Die Enkel tragen seinen Namen weiter
Kurz vor seinem zehnten Todestag hat Erhard Wunderlich, der in Augsburg geborene deutsche Handballer des Jahrhunderts, eine neue Ruhestätte gefunden. Seine Urne hat die Form eines Handballs, wie seine Witwe erzählt.
Augsburg Seine beiden Enkel durfte er nie kennenlernen, und doch ist er mit ihnen zusammen auf einem Bild verewigt. Dieses Gemälde einer australischen Malerin zeigt den vor zehn Jahren verstorbenen Erhard Wunderlich, der seine Enkel Emil Erhard und Paul Wilhelm Wunderlich im Arm hält. Die fünf und drei Jahre alten Buben, deren Vater den Namen der Mutter angenommen hat, tragen den Namen des deutschen Handballers des Jahrhunderts weiter. „Er hätte seine wahre Freude mit diesen beiden Jungs gehabt“, sagt seine zweite Frau Pia Wunderlich mit einem Lächeln im Gesicht. „Erhard ist noch immer sehr präsent. Es lässt nicht nach.“
Kennengelernt haben sich Pia und Erhard Wunderlich auf einem Golfturnier. „1996 in Iffeldorf“, erinnert sich die 65-Jährige, die erst in den letzten Tagen nordrheinwestfälische Meisterin in ihrer Altersklasse geworden ist. 1999 haben sie geheiratet. Pia Wunderlich hat damals zwei Mädchen mit in die Partnerschaft gebracht, die zum Zeitpunkt des Kennenlernens sechs und acht Jahre alt waren. „Die Beziehung zu Erhard war von Anfang an sehr gut und somit haben beide mit ihrer Volljährigkeit den Namen angenommen. Drei Monate vor seinem Tod wurde Katharina an Kindes statt adoptiert.“Die 34-Jährige hat inzwischen selbst zwei Söhne.
Die 32-jährige Kristina, deren Adoption aufgrund des frühen Todes nicht mehr vollzogen werden konnte, ist als Anwältin mit Fachgebiet Medizinrecht tätig. Dazu inspiriert wurde sie durch die lange Leidenszeit und den frühen Tod von Erhard Wunderlich, der am 4. Oktober 2012 im Alter von 55 Jahren an einem Krebsleiden verstarb. 2005 war bei Erhard Wunderlich, der zu dieser Zeit noch als Hotelier am Mondsee im österreichischen Salzkammergut tätig war, erstmals schwarzer Hautkrebs diagnostiziert worden. „Ich habe damals einen Fleck auf seinem Oberschenkel entdeckt, der mir suspekt vorkam“, erzählt Pia Wunderlich. Das maligne Melanom wurde großflächig operativ entfernt und fortan engmaschig kontrolliert.
Ende 2011 verschlechterten sich die Blutwerte dann rapide. „Er hat alle Therapien angenommen. Er hat auch bis zuletzt nie daran gezweifelt, dass es noch eine Möglichkeit gibt, diesen Kampf zu gewinnen. Schließlich war er Sportler durch und durch. Auch da ist er oft über die Schmerzgrenze hinaus gegangen“, blickt Pia Wunderlich zurück. Im September 2012, also vier Wochen vor seinem Tod, war das Ehepaar noch auf einer gemeinsamen Golfreise in den Schottischen Highlands. „Das war ihm ganz wichtig, obwohl er schon von der Krankheit gezeichnet war.“
Am 4. Oktober 2012 war der Kampf verloren. „Für mich war Erhard Wunderlich einer der großen Handballstars der Welt“, sagte Vlado Stenzel einmal über seinen Schützling aus der WeltmeisterMannschaft von 1978. Die TrainerLegende war zusammen mit den ehemaligen Mitspielern Kurt Klühspies,
Heiner Brand oder Gerd Rosendahl aus dem Team von 1978, Eishockey-Legende Erich Kühnhackl oder Rodel-Weltmeisterin Susi Erdmann zur Beisetzung nach Augsburg gekommen.
Der gebürtige Augsburger gehörte zu den besten Handballern der Welt. Begonnen hatte er beim BC Augsburg, der später in den FC Augsburg überging. Nach einem Freundschaftsspiel im Jahre 1976 gegen den VfL Gummersbach in der Augsburger Sporthalle, die mittlerweile ebenso wie die dorthin führende Erhard-WunderlichAllee nach ihm benannt ist, wurde er vom Fleck weg verpflichtet.
Im Oberbergischen wurde aus dem Erhard aufgrund seiner bayerischen Herkunft der „Sepp“. Bis 1983 war Wunderlich für den VfL Gummersbach aktiv, gewann mit den Blau-Weißen viele internationale und nationale Titel. Mit nur 21 Jahren hatte der 2,04 Meter große Schwabe 1978 großen Anteil am Titelgewinn bei der Weltmeisterschaft in Dänemark.
In den Jahren 1981 und 1982 wurde Wunderlich in Deutschland zum Handballer des Jahres und 1999 zum Handballer des Jahrhunderts gewählt. 1978, 1983 und 1984 erhielt er die höchste sportliche Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland, das „Silberne Lorbeerblatt“. 1983 ging er zum FC Barcelona. Ein Jahr später gehörte er zum deutschen Team, das bei Olympia in Los Angeles die Silbermedaille gewann. In 140 Länderspielen warf der Rückraumspieler 504 Tore. Nach seiner Rückkehr spielte er für den TSV Milbertshofen und den VfL Bad Schwartau.
Erhard Wunderlichs letzte Ruhestätte war bisher auf dem Friedhof in Gersthofen, weil dort zum Zeitpunkt seines Todes auch noch seine Mutter wohnte. Seit Hildegard Wunderlich im Jahre 2014 verstorben ist, trägt sich Pia Wunderlich schon mit dem Gedanken, die Grabstätte in ihre Nähe zu verlegen: „Damit wir ihn öfter besuchen können.“So hat sie bei der Stadt Gersthofen einen Antrag gestellt, der dann auch positiv beschieden wurde.
Am 4. Juni dieses Jahres wurde Erhard Wunderlich auf dem Friedhof in Bergisch-Gladbach neu bestattet. „Im Gartenwald mit einem kleinen Bächlein. Wir haben einen schönen Grabstein ausgesucht. Vorher ist er noch in eine neue Urne in Form eines Handballs umgezogen“, erzählt die Geschäftsfrau, die einen Großhandel für Sprechstundenbedarf betreibt. Die Urne wurde von ihrer Tochter mit den Stationen seines Lebens bemalt. „Wir sind sehr glücklich mit der Situation. Auch für die Enkel, die ihn nicht mehr kennengelernt haben“, ist Pia Wunderlich froh, ihren Mann wieder ganz nahe bei sich zu haben.
Er hat bis zuletzt nie daran gezweifelt, dass es noch eine Möglichkeit gibt, diesen Kampf zu gewinnen.
Pia Wunderlich