Donau Zeitung

Die Enkel tragen seinen Namen weiter

Kurz vor seinem zehnten Todestag hat Erhard Wunderlich, der in Augsburg geborene deutsche Handballer des Jahrhunder­ts, eine neue Ruhestätte gefunden. Seine Urne hat die Form eines Handballs, wie seine Witwe erzählt.

- Von Oliver Reiser

Augsburg Seine beiden Enkel durfte er nie kennenlern­en, und doch ist er mit ihnen zusammen auf einem Bild verewigt. Dieses Gemälde einer australisc­hen Malerin zeigt den vor zehn Jahren verstorben­en Erhard Wunderlich, der seine Enkel Emil Erhard und Paul Wilhelm Wunderlich im Arm hält. Die fünf und drei Jahre alten Buben, deren Vater den Namen der Mutter angenommen hat, tragen den Namen des deutschen Handballer­s des Jahrhunder­ts weiter. „Er hätte seine wahre Freude mit diesen beiden Jungs gehabt“, sagt seine zweite Frau Pia Wunderlich mit einem Lächeln im Gesicht. „Erhard ist noch immer sehr präsent. Es lässt nicht nach.“

Kennengele­rnt haben sich Pia und Erhard Wunderlich auf einem Golfturnie­r. „1996 in Iffeldorf“, erinnert sich die 65-Jährige, die erst in den letzten Tagen nordrheinw­estfälisch­e Meisterin in ihrer Altersklas­se geworden ist. 1999 haben sie geheiratet. Pia Wunderlich hat damals zwei Mädchen mit in die Partnersch­aft gebracht, die zum Zeitpunkt des Kennenlern­ens sechs und acht Jahre alt waren. „Die Beziehung zu Erhard war von Anfang an sehr gut und somit haben beide mit ihrer Volljährig­keit den Namen angenommen. Drei Monate vor seinem Tod wurde Katharina an Kindes statt adoptiert.“Die 34-Jährige hat inzwischen selbst zwei Söhne.

Die 32-jährige Kristina, deren Adoption aufgrund des frühen Todes nicht mehr vollzogen werden konnte, ist als Anwältin mit Fachgebiet Medizinrec­ht tätig. Dazu inspiriert wurde sie durch die lange Leidenszei­t und den frühen Tod von Erhard Wunderlich, der am 4. Oktober 2012 im Alter von 55 Jahren an einem Krebsleide­n verstarb. 2005 war bei Erhard Wunderlich, der zu dieser Zeit noch als Hotelier am Mondsee im österreich­ischen Salzkammer­gut tätig war, erstmals schwarzer Hautkrebs diagnostiz­iert worden. „Ich habe damals einen Fleck auf seinem Oberschenk­el entdeckt, der mir suspekt vorkam“, erzählt Pia Wunderlich. Das maligne Melanom wurde großflächi­g operativ entfernt und fortan engmaschig kontrollie­rt.

Ende 2011 verschlech­terten sich die Blutwerte dann rapide. „Er hat alle Therapien angenommen. Er hat auch bis zuletzt nie daran gezweifelt, dass es noch eine Möglichkei­t gibt, diesen Kampf zu gewinnen. Schließlic­h war er Sportler durch und durch. Auch da ist er oft über die Schmerzgre­nze hinaus gegangen“, blickt Pia Wunderlich zurück. Im September 2012, also vier Wochen vor seinem Tod, war das Ehepaar noch auf einer gemeinsame­n Golfreise in den Schottisch­en Highlands. „Das war ihm ganz wichtig, obwohl er schon von der Krankheit gezeichnet war.“

Am 4. Oktober 2012 war der Kampf verloren. „Für mich war Erhard Wunderlich einer der großen Handballst­ars der Welt“, sagte Vlado Stenzel einmal über seinen Schützling aus der Weltmeiste­rMannschaf­t von 1978. Die TrainerLeg­ende war zusammen mit den ehemaligen Mitspieler­n Kurt Klühspies,

Heiner Brand oder Gerd Rosendahl aus dem Team von 1978, Eishockey-Legende Erich Kühnhackl oder Rodel-Weltmeiste­rin Susi Erdmann zur Beisetzung nach Augsburg gekommen.

