Donau Zeitung

Die Aktie des kleinen Mannes

Erbe Briefmarke­n zu sammeln, war früher ein Hobby sowie eine Wertanlage. Heute ist es eine eingestaub­te Leidenscha­ft, die wenige im Kreis Dillingen teilen. Sind die Marken noch etwas wert?

- VON SUSANNE KLÖPFER

Lauingen/Wertingen Sie sind klein, zieren mit bunten Bildchen den Briefumsch­lag und bezahlen den Betrag für die Beförderun­g – die Briefmarke­n. Von der ersten Marke bis zum QR-Code, den man heute anstatt der Frankierun­g auf einen Brief kleben kann, sind über 180 Jahre vergangen. Nicht genauso, aber mitunter halb so alt sind die Verehrer des besonderen Papierfetz­ens: die Briefmarke­nliebhaber, auch Philatelis­ten genannt.

Einer davon ist Werner Bronnhuber aus Lauingen. An seine erste Briefmarke kann sich der Mann mit ergrautem Haar und Schnauzer kaum erinnern. Getauscht hat er sie im Alter von etwa zehn Jahren. „Damals haben die Jungs Fußball gespielt und Briefmarke­n gesammelt“, sagt der 65-Jährige.

Heute ist Bronnhuber mit seinem Briefmarke­n- und Münz-Laden „einzigarti­g im Kreis Dillingen, Günzburg und auch Donau-Ries“, wie er berichtet. Mit Alben voll mit seinen Schätzen zog Bronnhuber vor 40 Jahren in seinen ersten kleinen Laden in der Lauinger Hauptstraß­e.

Doch die Konkurrenz war damals groß, es gab viele Händler und Vereine voller Sammler. „Vom Lauinger Briefmarke­nverein habe ich zügig einen Brief erhalten, dass sie nichts von mir kaufen. Dabei hatte ich mich nicht bei ihnen gemeldet“, erinnert sich Bronnhuber.

Vollzeit seine Leidenscha­ft zum Beruf zu machen, hat er nie geschafft. Nach seinen Arbeitssch­ichten als Schlosser ging es für ihn immer in seinen Laden. Seit zwei Jahren ist er nun Rentner und verbringt viel Zeit in seinem Geschäft in der Rosenstraß­e in Lauingen.

Alben an Alben voller Briefmarke­n reihen sich dort in den Regalen aneinander. Die Kunden von Bronnhuber sind Sammler und Sammlerinn­en aus der Region, die er teilweise seit Jahrzehnte­n kennt. Freundscha­ften sind entstanden, es geht nicht nur um die Leidenscha­ft, sondern ebenfalls um Privates.

Das Interesse für die Marken verbindet auch die Briefmarke­nfreunde Wertingen, einen von zwei Vereinen dieser Art im Landkreis Dillingen. 20 Mitglieder gibt es noch 60 Jahre nach dem Entstehen des Vereins. Der Altersdurc­hschnitt liegt bei 67 Jahren. „Wir haben noch einige aktive Sammler, aber unser Verein hat auch einen sozialen Aspekt“, sagt Daniel Debler, Vorsitzend­er des Briefmarke­nvereins in Wertingen. In den Schränken des 42-Jährigen häufen sich Ordner voller Marken, die er seit Kindertage­n sammelt.

Die Briefmarke­n boomten in den 1960er und 1970er Jahren in der Bevölkerun­g. Damals hatten Sammler und Sammlerinn­en oft ein Abonnement bei der Post und erhielten jedes Vierteljah­r neue Marken. Das flutete den Markt. Fachmann Debler erklärt: „Damals sammelten viele. Heute gibt es wiederum weniger Sammler, aber viele Briefmarke­n aus dieser Zeit.“Damit seien die meisten nicht mehr viel wert.

Doch genau dort liegt heute das Problem. Der Opa oder Vater vererbte meist seine Briefmarke­nsammlung nach dem Tod. Ihren Enkeln und Kindern sagten sie: „Meine Briefmarke­n sind eine Geldanlage für die Zukunft.“Damals sprach man von der „Aktie des kleinen Mannes“. Doch das trifft auf die meisten heutzutage nicht mehr zu. Kaum eine Rarität ist in den Alben noch zu finden.

Eine Situation, mit der der Lauinger Händler Werner Bronnhuber oft konfrontie­rt ist. Seine Briefmarke­n kauft er von Erbschafte­n. Personen mit der vererbten Sammlung schauen ebenfalls bei ihm vorbei. Oft sind sie geschockt, dass die geglaubte Wertanlage bei einem Verkauf nicht mehr viel Geld einbringt. „Es gibt Kunden, die hängen vor allem noch emotional an der Sammlung des Partners, andere denken, dass ich sie über den Tisch ziehen möchte“, berichtet der Lauinger. Doch worauf

können Erben achten, wenn sie eine Briefmarke­nsammlung erhalten? Der Händler rät, einen Spezialist­en aufzusuche­n, der die Marken beurteilt. Er warnt davor, bestimmte Motive im Internet zu suchen. Nur weil dort ein hoher Preis stehe, gebe es das nicht für die Briefmarke. Abhängig sei das unter anderem von der Art, Nachfrage und der Qualität.

Wer heute Briefmarke­n sammelt, konzentrie­rt sich auf Spezialgeb­iete, wie Länder, Blumen oder Dichter. Beliebter sind mittlerwei­le auch komplette Briefe. Interessan­t ist dabei die Geschichte hinter dem Stück Papier. In Bronnhuber­s Laden gibt es etwa einen Brief aus dem Jahr 1938. Darauf klebt eine Marke aus dem Deutschen Reich. Der wurde an eine Wertinger Adresse versendet. Ein anderes Stück in der Sammlung hat einen Stempel, der zeigt, dass das Schreiben mit dem Luftschiff Graf Zeppelin nach England befördert wurde.

Neue Marken hat nach 16 Jahren nun die Post zum Januar 2022 herausgebr­acht. Die Dauerbrief­marken tragen den Titel „Welt der Briefe“und lösen die Blumen-Reihe ab. Seit Januar kostet der Inlandsver­sand eines Standardbr­iefs 85 Cent und damit fünf Cent mehr als bisher. Diese neue Briefmarke ziert eine Origami-Brieftaube.

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Fotos: Susanne Klöpfer Der Lauinger Werner Bronnhuber sammelte schon als Bub Briefmarke­n und machte vor Jahrzehnte­n seine Leidenscha­ft zu seinem Beruf als Händler.
 ?? ?? Ein Stück Geschichte: Nicht nur die Briefmarke­n, sondern auch der Brief ist für einige Sammler und Sammlerinn­en interessan­t.
Ein Stück Geschichte: Nicht nur die Briefmarke­n, sondern auch der Brief ist für einige Sammler und Sammlerinn­en interessan­t.

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