1300 Menschen gegen Rechtsextremismus
Viele Bürger und Bürgerinnen setzen in Dillingen ein Zeichen für Menschlichkeit. Eine 75-jährige Lauingerin erklärt, warum sie erstmals in ihrem Leben demonstriert hat.
Für Ute Lang ist es eine Premiere. „Das ist meine erste Demo, an der ich teilnehme“, sagt die Lauingerin. Die 75-Jährige zählt zu den etwa 1300 Menschen, die am Samstagnachmittag zur Kundgebung „Für Menschlichkeit! – Gemeinsam gegen rechts!“nach Dillingen gekommen sind. Sie sei zwar nicht gut zu Fuß unterwegs, gesteht Lang. „Aber ich mache es für unsere Enkel“, betont die Lauingerin. Angesichts rechtsextremistischer Tendenzen sei es notwendig, für die freiheitliche Demokratie einzutreten.
Aufgerufen zu der Kundgebung haben der Vorsitzende der Dillinger Unterstützergruppe Asyl/Migration, Georg Schrenk, und Landrats-Stellvertreter Joachim Hien (Grüne). Bei der Demo sind aber auch Politiker aller anderen im Kreistag vertretenen Parteien vor Ort. SPD-Bundestagsabgeordneter Christoph Schmid nimmt ebenso an der Kundgebung teil wie CSULandtagsabgeordneter Manuel Knoll, der im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die Kundgebung das Motto „gegen Rechtsextremismus“haben müsse. Auch Gundelfingens Bürgermeister Dieter Nägele und Aislingens Rathauschef Jürgen Kopriva (beide FW) sind zur Demonstration nach Dillingen gekommen. „Es ist wichtig, jetzt ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen“, sagt Nägele,
der am Wochenende zuvor bereits an der Kundgebung in Ulm teilgenommen hat.
Der Parkplatz vor dem Dillinger Schloss ist am Samstag bei Sonnenschein schnell gefüllt. „Menschenrechte statt rechte Menschen“, „Dillingen ist bunt“, „Nationalität: Mensch“, „Gegen Rassismus“, „EkelhAfD“, „Nie wieder ist jetzt“, steht auf Plakaten und Bannern. Am 27. Januar ist gleichzeitig der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Daran erinnert Georg Schrenk, nachdem die Menge vom Schloss über die Königstraße zur Kundgebung auf dem Ulrichsplatz gezogen ist. „Wir sind nicht mehr verantwortlich für das, was geschah, sondern verantwortlich dafür, dass Derartiges nicht mehr geschieht“, sagt Schrenk und ruft die Versammelten zu einer Schweigeminute auf. Er spricht die Remigrationspläne an, über die nach jüngsten Recherchen Mitglieder der AfD und der Werteunion mit dem Kopf der Identitären Bewegung
Martin Sellner in Potsdam gesprochen haben. Demnach sollen Menschen mit Migrationshintergrund vertrieben werden. Was verwundert: Auch der AfD-Kreisvorsitzende Peter Kappatsch ist bei der Demo zu sehen.
Anschließend reißt der Direktor der Regens-Wagner-Stiftungen Rainer Remmele die Hörer und Hörerinnen mit seinen Gedanken zur Menschlichkeit mit. Wann kommen wir voran auf unseren Wegen des Mensch-Seins?, fragt Pfarrer Remmele und gibt die Antwort: „Dann, wenn ich in all den Menschen, die mir begegnen, einen Bruder und eine Schwester sehe und erkenne.“Wer in den Abgrund der Unmenschlichkeit des Nationalsozialismus blicke, der könne nur eine Konsequenz ziehen. „Nie wieder!“, sagt Remmele. Nie wieder dürfe es so schwarz und dunkel in unserem Land werden. Der Geistliche erinnert an Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“und eine Geschichte,
die bereits beim Dillinger Neujahrsempfang erzählt wurde. Himmel und Hölle unterscheiden sich demnach nur dadurch, dass sich die Menschen im Himmel um einander kümmern. „Mensch-sein heißt, miteinander Zukunft zu gestalten“, sagt der geistliche Direktor des Sozialwerks Regens Wagner. Er fordert in Anlehnung an den einstigen US-Präsidenten Kennedy, zunächst danach zu fragen, „was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen“. Wenn jeder nur fordere, werde keiner satt.
Das Leben 2024 erwarte von uns, dass wir uns gemeinsam den Herausforderungen stellen – etwa bei der Migration. Niemand, so Remmele, verlasse ohne Grund seine Heimat. „Aber wir können gemeinsam etwas gegen diese Gründe tun.“Auch die Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit, sie „braucht unseren Schutz und unser Engagement“. Als der Seelsorger mit den Worten „Werden wir, was wir sind: Menschen“schließt, erhält er großen Applaus.
Oberbürgermeister Frank Kunz (CSU) stellt fest, dass „unsere Demokratie vor einer echten Zerreißprobe“stehe. Umso wichtiger sei es, für sie einzutreten. Landrat Markus Müller (Freie Wähler) sagt, es könne am Holocaust-Gedenktag nur zwei Botschaften geben – „Nie wieder!“und „Wehret den Anfängen!“. Der Lauinger Ahmad Karakish berichtet, dass er 2013 aus Syrien geflohen ist und nach einer Ausbildung bei Gartner inzwischen als Busfahrer arbeitet. „Ich habe Hilfe bekommen, jetzt helfe ich anderen“, sagt Karakish. Der Weisinger Josef Busch berichtet, wie er oft Alltagsrassismus erlebe. Er habe Angst, dass rechtsextremistische Parolen immer mehr Gehör finden. Der 21-Jährige fordert Zivilcourage ein, man müsse gegen solches Gedankengut entschieden ankämpfen.
Gitarrist Helge Buchfellner bereichert die Demo mit Liedern wie „Imagine“, „Sag mir, wo die Blumen sind“oder „Wind of Change“. Mitorganisator Joachim Hien macht die große Resonanz glücklich. „Das geht ins Herz, macht Mut, schreit nach mehr“, sagt der Grünen-Politiker. Die Teilnehmenden hätten für die Stadt und den Landkreis Dillingen ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt, das ihn stolz mache. „Ihr schreibt ein Stück Landkreis-Geschichte“, glaubt der Landratsstellvertreter.