Geschenke verpflichten Das christliche Wort von Gerhard Nothaas
Liebe Leserinnen und Leser! Erntedank ist ein Tag des Dankes und der Freude. Trotz aller Anstrengung und harten Arbeit der Landwirtschaft haben wir unverdient ein riesiges Geschenk des Schöpfers empfangen: Auf unseren Feldern und in unseren Gärten ist so viel gewachsen, dass wir davon leben können. Noch dazu in einer Reichhaltigkeit und Vielfalt, die uns den Genuss am Essen und Trinken spüren lässt. Alle, die die Früchte der Erde genießen, haben Grund zu danken: dem Schöpfer aber auch den vielen, die an der Bereitstellung der Nahrungsmittel mitwirken. Im Jahr des Ukrainekriegs, in dem viel mehr Menschen hungern müssen als sonst, wissen wir das umso mehr zu schätzen.
Aber jedes Geschenk verpflichtet und mahnt auch zu einem sorgsamen Umgang. Die Landwirtschaft ist in hohem Maße abhängig von einem stabilen Klima und vom Vorhandensein einer reichen Biodiversität. Beides sind wir gegenwärtig im Begriff zu zerstören. Die Zeit läuft uns davon. Es gilt schnell zu handeln. Wir alle müssen unsere Art zu leben und zu konsumieren erheblich verändern. Und zwar heute. Denn schon morgen kann es zu spät sein - die Zeit drängt!
Dabei kommen die „Einschläge“immer näher. Große Schadensereignisse haben unsere direkten Nachbarländer erreicht, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die nächste Katastrophe in passiert. In der Schweiz der verheerende Bergsturz am Piz Cengalo 2011; in Deutschland die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021; in Tschechien der Tornado ebenfalls 2021; in Italien der Gletscherabbruch an der Marmolata 2022. Ganz zu schweigen von häufigeren Hitzewellen und Dürren, die unserer Land- und Forstwirtschaft seit Jahren schwer zu schaffen machen. Die Folgen der Klimaerwärmung werden von Jahr zu Jahr schlimmer und treten häufiger auf.
Angesichts dessen ist der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Verknappung und Verteuerung der fossilen Energieträger nur das Tüpfelchen auf das „i“. Wer jetzt noch nicht kapiert hat, was die Stunde schlägt, dem ist nicht zu helfen.
So feiern wir auch in diesem Jahr wie in jedem Herbst ein scheinbar veraltetes Fest: Erntedank. Es ist aber nicht nur ein Fest des Dankens. Es ist auch ein Fest, das uns zu denken gibt.
Wir tun gut daran innezuhalten und uns bewusst zu machen, wie abhängig wir von dem sind, was wir der Mutter Erde abringen oder gläubig ausgedrückt, was wir dem Schöpfer verdanken. Mehr als in anderen Jahren machen uns die gegenwärtigen Krisen bewusst, wie viel wir einander verdanken durch das Mitwirken eines jeden an unserem Wohlstand. Wir tun gut daran, auch diesen Dank einmal bewusst allen auszusprechen, die sich aufbauend in das Leben der Gesellschaft einbringen; dieses Jahr ganz besonders denen, die infolge der Krisen besonderen Belastungen ausgesetzt sind.
Vergessen wir aber auch nicht, über den sprichwörtlichen Tellerrand hinauszuschauen auf die Teller derer, die nur sehr dürftig gefüllt oder gar leer sind. Es wäre ein scheinheiliger Dank, wenn wir die Fragen nach der gerechten Verteilung der Lebensgüter ausblendeten und wenn wir auf all jene vergäßen, die keinen Zugang zu dem haben, was Gott uns allen geschenkt hat.
Ihr Gerhard Nothaas, Diakon i.R. (Foto: von Weitershausen)