Schwerelos im freien Fall
Der Turm in Bremen ist ein Ort für spezielle Experimente. Hier wird etwas möglich, was es auf unserer Erde eigentlich nicht gibt – sondern sonst nur im Weltall.
Gespannt schauen die Forschenden auf die Bildschirme. Ein Monitor zeigt eine metallene Kapsel, die mit ihrer Spitze aussieht wie eine Rakete. Plötzlich schießt die Kapsel in die Höhe. Auf einem anderen Monitor sieht man, wie sie eine Röhre hinauf rast und wieder nach unten stürzt. Die Leute applaudieren. Offenbar ist das Experiment im Fallturm geglückt! Fast 150 Meter hoch ist dieser Turm in der Stadt Bremen, der wie ein Bleistift aussieht. Fast täglich werden hier Experimente durchgeführt. Denn diese Bedingungen gibt es sonst kaum auf unserer Erde
. „Der Fallturm ist ein Labor, das für Experimente unter Schwerelosigkeit genutzt wird“, erklärt Birgit Kinkeldey vom Forschungszentrum ZARM. Das betreibt den Fallturm. Schwerelosigkeit? Gibt es die nicht nur im Weltall? „Eigentlich zieht uns die Erde an, sodass ihre Schwerkraft auf uns wirkt“, sagt die Expertin. „Doch die Schwerkraft lässt sich überwinden: Im freien Fall wird die Auswirkung der Schwerkraft aufgehoben.“
Das bedeutet: Ein Gegenstand, der ungebremst – „freier Fall“– zu Boden fällt, ist schwerelos. Diese Schwerelosigkeit kannst du selbst spüren, wenn du im Schwimmbad vom Sprungturm hüpfst. Im hohen Turm dauert der Fall aber einige Sekunden länger. Diese Zeit nutzen Forschende. Denn: „Bei vielen Experimenten stört die Schwerkraft, weil sie alle Abläufe auf der Erde beeinflusst“, erklärt die Fachfrau. Experimente im Weltraum durchzuführen, wäre aber viel teurer.
Nun kommt die Metallkapsel ins Spiel. Die ist etwas größer als ein Erwachsener. In ihr steckt viel Technik: Batterien, Computer und Messinstrumente. Außerdem ist Platz für das Experiment selbst. Die Kapsel kann mit einer Seilwinde an die Turmspitze gezogen und fallengelassen werden. Oder sie wird von einem Katapult mit Luftdruck hinaufgeschossen. Auch im Flug nach oben wird die Kapsel schwerelos.
Zuvor saugen starke Pumpen die Luft aus der Röhre, denn die würde Widerstand bieten und die Kapsel bremsen. Jeweils 4,65 Sekunden lang rauscht die Kapsel die Fallröhre hinauf und wieder hinunter, mit dem Katapult sogar doppelt so lange. Unten wird die Kapsel in einem tiefen Becken aufgefangen. Das ist mit Kügelchen aus Styropor gefüllt und schützt so vor Schäden. Dort holen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Kapsel heraus, öffnen sie später und bergen ihr Experiment.
„Was bei den Experimenten genau untersucht wird, ist bei jeder Versuchsreihe unterschiedlich“, sagt Birgit Kinkeldey. „Oft werden Eigenschaften bestimmter Materialien untersucht. Zum Beispiel, wie sich eine Flüssigkeit in Schwerelosigkeit verhält oder wie ein Stoff verbrennt.“(Philipp Brandstädter, dpa)