Der längste Weg auf die Zugspitze
Vor 125 Jahren ging erstmals ein Mensch über den Jubiläumsgrat zwischen Deutschlands höchstem Berg und der Alpspitze. Heute ist die Tour ein Klassiker, der allerdings oft unterschätzt wird.
Garmisch-Partenkirchen Ein Spätsommertag, wie er schöner nicht sein kann: Mehrere Alpinisten sind mit der ersten Bergbahn auf die Zugspitze hinauf gefahren oder haben im Münchner Haus auf dem „Top of Germany“übernachtet. Jetzt sind sie auf dem Jubiläumsgrat in Richtung Alpspitze unterwegs. Wie über eine Himmelsleiter führt die Klettertour über zahlreiche Gipfel, immer im Auf und Ab über Erhebungen zwischen 2500 und 2600 Metern Höhe. Es gibt viele Kletterstellen und geröllbedeckte Felsen. „Ohne Trittsicherheit gehörst Du hier der Katz’“, sagt ein Bergsteiger. Manche begehen die Tour auch in umgekehrter Richtung – also von der Alpspitze zu Deutschlands höchstem Gipfel. Was die wenigsten wissen: Der Weg über den Grat wurde vor 125 Jahren – also 1897 – erstmals von Ferdinand Henning begangen. Es war eine alpine Pioniertat, über die aber kaum etwas überliefert ist.
Die Tour erfordert auch heute noch eine große alpine Erfahrung, Ausdauer und Durchhaltevermögen. „Der Jubiläumsgrat zählt zurecht zu den schönsten und großzügigsten Gratüberschreitungen der gesamten Ostalpen“, meint der Garmischer Bergführer Wolfgang Pohl. Obwohl heute weite Teile drahtseilversichert sind, dürfe man die Tour nicht mit einem Klettersteig
verwechseln: „Denn die ungesicherten Passagen verlangen nicht nur absolute Trittsicherheit, sondern auch ein solides Kletterkönnen bis zum dritten Schwierigkeitsgrad.“Für eine Begehung Voraussetzung seien zudem „ausgezeichnete konditionelle Fähigkeiten
und ein gutes Orientierungsvermögen“. Nur dann könne man den kompletten Grat von der Zugspitze bis zur Alpspitze sowie den Abstieg bis zur Bergstation der Alpspitzbahn sicher an einem Tag bewältigen. Tatsache ist: Weil sich einige Bergsteiger selbst überschätzen,
muss die Bergwacht immer wieder ausrücken, um Verunglückte, Erschöpfte und Vermisste zu bergen oder zu suchen.
Als Ferdinand Henning den acht Kilometer langen, zackigen Grat vor 125 Jahren erstmals beging, gab es keine Bergrettung, kein Handy und keinerlei andere Hilfsmöglichkeiten im Hintergrund. Umso höher ist die seinerzeitige Solo-Leistung des Alpinisten zu bewerten. Erster Pläne, die Hütten der Alpenvereinssektion München miteinander durch ein umfassendes Netz an Klettersteigen zu verbinden, gab es 1894. Damals wurde das 25-jährige Jubiläum des Münchner Alpenvereins gefeiert. Doch erst zwischen 1909 und 1915 wurde ein Teil des Jubiläumsgrats mit Drahtseil-Sicherungen und Steighilfen ausgebaut. Und diese Erschließung führte in Bergsteigerkreisen schon damals zu heftigen Diskussionen über Kletterethik und Grenzen des alpinen Tourismus.
Georg Leuchs (1876-1944), später viele Jahre Vorsitzender der Alpenvereinssektion München, protestierte gegen die Pläne, den Jubiläumsgrat mit Drahtseilen zu erschließen. „Durch Versicherungen wird den Bergen gerade das genommen, was zu ihrer Besteigung anreizt, die Schwierigkeit“, schrieb er. Und weiter: „Ungeübte werden durch sie auf ein Gelände gelockt, das ihnen gefährlich werden kann.“Unfälle seien die Folge.
Doch wenn alles passt, ist für Bergsteiger der lange Grat auch heute noch, im 125. Jubiläumsjahr, ein unvergessliches Erlebnis. Wichtig seien auch eine stabile Wetterlage und gute Verhältnisse, sagt Zugspitz-Kenner und Bergprofi Pohl.