange staufisch, solange die Staufer die Könige stellten. Daher rühren ja auch die späteren Auseinandersetzungen des Herzogtums Bayern mit den Grafen von Oettingen um die höhere Obrigkeit in Münster und den anderen Tapfheimer Ortsteilen.
Sie sind Jurist, daher verwundert es ja nicht, dass sie sich in ihrem Buch auch mit Kriminalfällen aus den Tapfheimer Dörfern befasst haben. Was war da für Sie das Wichtigste?
Willi: Am liebsten hätte ich mich mit der mittelalterlichen Justiz befasst. Stoff hierzu auch in Bezug auf unsere Region gäbe es genug, etwa aus dem Akten des kaiserlichen Reichshofrats. Nur es ist unendlich mühevoll und ein sehr langwieriges Unterfangen, sich dieser Materie zu nähern. Gerne hätte ich auch herausgearbeitet,
„Leben hat sich an Flüssen und Seen abgespielt“
wie meist im Mittelalter Gerichtsentscheidungen zwischen abhängigen Bauern und den Klöstern über Rechte an Grundstücken und Fischereirechten diese fast immer zugunsten der Klöster entschieden wurden. Leichter war es da schon, sich den Kriminalfällen aus der Zeit nach 1800 zuzuwenden, die in Tapfheim spielten. Dabei hat es mich gewundert, dass Schuldsprüche und Strafmaß da doch schon meist überraschend gerecht ausgefallen sind und schon damals die Justiz Probleme hatte, bestimmte Handlungen, die unter Strafe gestellt waren (zum Beispiel die Konkubinatsfälle, also Fälle des eheähnlichen Zusammenlebens) oder die Bettelei strafrechtlich zu ahnden. Wenn hier Strafen verhängt wurden, hatten diese dann doch meist eher symbolischen oder ausgrenzenden Charakter als echten Strafcharakter. Auffallend war auch das extreme Verständnis, das damals die
Gesellschaft Wirtshausraufereien entgegenbrachte.
Interessant ist auch, was zur Donau als Transportweg zusammengetragen wurde.
Willi: Wir dürfen nie vergessen, dass sich das Leben früher primär an Flüssen und Seen abgespielt hat und Flüsse der bevorzugte Warentransportweg waren, jedenfalls wenn es flussabwärts ging. Ein besonderes erwähnenswertes Ereignis war ja 1764, als Kaiser Franz I. und seine Gemahlin Maria Theresia mit Entourage auf 32 Schiffen auf der Rückreise von Krönungsfeierlichkeiten aus Frankfurt von Ulm über Wien die Donau als Reiseweg bevorzugten. Bis dann 1836 sogar ein erstes Dampfschiff die Donau aufwärts nach Donauwörth fuhr und von da an bald ein wöchentlich regelmäßiger Schiffsverkehr von Donauwörth nach Passau und weiter nach Linz und Wien eingerichtet wurde. Überrascht hat mich allerdings das „Treideln“auf der Donau, also dass Schiffe auch das Ufer entlang mit Mannschaften und Pferdefuhrwerken stromaufwärts gezogen wurden, wobei oft die Flussseiten gewechselt werden mussten. Natürlich machte dieses aufwendige Treideln wohl allenfalls ein Zehntel der Warentransporte aus, die flussabwärts anfielen. Aber immerhin hat es diesen Handel donauaufwärts gegeben und er ist auch gut dokumentiert.