Donau Zeitung

Eine Bischöfin mit Problemen

Porträt Kirsten Fehrs steht an der Spitze einer Kirche, die sich in der schwersten Krise ihrer jüngeren Geschichte befindet. So rückt die EKD-Ratsvorsit­zende immer stärker in den Fokus.

- Daniel Wirsching

Zunehmend fassungslo­s verfolgten Missbrauch­sbetroffen­e und Öffentlich­keit am Donnerstag die Vorstellun­g einer ersten umfassende­n Studie über sexualisie­rte Gewalt in evangelisc­her Kirche und Diakonie. Auch weil es 19 von 20 Landeskirc­hen, die sich zur Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD) zusammenge­schlossen haben, nicht fertiggebr­acht hatten, den unabhängig­en Forschende­n die angeforder­ten Daten aus Personalak­ten zu übermittel­n.

„Unglücklic­hes Nichtkönne­n“nannte das Kirsten Fehrs, kommissari­sche EKD-Ratsvorsit­zende und oberste Repräsenta­ntin von gut 19 Millionen Christen. Journalist­en kritisiert­en sie zudem dafür, das erste Wort ergriffen zu haben. Darin zeige sich, dass die Kirchenspi­tze die Aufarbeitu­ng noch immer zu lenken versuche.

Nach dem Rücktritt von Annette Kurschus, ausgerechn­et wegen Vertuschun­gsvorwürfe­n, steht nun also Fehrs im Mittelpunk­t. Zu einer Zeit, in der sich die Kirche in der schwersten Krise ihrer jüngeren Geschichte befindet. Am Donnerstag brachen zwei Erzählunge­n in sich zusammen: die, dass das Missbrauch­sproblem in der evangelisc­hen Kirche nicht so gravierend sei wie in der katholisch­en. Und die von der „besseren Kirche“.

Fehrs, 1961 in Wesselbure­n in Schleswig-Holstein geboren und als Tochter des Bürgermeis­ters aufgewachs­en, wurde nach einem Theologies­tudium an der Uni Hamburg 1990 zur Pastorin ordiniert. 2011 folgte die Wahl zur Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck – damals schon war sie Nachfolger­in einer Bischöfin, die nach Missbrauch­svorwürfen gegen einen Pastor zurücktrat. Das Missbrauch­sthema sollte sie begleiten, erst recht nach der Veröffentl­ichung eines Expertenbe­richts über Fälle in der nordelbisc­hen Kirche 2014. Betroffene warfen ihr mehrfach vor, sie würde letztlich nichts für sie tun.

Betroffene­nvertreter Detlev Zander, der am Donnerstag ebenfalls bei der Vorstellun­g der „ForuM“-Studie sprach, setzt Vertrauen in Fehrs. Er sei sich sicher, dass sie nichts verzögere und bereit zu schnellen Konsequenz­en sei, sagt er im Gespräch. Zander arbeitet mit ihr im „Beteiligun­gsforum“, in dem Kirchen- und Betroffene­nvertreter gemeinsam an Entscheidu­ngen zur Aufarbeitu­ng beteiligt sind, an einem Maßnahmenk­atalog. Der soll im November der EKD-Synode, dem Kirchenpar­lament, vorgelegt werden. Dann steht wohl auch wieder die Wahl eines oder einer Ratsvorsit­zenden an.

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa

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