Der gebürtige Augsburger gehörte zu den besten Handballer­n der Welt. Begonnen hatte er beim BC Augsburg, der später in den FC Augsburg überging. Nach einem Freundscha­ftsspiel im Jahre 1976 gegen den VfL Gummersbac­h in der Augsburger Sporthalle, die mittlerwei­le ebenso wie die dorthin führende Erhard-Wunderlich­Allee nach ihm benannt ist, wurde er vom Fleck weg verpflicht­et.

Im Oberbergis­chen wurde aus dem Erhard aufgrund seiner bayerische­n Herkunft der „Sepp“. Bis 1983 war Wunderlich für den VfL Gummersbac­h aktiv, gewann mit den Blau-Weißen viele internatio­nale und nationale Titel. Mit nur 21 Jahren hatte der 2,04 Meter große Schwabe 1978 großen Anteil am Titelgewin­n bei der Weltmeiste­rschaft in Dänemark.

In den Jahren 1981 und 1982 wurde Wunderlich in Deutschlan­d zum Handballer des Jahres und 1999 zum Handballer des Jahrhunder­ts gewählt. 1978, 1983 und 1984 erhielt er die höchste sportliche Auszeichnu­ng der Bundesrepu­blik Deutschlan­d, das „Silberne Lorbeerbla­tt“. 1983 ging er zum FC Barcelona. Ein Jahr später gehörte er zum deutschen Team, das bei Olympia in Los Angeles die Silbermeda­ille gewann. In 140 Länderspie­len warf der Rückraumsp­ieler 504 Tore. Nach seiner Rückkehr spielte er für den TSV Milbertsho­fen und den VfL Bad Schwartau.

Erhard Wunderlich­s letzte Ruhestätte war bisher auf dem Friedhof in Gersthofen, weil dort zum Zeitpunkt seines Todes auch noch seine Mutter wohnte. Seit Hildegard Wunderlich im Jahre 2014 verstorben ist, trägt sich Pia Wunderlich schon mit dem Gedanken, die Grabstätte in ihre Nähe zu verlegen: „Damit wir ihn öfter besuchen können.“So hat sie bei der Stadt Gersthofen einen Antrag gestellt, der dann auch positiv beschieden wurde.

Am 4. Juni dieses Jahres wurde Erhard Wunderlich auf dem Friedhof in Bergisch-Gladbach neu bestattet. „Im Gartenwald mit einem kleinen Bächlein. Wir haben einen schönen Grabstein ausgesucht. Vorher ist er noch in eine neue Urne in Form eines Handballs umgezogen“, erzählt die Geschäftsf­rau, die einen Großhandel für Sprechstun­denbedarf betreibt. Die Urne wurde von ihrer Tochter mit den Stationen seines Lebens bemalt. „Wir sind sehr glücklich mit der Situation. Auch für die Enkel, die ihn nicht mehr kennengele­rnt haben“, ist Pia Wunderlich froh, ihren Mann wieder ganz nahe bei sich zu haben.

Er hat bis zuletzt nie daran gezweifelt, dass es noch eine Möglichkei­t gibt, diesen Kampf zu gewinnen.

Pia Wunderlich

 ?? Foto: Imago ?? In 140 Länderspie­len warf Erhard Wunderlich 504 Tore für die deutsche Nationalma­nnschaft, mit der der Handballer des Jahrhunder­ts 1978 Weltmeiste­r wurde. Mit dem VfL Gummersbac­h und dem FC Barcelona gewann der gebürtige Augsburger zahlreiche nationale und internatio­nale Titel.
Foto: Imago In 140 Länderspie­len warf Erhard Wunderlich 504 Tore für die deutsche Nationalma­nnschaft, mit der der Handballer des Jahrhunder­ts 1978 Weltmeiste­r wurde. Mit dem VfL Gummersbac­h und dem FC Barcelona gewann der gebürtige Augsburger zahlreiche nationale und internatio­nale Titel.
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Foto: Katharina Wunderlich „Erhard ist noch immer sehr präsent.“Zehn Jahre nach dem Tod von Erhard Wunderlich betrachtet seine Witwe Pia ein Gemälde, das den Handballer des Jahrhunder­ts mit seinen Enkeln zeigt, die er nie kennenlern­en durfte.

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