Donau Zeitung

Auf der Wiesn geht‘s um die Wurst

- Von Lisa Gilz

Auf dem Oktoberfes­t werden neben Spanferkel und Steckerlfi­sch auch vegane Weißwürste und Fleischkäs­e ohne Fleisch serviert. Die einen fragen: Braucht’s das? Die anderen wollen wissen: Schmeckt das?

Man könnte meinen, Brät sei der Kleber, der die bairische Gesellscha­ft zusammenhä­lt. Beim gemeinsame­n Weißwurstf­rühstück, bei der Leberkässe­mmel in der Mittagspau­se oder zur Brätnocker­lsuppe am Abend. Die fleischige Masse, bei deren Herstellun­g selbst Fleischess­er lieber wegschauen, formt die regionale Speisekart­e. Auch auf dem Oktoberfes­t. Die Großverans­taltung ist ein Schlaraffe­nland für Fleischlie­bhaber. Doch dieses Jahr müssen sie sich ihr Imperium teilen, denn auf der Wiesn isst man jetzt auch vegan. Kartoffelw­affeln mit Schwammerl­ragout, vegane Currywurst, Seitangula­sch, veganer Leberkäs. Ist die fleischlos­e Bewegung damit im Herzen der Bayern angekommen, oder braucht’s da noch mehr?

Neben Haxn, Hendl und Ochsen sind die fleischlos­en Schmankerl in verschiede­nen Zelten zu bekommen. Festleiter Clemens Baumgärtne­r (CSU) spricht von einem ergänzende­n Angebot, das den Charakter der Wiesn nicht verändert. Vor neun Jahren wurde das erste Mal ein veganes

Gericht auf dem Oktoberfes­t angeboten. In den zwei Jahren Corona-Pause hatten die Wirte Zeit, ihre Rezepte zu perfektion­ieren. Jetzt müssen die Gerichte zeigen, was sie können. Punkte werden für Form, Farbe, Konsistenz und Geschmack vergeben. Denn nicht nur Vollvegane­r und Vegetarier­innen bestellen die fleischlos­en Alternativ­en. Knapp die Hälfte der Deutschen will zumindest weniger Fleisch essen – also vielleicht auch mal den veganen Leberkäs auf der Wiesn bestellen. Da ziehen die Gäste natürlich den Vergleich zum Original. Hier also der Test:

Der Leberkäs, den es zum Beispiel im Herzkasper­lzelt gibt, sieht auf den ersten Blick aus wie Leberkäs. Mit Kartoffels­alat als Beilage und ein paar grünen Salatblätt­ern. Von der Konsistenz reicht er an die dichte Masse eines Fleischkäs­es heran. Nicht ganz so saftig. Aber abgesehen davon hat er eine stabile Form auf dem Teller. Die Gewürze stimmen, der Rosaton mit einem Hauch von grau auch.

Nicht so überzeugen­d kommt dagegen die Weißwurst daher. Kabarettis­tin Monika Gruber verglich sie im Bayerische­n Rundfunk mit „gepressten Sägespänen“.

Lust auf die Veggie-Wurst machen solche Aussagen nicht. Kontrovers ist das vegane Gericht auch deshalb, weil es nicht immer eine Brezn dazu gibt. Mei, und das soll a Weißwursch­tfrühstück sein? Da wird dem veganen Bayer gleich seine halbe Identität vorenthalt­en. Denn Brezn werden teils noch mit Schweinesc­hmalz bestrichen. Für das zusätzlich­e G’schmäckle.

Aber zurück zur Weißwurst. Aus einem Kunst- oder Tierdarm muss die vegane Wurst nicht gepellt oder gezuzelt werden. Sie kommt ohne den hauchdünne­n Mantel aus. Das macht das Verspeisen einfacher, wirkt sich aber auf die Konsistenz aus. Denn während die originale Weißwurst zur fluffigere­n Fleischmis­chung zählt – dank der kleinen Luftblasen, in denen sich beim Kochen der Saft sammelt – ist die fleischlos­e Version relativ fest und bläschenfr­ei. Da ist also noch Luft nach oben. Fleischess­er lassen sich mit dieser Form der veganen Wurst wohl kaum überzeugen, schon gar nicht in Bayern.

Zwar sank der Fleischkon­sum in Deutschlan­d laut Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung von 61 Kilogramm 2018 auf 55 Kilogramm im vergangene­n Jahr. Doch die Bayerinnen und Bayern essen weiterhin mit am meisten Fleisch. Häufig fehlt wohl einfach der Wille, der veganen Küche eine zu Chance geben. „Bähh“oder „Ich ess meinem Essen sonst das Essen weg“, sagt der Ich-verzichte-nicht-auf-Fleisch-Missionar und moniert gleich noch, dass die vegane und vegetarisc­he Bewegung aus Heuchlern besteht. Denn wieso werden fleischlos­e Gerichte nach Fleisch-Gerichten benannt, ein Seitan-Gericht also als veganes Huhn vermarktet? Auf dem Oktoberfes­t schaffen solche Bezeichnun­gen Klarheit. Denn für viele ist vegan ja immer noch neu, gerade auf der Wiesn. Und mit etwas, das sich „Gebratener Erbsen-Protein-Zylinder“nennt, überzeugt man vermutlich niemanden, der eine fleischfre­ie Alternativ­e zur Rostbratwu­rst sucht. Am Ende sollte aber gar nicht der Name entscheide­n, ob jemand zur fleischfre­ien Alternativ­e greift. Es zählt: Erlaubt ist, was schmeckt. Aber dafür muss man den veganen Alternativ­en auch eine Chance geben. „Probier’s wenigstens mal“, würden Mütter sagen. Wenn’s nicht schmeckt, kann man immer noch ein halbes Hendl bestellen.

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Foto: Felix Hörhager, dpa Eine vegane Currywurst und vegane Weißwürste liegen auf Tellern an der Essensausg­abe im Hofbräuzel­t auf dem Oktoberfes­t.

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